Es gibt keine Wiederkehr. John Mair

Читать онлайн.
Название Es gibt keine Wiederkehr
Автор произведения John Mair
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783939483649



Скачать книгу

doch weigerte sie sich stets, ihn in teure Restaurants oder West-End-Theater zu begleiten. Von Anfang an hatte sie es zudem strikt abgelehnt, auch nur einen einzigen seiner Freunde zu treffen (seine eigene Verschwiegenheit billigte diese Haltung), und ihre gemeinsamen Stunden verbrachten sie an einer seltsamen Mischung verschiedenster Orte, von Kew bis Box Hill, in Baudenkmälern, riesigen Hotelkomplexen, für die beide eine seltsame Vorliebe hegten, und auf Hunderennbahnen, wo sie sich als kaltblütige und erfolgreiche Spielerin entpuppte.

      Sie ging irgendeiner Beschäftigung nach, und er registrierte, dass die Lederauflage auf ihrem Schreibtisch abgenutzt war, als würde dort regelmäßig gearbeitet. Hinweisen und Fragen wich sie allerdings aus, und etwas in ihrer Art warnte Desmond, dass sie ihn auf der Stelle verlassen würde, falls er sie weiter bedrängte. Mit wachsender Eifersucht fiel ihm das Schweigen immer schwerer, und er befürchtete, sie sei womöglich die Geliebte eines sehr wohlhabenden Mannes oder sogar eine Art Edelhure. Schließlich gelang es ihm, eine Szene zu provozieren und ihr einige seiner Mutmaßungen an den Kopf zu werfen. Zum ersten Mal schien sie wirklich erregt, sie attackierte ihn wütend, sie musste schlucken, und er bemerkte sogar einen Speicheltropfen in ihrem Mundwinkel.

      «Wie kannst du es wagen, mich eine bezahlte Geliebte zu nennen! Ich bin niemandes Hure! Meine Arbeit ist zu wichtig, als dass du sie verstehen könntest! Ich habe mich nie in dein Leben eingemischt – wie kannst du dich nur erdreisten, in meinem herumzuwühlen? Du scheinst zu glauben, du hättest irgendwelche Rechte an mir, nur weil ich dich ausgewählt habe, mit mir zu schlafen. Du solltest aber wissen, dass du nur ein sehr kleiner Teil meines Lebens bist, den ich jederzeit zurücklassen kann. Mir scheint, dieser Tag ist nicht mehr fern, und wenn es soweit ist, werde ich dich verlassen und dich niemals wiedersehen und auch nie wieder an dich denken.»

      «Um Himmels willen, schrei nicht so laut und behalte deine schlechten Manieren für dich», hatte er matt erwidert; wütend stolperte er die Treppe hinunter und schwor sich, dieses Mal tatsächlich nicht mehr wiederzukehren. Natürlich kam er dann aber doch zurückgekrochen, und Anna schien beschämt und betrübt über ihren Ausbruch. Ihre Beziehung aber hatte von da an ihre Leichtigkeit verloren. Das war alles vorbei.

      Obwohl ihr intimes Einvernehmen nun praktisch ausgelöscht war, schleppte die Beziehung sich noch elend dahin, einem unheilbar kranken Krebspatienten gleich, der, von den Ärzten narkotisiert und aufgeschnitten, sein schreckliches Leben noch um ein paar weitere nutzlose Monate in die Länge zieht. Anna, die Desmond als Liebhaber mochte und ihn auch als Person zu schätzen schien, war genügsam und abgehärtet genug, seine wechselnden Launen zu entschuldigen; offenbar bereitete sie sich darauf vor, das öde Finale nach ihren eigenen Wünschen zu gestalten.

      Desmonds Fall war anders gelagert. Ihm war jetzt klar, dass er Anna niemals wirklich besitzen oder auch nur begreifen würde, und er ahnte, dass ihr Tod ihn zutiefst befriedigen musste. Sie am Leben zu wissen und außerhalb seiner Sphäre, einen anderen Mann liebend oder, schlimmer noch, ohne an ihn zu denken, in fremder und angenehmer Gesellschaft, zu der ihm der Zutritt verwehrt war – diese Vorstellung wucherte wie eine Geschwulst in seinem Seelenfrieden; wie eine Entzündung, die niemals heilte, die man nie vergaß und die man herausschneiden musste.

      So rann ihre Affäre noch ein wenig dahin, bis vor genau einer Woche. Als er sich früh am Morgen von Anna verabschiedete, erzählte sie ihm, sie werde London innerhalb von zehn Tagen verlassen und sie sollten sich besser nicht mehr sehen. Sie war sehr freundlich und rücksichtsvoll, und auch er reagierte mit vollendeter Höflichkeit und gut gelaunt. Er küsste ihr die Hand und zitierte lächelnd «Sprach der Rabe: Nimmermehr», sachte schloss er die Tür und bog draußen ohne Hast um die Ecke des Platzes. Erst dort, außer Sichtweite, lehnte er sich erschöpft gegen eine Wand und plante den Mord.

