Название | Seewölfe Paket 8 |
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Автор произведения | Roy Palmer |
Жанр | Языкознание |
Серия | Seewölfe - Piraten der Weltmeere |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783954394975 |
Beim letzten Satz des Dolmetschers zuckte der englische Kapitän zusammen, warf einen nervösen Blick auf das genuesische Schiff und verschwand hastig hinter der Dekkung des Besanmastes.
„So ein Feigling“, murmelte Kapitän Sulla voller Verachtung. Gleichzeitig gab ihm diese Erkenntnis die Hoffnung, daß seine Worte gewirkt hatten und den Engländer zum Rückzug veranlaßten. Vielleicht war ihm dieses Eisen zu heiß, um es anzufassen, vielleicht auch befürchtete er diplomatische Verwicklungen. Aber letztlich war das alles gleichgültig, Hauptsache, sein Schiff blieb ungeschoren.
Eine Weile passierte gar nichts, dann sah Kapitän Sulla an der Flaggleine des Besanmastes drei Signalflaggen hochsteigen, deren Bedeutung ihm natürlich fremd war. Gleichzeitig hantierten Kanoniere an einem Heckgeschütz und lösten hintereinander drei Böller.
Sulla spähte über die Reede. Ein paar Minuten später wurde ihm klar, was Böller und Signalflaggen zu bedeuten hatten, denn zwei der Kriegsgaleonen nahmen Kurs auf die „Dreadnought“. Eine dritte Kriegsgaleone dümpelte auf der Süd-Reede, offensichtlich dazu abgestellt, die Aktionen auf der Reede selbst gegen eventuelle Galeerenvorstöße aus der kleinen Reede, also der Bai von Puntales, zu sichern.
Und was war mit dieser merkwürdigen Dreimastgaleone, deren schlanke Formen und niedrige Aufbauten Kapitän Sulla bereits am Vormittag aufgefallen waren? Gehörte sie zu den Engländern oder nicht? Sie hatte die angreifenden spanischen Galeeren vertrieben. Und jetzt pirschte sie um die Reede herum, als habe sie mit alledem nichts zu tun, jedenfalls beteiligte sie sich nicht an der Aktion der Engländer, die einen Ankerlieger nach dem anderen zum Streichen der Flagge zwangen und dann besetzten.
Kapitän Sulla erschien es, als überwache diese schnittige Galeone die Aktionen und Bewegungen der vier Kriegsgaleonen. Aber was sollte das?
Seine Aufmerksamkeit wandte sich wieder den beiden heransegelnden Kriegsgaleonen zu. Eine lief westwärts, schwenkte dann nach Norden und verbaute damit seinem Schiff einen eventuellen Durchbruch seewärts.
Die andere geite die Segel auf und glitt langsam an der „Dreadnought“ vorbei. Von Bord zu Bord brüllten sich deren Kommandanten etwas zu – herrisch der spitzbärtige Mann auf dem Achterdeck der hinzugekommenen Galeone, verstört dieser Kapitän Seymour auf der „Dreadnought“.
Kapitän Sulla blickte durchs Spektiv auf den spitzbärtigen Mann – und dann stieß er einen wilden Fluch aus, denn selbst in Genua waren Bilder dieses Mannes aufgetaucht, der nach Magellan die Welt umsegelt hatte: Francis Drake, von den Spaniern als „El Draque“ gehaßt und gefürchtet.
„Der hat mir noch gefehlt“, murmelte er und biß die Zähne zusammen.
Die Galeone Drakes setzte wieder die Segel, lief ab, schwenkte und glitt von Steuerbord achtern auf Sullas Schiff zu.
Jetzt befand er sich in der Zange.
Der Spitzbart brauchte keinen Dolmetscher. Seine Stimme war so scharf wie eine Degenklinge.
„Streichen Sie die Flagge, oder wir schießen Sie zusammen!“ schrie er.
Für einen winzigen Augenblick fragte sich Kapitän Sulla, ob er angesichts dieser Übermacht aufgeben solle. Aber dann stieg der Trotz in ihm hoch. Das Recht war auf seiner Seite. Und für sein Recht hatte man zu kämpfen, oder man war ein Hundsfott.
Silvio Carlone starrte von der Kuhl aus zu ihm hoch, sein eigentlich hübsches Gesicht war hart und kantig – und auch trotzig. Ihre Augen trafen sich, und Carlone nickte unmerklich.
Kapitän Sulla straffte die Schultern, und jetzt war seine Stimme genauso scharf wie die des spitzbärtigen Mannes. Und er rief nur zwei Worte, die ein Befehl waren.
