Seewölfe Paket 8. Roy Palmer

Читать онлайн.
Название Seewölfe Paket 8
Автор произведения Roy Palmer
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954394975



Скачать книгу

dann wäre jetzt wohl Seymours ‚Dreadnought‘ ein Trümmerhaufen.“

      Kapitän Sulla musterte Hasard aufmerksam. „Wie Sie das sagen, klingt es, als hätten Sie sich darüber gefreut.“

      „Hätte ich auch“, sagte Hasard trocken.

      „Sie gehören nicht zu Admiral Drakes Verband?“

      „Nein“, erwiderte Hasard schroff. „Ich verurteile Drakes Vorgehen hier in Cadiz ganz entschieden …“

      Carberrys zernarbtes, häßliches Gesicht tauchte über dem Schanzkleid auf.

      „Entschuldigung, Sir“, unterbrach er Hasard, „aber ich glaube, wir sollten uns beeilen. Der Perückenkapitän ist wieder in Aktion.“

      Zuvor, nach der Ehrenrunde, hatten sie das Enterseil wieder losgeworfen, und die Pinaß war mit schlappem Schlag in Richtung der „Dreadnought“ gepullt worden. Die Riemen hatten sich auf und ab bewegt wie die zerrupften Flügel einer vergreisten Nebelkrähe.

      Offenbar hatte sich Kapitän Seymour wieder erholt, bevor die Pinaß die Kriegsgaleone erreicht hatte, um dort hochgehievt zu werden. Denn das war die Absicht des Bootssteurers gewesen, ganz abgesehen davon, daß ihm das Cummings, der erste Offizier, auch zugerufen hatte.

      So ging das ganze Theater wieder von vorn los.

      Die Pinaß schwappte heran, während die Seewölfe bereits damit beschäftigt waren, die Verwundeten in die beiden Beiboote zu übernehmen.

      „Was geht hier vor?“ schrie Kapitän Seymour schon von weitem. Er kollerte wie ein Truthahn und schwenkte wieder seinen Degen. Daß der ein bißchen verbogen war, hatte er noch gar nicht bemerkt. Zwei Männer pützten mit Ölfässern Wasser aus der Bilge.

      Hasard, der einen Genuesen, dessen Bein verletzt war, behutsam in das eine Beiboot gehoben hatte, wandte sich gelassen um und erwiderte: „Wir bergen Schiffbrüchige, wie Sie sehen. Oder haben Sie Bratpfannen vor den Augen, Seymour?“

      Kapitän Seymour reckte den Hals und ignorierte Hasards Frage.

      „Wo ist das Gold?“ schrie er.

      „Was für Gold?“

      „Das Gold, das dieser genuesische Pfeffersack geladen hat, verdammt noch mal! Es gehört mir – mir!“ Der Kapitän Seymour pochte mit dem Degenknauf an seine Brust. „Sie – Sie haben hier nichts zu suchen, Sie hergelaufener Bastard! Ich habe das Schiff erobert, es ist meine Beute, nicht Ihre! Verschwinden Sie! Ich war zuerst hier, jawohl, das kann Admiral Drake bezeugen. Ich werde mich bei ihm beschweren, ich …“

      „Allmählich langt’s“, sagte Hasard scharf. „Und jetzt hören Sie mir mal zu, Mister Seymour. Erstens: Das Schiff wurde von Ihnen nicht erobert, sondern lediglich von insgesamt sieben englischen Schiffen, darunter drei schweren Kriegsgaleonen, sinnlos und bar jeder ritterlichen Kampfesweise zusammengeschossen Zweitens: Das Schiff hat kein Gold geladen, sondern Koschenille, Kampeschoholz, Häute und Wolle für Italien, wie mir Kapitän Sulla sagte. Drittens: Wenn Sie mich noch einmal zu beleidigen wagen, dann hole ich Sie mir vor die Klinge meines Degens, und dann dürfen Sie Ihre puderstinkende Perücke festhalten, weil Sie meinen, in einen Orkan geraten zu sein. Viertens: Meine Männer und ich werden hier erst verschwinden, wenn wir auch den letzten Genuesen geborgen haben. Und sollten Sie es wagen, uns daran zu hindern – das gilt auch für Ihre Seesoldaten und Bootsgasten –, dann werden meine Männer und ich Ihnen zeigen, wie gekämpft wird. Und diesen Kampf schlagen wir bis zuletzt durch, das heißt, wir werden Ihre ‚Dreadnought‘ dorthin schicken, wo sie hingehört: in die Hölle! Haben Sie mich verstanden, Sie größenwahnsinniger Hampelmann?“

      „Ich will das Gold!“ schrie Kapitän Seymour wie von Sinnen.

      Da handelte der eiserne Carberry.