      Ihm blieben noch drei Tage. Er musste sie aufhalten. Er vermochte es nicht, und er wollte es auch nicht, selbst wenn er gekonnt hätte. Er wollte sie töten. Aber er war doch ein Narr; er hatte nicht das Naturell zum Mörder. In ein paar Wochen würde er schon darüber hinwegkommen. Er musste sie wiedersehen! Wenn sie doch nur tot wäre. Er musste ein wenig verrückt sein.

      Zwei Uhr dreißig. Hinter ihm schloss sich die Tür von International Features.

image

      An jenem Nachmittag war eine ganze Menge Arbeit zu erledigen. Captain McCulloch, der vor einiger Zeit einmal einen Beitrag von zweihundert Wörtern über Torffeuer auf den Hebriden im Blatt untergebracht hatte, bombardierte die Redaktion inzwischen mit einer vierzigtausend Wörter zählenden Rückschau auf seine Erlebnisse im Lande der Yogis; er hatte schriftlich mit einem persönlichen Anruf gedroht und musste nun taktvoll, aber endgültig abgewürgt werden. Einer der Freunde von Mr. Poole hatte einen vollkommen unbrauchbaren Artikel eingereicht, den man komplett umschreiben musste, da man ihn nicht ablehnen durfte. Und zu allem Überfluss hatte Mr. Poole selbst schon zum dritten Mal an jenem Tag ein brillanter Geistesblitz ereilt, weshalb er Desmonds sofortigen Einsatz verlangte.

      «Ah, Thane, hier sind Sie ja! Was halten Sie von einer Artikelreihe, die wir … hm … vielleicht ‹Warum ich meinen Mann liebe› nennen könnten – natürlich ist das nur ein Arbeitstitel», fügte er eilig hinzu und lief ein wenig rot an. Mr. Poole schien sich immer ein wenig für die Niveaulosigkeit der Beiträge zu schämen, die seine Firma produzierte, andererseits widersetzte er sich hartnäckig sämtlichen Versuchen, daran etwas zu ändern.

      Desmond bestätigte ihm, dass es sich seines Erachtens um einen sehr hübschen Titel handelte.

      «Ich könnte mir vorstellen, dass die Bekenntnisse von, nun ja, einigen jungen Frauen stammen, die mit unterschiedlichen Typen aus unserer Leserschaft verlobt sind – also sagen wir, einem Arzt, einem Architekten, einem Immobilienmakler …» Er stockte und rieb sich den Schnurrbart; ihm schien sonst niemand einzufallen, der die unzähligen Journale tatsächlich lesen mochte, die seine Redaktion mit Beiträgen versorgte.

      «Warum sollte eine der Damen nicht mit einem Journalisten verlobt sein?»

      «Nein, nein, wir müssen da sauber bleiben.» Mr. Poole kicherte, stolz auf seine klare Haltung.

      «Aber wer soll das alles schreiben?» fragte Desmond, der die Antwort schon ahnte.

      Mr. Poole wischte die Frage mit schuldbewusster Nonchalance vom Tisch.

      «Oh, ich dachte, Sie hätten dafür Zeit, Thane; das ist genau Ihr Stil – ich kenne niemanden, der das besser könnte. Die Korrekturfahnen auf Ihrem Schreibtisch haben keine Eile – Sie können sie leicht übers Wochenende durchsehen. Ich würde die Fahnen ja selbst mit nach Hause nehmen, aber wie es aussieht, habe ich gerade Arbeit für zehn unter den Händen.»

      Diese zehn kamen Desmond bekannt vor. In den Gesprächen seiner Vorgesetzten tauchten sie regelmäßig auf – vermutlich die zehn faulsten und inkompetentesten Vertreter ihrer Zunft. Mr. Poole plapperte weiter:

      «Bei den Artikeln lasse ich Ihnen natürlich freie Hand, aber bringen Sie bitte einiges … ähm … aus dem Leben mit hinein.»

      «Sie meinen, etwas leicht Anrüchiges? In Ordnung, überlassen Sie das mir.»

      «Nein, nein, nichts in dieser Art», unterbrach Mr. Poole hastig, «Sie erinnern sich doch an den Ärger mit dem Beitrag ‹Ist Abtreibung Sünde?›, den wir dem Familienjournal für Johannesburg geschickt hatten, auf Ihren Rat, möchte ich hinzufügen. Es hieß, sie hätten daraufhin fünfhundert Abonnenten verloren.»

      «Okay, aber ich vermute mal, dass sämtliche Mitglieder der Familien, die ihr Abo gekündigt haben, die Hefte jetzt heimlich im Buchhandel kaufen. Sie dürften im Gegenzug Hunderte von Lesern gewonnen haben.»

      Mr. Poole war sich nicht sicher, was er von dieser Bemerkung halten sollte. Dann hellten sich seine Züge auf.

      «Sie sind ein Witzbold, Thane, und ein Zyniker! Sie haben Miss Prestwood erschreckt! Nicht wahr, Miss Prestwood?»

      Die Sekretärin kicherte, Desmond lächelte pflichtschuldig, und Mr. Poole ließ ihn gehen, unter vergnügtem Glucksen, weil alles sich so heiter und demokratisch-informell gelöst hatte.

      Zurück