„Feuer frei!“
Dort, wo der genuesische Kauffahrer vor Anker lag, herrschte das, was man mit Inferno bezeichnete. Man hätte es auch Hölle nennen können.
Drei englische Kriegsgaleonen hatten sich um den Genuesen versammelt und schossen ihn systematisch zusammen.
Hinzugesellt hatten sich vier der kleineren englischen Kriegssegler, die aus ihren leichteren Stücken Feuer und Blei spuckten.
Und der Genuese feuerte nach allen Seiten zurück. Er kämpfte. Er wehrte sich, zerschossen, entmastet und eigentlich nur noch ein Trümmerhaufen. Und immer wieder flammte es bei ihm auf – Zeichen, das noch Leben in ihm war, auch wenn es dem Ende zuneigte.
So mochten die Spartaner gekämpft haben. Oder die letzten Goten, als sie, der Sage nach, am Vesuv ihren Verzweiflungskampf gegen die anstürmenden Krieger des Narses durchfochten und Teja, Nachfolger des gefallenen Totila, tödlich verletzt den Rückzug seiner Männer deckte.
Hier gab es keinen Rückzug. Wohin auch?
Aber am zerschossenen, nach Steuerbord gekippten Besanmast wehte immer noch die Flagge Genuas, zerfetzt, durchlöchert, angesengt.
Von Westen flammte die untergehende Sonne rotes Licht über die Reede.
Seit zwei Stunden wehrte sich der genuesische Kauffahrer gegen die Engländer wie ein umstellter, verwundeter Keiler gegen die Meute der zuschnappenden Jagdhunde.
Nördlich dieser Szenerie eines Todeskampfes stand die „Isabella“ des Philip Hasard Killigrew.
Noch nie hatten die Seewölfe so etwas erlebt. Und sie hatten gedacht, die barbarische Furchtbarkeit des Krieges zur See bis in die letzten Winkel kennengelernt zu haben. Aber das hier war etwas anderes. Hier spürten sie plötzlich die Anklage, die der kämpfende Genuese England entgegenschleuderte. Diese Anklage war nicht nur seine stumme Erbitterung, als einzelner gegen eine Übermacht kämpfen zu müssen. Nein, es war die Anklage, daß hier Unrecht geschah, daß ein Friedfertiger mit brutaler Gewalt zusammengeknüppelt wurde. Ja, hier ging Gewalt vor Recht.
Hier wurde Recht vergewaltigt.
Da war keiner an Bord der „Isabella“, der nicht Scham empfunden hätte. Viel war an diesem Tage geschehen, sehr viel, aber was sich hier abspielte, war eine Eskalation alles dessen, was sie von Stunde zu Stunde mehr empört hatte.
Engländer, Männer ihrer eigenen Heimat, mißachteten die ungeschriebenen Gesetze der Menschlichkeit und wußten nicht mehr zwischen Freund und Feind, zwischen Sinn und Unsinn, zwischen berechtigter kriegerischer Aktion und wilder Zerstörungswut, zwischen Hilflosen und soldatischen Käpfern zu unterscheiden.
Mit einem Wort: Diese Engländer waren zu Wegelagerern geworden.
Kapitän Sulla hatte sie „Halsabschneider“ genannt. Aber das wußten die Seewölfe nicht.
Sonst herrschte das Lachen – nachmal auch ein wildes Lachen – an Bord der „Isabella“ des Philip Hasard Killigrew. In den Stunden dieses Tages aber hatten sie es verlernt. Sie hätten weinen können. Ihre Gesichter hatten sich verändert – so verändert, daß sich Philip Hasard Killigrew fast betroffen fragte, ob er diese Männer wirklich kannte.
Aber ihre Mienen spiegelten ihre Erschütterung.
Und wie mochte er selbst aussehen? Seit zwei Stunden stand er nahezu unbeweglich, wie erstarrt, am Backbordschanzkleid des Achterdecks und blickte hinüber zu diesem ungleichen Kampf eines einzelnen gegen die Übermacht.
Und als er das dachte und versuchte, sein Gesicht zu entspannen, merkte er, wie verkrampft es war.
Nur lag die Ursache noch tiefer.
Er, Philip Hasard Killigrew, hatte dieses Massaker ausgelöst. Wie eherne Glockenschläge hallten die eigenen Worte durch seinen Kopf.
„Sir, wir haben noch zwei, drei Stunden bis zum Sonnenuntergang und sollten uns sofort die Schiffe auf der Reede vornehmen, bevor wir weitere Unternehmungen planen.“
Ja, das waren seine Worte gewesen – und der Admiral hatte sie in die furchtbare Tat umgesetzt, in eine Tat, die so nicht gemeint gewesen war.
Denn der Admiral war über alle hergefallen – nicht