      Er gab seinem Beiboot – Hasard befand sich in der anderen Jolle – einen Stoß, indem er sich mit dem Bootshaken von der Bordwand des Genuesen abdrückte, das Beiboot schwenkte an der Vorleine herum, schlug längsseits der Pinaß, Carberry sprang hinüber, wischte den Degen lässig mit dem linken Unterarm beiseite – und dann krachte ein langhergeholter Schwinger unter das Kinn Kapitän Seymours.

      Das war ein Schlag!

      Der Kapitän stieg wie eine langgestreckte Rakete in die Luft, beschrieb auch deren Flugbahn, überschritt den Scheitelpunkt, neigte sich wieder und stieß, Kopf voran, wie ein flüchtender Frosch ins Wasser.

      Carberry streichelte andächtig die Knöchel seiner rechten Faust, drehte sich gemütlich zu den Seesoldaten und Bootsgasten um und fragte freundlich: „Noch jemand von euch Rübenschweinen, der ein Bad nehmen will?“

      Keiner wollte.

      Sie glotzten zu der einsam auf dem Wasser schwimmenden Perücke, die wie eine Qualle im Seegang auf und nieder schwappte, während sich die Löckchen auffieselten und lange Strähnen bildeten.

      „Ed“, sagte Hasard etwas besorgt, „ich glaube, du hast ein bißchen zu hart zugelangt.“

      „Klar“, sagte Carberry ungerührt, „was sein muß, muß sein. Oder meinst du, der kann nicht schwimmen?“

      „Kannst du denn schwimmen, wenn du betäubt bist?“

      Carberry riß die Augen auf. „Verdammt, da hast du auch wieder recht.“ Er starrte zu der Perücke, dem einzigen Requisit, das von Kapitän Seymour noch sichtbar war. Dann fluchte er lästerlich, daß es eigentlich zu weit ginge, solche „Rübenschweine“ auch noch vor dem Absaufen bewahren zu müssen – und hechtete ins Wasser.

      Die Seewölfe grinsten.

      Die Bootsgasten und Seesoldaten der Pinaß glotzten immer noch, offensichtlich schwer überfordert, was irgendwelche Entscheidungen betraf. Vielleicht hofften sie auch im stillen, ihr sehr ehrenwerter Kapitän möge doch tunlichst bei den Fischen bleiben, für immer und ewig. Fest stand jedenfalls, daß ihm keiner freiwillig nachgesprungen wäre, um ihn herauszuholen, denn nicht einer hatte auch nur den kleinen Finger gerührt, als der Kapitän ins Wasser flog.

      Als Hasard bereits nervös wurde, tauchte Carberry auf – den Kapitän am Wickel.

      Lebte er noch? Carberry schleppte ihn hinter sich her wie einen Mehlsack.

      Am Dollbord der Pinaß stemmte er den Kapitän rechtshändig hoch und knurrte: „Wahrnehmen!“

      Drei Bootsgasten packten zu.

      Und das war der Moment, da der Kapitän wieder lebendig wurde. Er spuckte einem der drei Bootsgasten einen Strahl Wasser ins Gesicht, brüllte los, als solle er geschlachtet werden, zappelte wie ein Fisch an der Angel, rutschte den Bootsgasten wieder aus den Händen und ging erneut auf Tiefe.

      Carberrys Fluchkanonade hätte eine Nonne in Ohnmacht fallen lassen. Dann baute er eine Ente, die zum Gründeln wegtaucht, und verschwand von der Wasseroberfläche. Die Bootsgäste starrten mit langen Hälsen über Bord. Blasen blubberten hoch, das Wasser geriet in Wallung.

      Als Carberry zum zweiten Male auftauchte, fluchte er bereits wieder. Kapitän Seymour indessen war stumm, aber nicht vor Schreck, sondern weil Carberrys Jagdhiebe – auch unter Wasser – von ganz besonderer Güte waren.

      Wiederum zum zweiten Male knurrte er sein: „Wahrnehmen!“ Und er fügte hinzu: „Jetzt reicht’s mir aber. Beim nächsten Mal könnt ihr euren lausigen Kapitän allein auffischen. Oder ihr laßt ihn absaufen, das wäre mir fast noch lieber.“

      Die Bootsgasten nickten voller Verständnis und zerrten ihren triefenden Kapitän an Bord.

      Zu diesem Zeitpunkt hatte die Perücke des Kapitäns sattsam Wasser gesogen und sackte sanft auf Tiefe. Der Kapitän würde sich in London eine neue anfertigen lassen müssen. Aber vielleicht hatte er auch eine Ersatzperücke.

      Den Bootsgasten war das piepegal, aber genau wegen dieser verdammten Perücke kriegte Kapitän Seymour prompt einen Tobsuchtsanfall, als er Sekunden später in die Wirklichkeit zurückkehrte und feststellte, daß sein Kopf entblößt und die Perücke auch auf dem Wasser