Seewölfe Paket 8. Roy Palmer

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Название Seewölfe Paket 8
Автор произведения Roy Palmer
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954394975



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eben umgerissen.

      Er riß also den Kapitän mit Erfolg um. Dieses Mal verlor der Kapitän den Degen und richtete mit ihm auch keinen Schaden an. Aber er stieß sich den Kopf an der ersten Ruderducht und war deswegen geistig ein bißchen gelähmt, was seiner Pinaßbesatzung die Qual ersparte, aus sinnlosen Befehlen etwas Vernünftiges zu drechseln.

      Und Edwin Carberry brüllte immer noch unentwegt sein: „Hool weg! Hool weg!“

      Das nun ging dem Bootssteurer allmählich gegen die Ehre, und da er ein Mann war, der ein „Fair play“ durchaus zu schätzen wußte, packte ihn der seemännische Berufsehrgeiz.

      „Klar bei Riemen!“ pfiff er seine Bootsgasten an.

      Die Riemen polterten in die Rundseln.

      „Ruder an! Hooool weg! Hoool weg!“ Und er hämmerte die zerbrochene Ruderpinne auf die Heckducht, um jedem Riemenschlag den richtigen Takt zu geben.

      So geschah es, daß die Rudergasten zweier englischer Beiboote in einem Kraftduell gegeneinander anruderten – die einen in die eine, die anderen in die entgegengesetzte Richtung.

      Das hatte die Marine Ihrer Majestät der Königin noch nicht erlebt. Und die Kulisse auf der Reede vor Cadiz war wohl auch nicht die richtige Arena für derlei Kurzweil. Aber das kümmerte die Männer auf den beiden Beibooten nicht.

      Von der Kriegsgaleone brüllten sie: „Dread-nought! Dread-nought! Dreadnought!“

      Und die Seewölfe auf der „Isabella“ schmetterten ihr: „Arwenack! Arwenack! Arwe-nack!“

      Einmal gewann die Pinaß an Raum, dann wieder das Beiboot der „Isabella“, der Kampf Riemen gegen Riemen, Muskelkraft gegen Muskelkraft wogte hin und her, aber vielleicht waren Hasards Männer härter und zäher. Vielleicht auch trieb sie ihre explosive Wut, ihr angestauter Grimm über die Geschehnisse des Tages, über den ungleichen Kampf der englischen Schiffe gegen ein einzelnes genuesisches Schiff zu einer unerhörten Steigerung ihres Krafteinsatzes.

      Ihr Riemenschlag wurde schneller und dabei noch kraftvoller, und er war exakter in der Riemenführung. Da wurde nicht gekrebst, da wurden keine Riemen verkantet. Die Blätter hieben ins Wasser wie scharfe Äxte, kein Spritzer wurde dabei aufgewirbelt, aber wenn die Blätter nach dem Zuschlag aus dem Wasser gerissen wurden, dann stoben an dieser Stelle acht Gischtfahnen davon, als habe dort eine Orkanbö zugeschlagen.

      Noch einmal stemmten sich die Pinaß-Rudergasten gegen die drohende Niederlage, aber sie kämpften gegen Giganten. Es war, als seien sie in einen ungeheuerlichen, riesigen Sog geraten, der sie unaufhaltsam ansaugte.

      Das Ende erfolgte jäh.

      Der Riemen des Backbord-Bugmanns schnitt unter, weil er ihn verkantet hatte. Der Kerl kriegte den Riemen nicht mehr aus dem Wasser, dann krachte der Riemen seines Vordermanns gegen den schräggestellten Riemen, Holz splitterte – und schon entstand auf der Backbordseite der Pinaß das, was der Seemann schlicht mit „Wuhling“ zu bezeichnen pflegt, nämlich ein totales Durcheinander sich gegenseitig behindernder Riemen.

      Und da die Kerle auf der Backbordseite herumzappelten, verbissen oder fluchend an ihren Riemen rucksten oder sie dem Vordermann ins Kreuz stießen, geriet auch die Steuerbordseite durcheinander.

      Damit war das Duell entschieden. Die Seewölfe waren unbestritten und eindeutig Sieger.

      Sie zogen die Pinaß wie einen zerfledderten Scheuerlappen hinter sich her und pullten eine Ehrenrunde um die „Dreadnought“.

      Die Männer auf der „Isabella“ konnten wieder lachen, und sie lachten sich halbtot über „die müden Säcke“ – wie es Ferris Tucker trefflich formulierte.

      Kapitän Sulla, mehrfach verwundet wie alle seine Männer, faßte sich an den Kopf und gelangte zu der Überzeugung, zwischen Verrückte geraten zu sein. Er und seine Männer hatten alles mitangesehen, staunend, perplex, fassungslos.

      Diese Engländer mußten von einem anderen Stern stammen oder so ähnlich. Und der eine oder andere bekreuzigte sich verstohlen, denn es konnte ja durchaus sein, daß man es in diesem Hexenkessel mit den Abgesandten des gehörnten Gottseibeiuns zu tun hatte. Das war alles nicht mehr zu begreifen.

      Aber eins stand fest: Diese schlanke Dreimastgaleone hatte sich tollkühn und dreist vor die englische Kriegsgaleone geschoben und damit verhindert, daß das blutige Gemetzel fortgesetzt wurde. Sechs ihrer Kameraden hatten in diesem ungleichen Kampf mit dem Leben bezahlt. Und die Lebenden hatten mit ihrem Dasein abgeschlossen. Sie würden mit ihrem sterbenden Schiff untergehen, denn da war kaum einer, der das Schwimmen gelernt hatte. Warum sollte man auch? Wer schwimmen konnte, verlängerte die Qualen des Todes – und die See hatte noch jeden geholt, der schiffbrüchig oder über Bord gegangen war.

      Hatten sie eine Galgenfrist? Wohl kaum, ihre beiden Beiboote waren nur noch Trümmer.

      Im Schiffsbauch ihres Siebenhundert-Tonners gurgelte und schmatzte das Wasser, das durch die Lecks eindrang. Langsam, fast widerwillig, sackte das Schiff tiefer. Es stöhnte, als leide es furchtbare Qualen. Die Verbände ächzten und knarrten. Das waren Geräusche, die daran gemahnten, sich selbst auf das Ende vorzubereiten.

      Kapitän Sulla stieg langsam vom Achterdeck zur Kuhl hinunter. Er war barhäuptig, und der Abendwind spielte mit seinen grauen Haaren. Das Blut aus einer Stirnwunde war geronnen und hatte bizarre Bahnen auf seinem Gesicht gezeichnet.

      Er trat zu seinen Männern und blickte jeden einzelnen stumm an. Schmerz stand in seinen Augen, zwei tiefe, müde Falten kerbten die beiden Mundwinkel.

      „Ich danke euch“, sagte er leise. „Ihr wart die besten Männer, die ein Kapitän haben konnte. Unsere Reise ist zu Ende.“ Er blickte zu den sechs Toten, die nebeneinander lagen, von einer Segelplane zugedeckt. „Laßt uns beten!“ Und er faltete die Hände.

      Etwas stieß gegen die Bordwand. Unwillig wandte Kapitän Sulla den Kopf.

      Ein riesiger schwarzhaariger Mann mit eisblauen Augen schwang sich über das zersplitterte Schanzkleid, und Kapitän Sulla erkannte jenen Mann, der die schlanke Dreimastgaleone führte.

      Dieser Mann verbeugte sich leicht und sagte: „Ich heiße Philip Hasard Killigrew, Kapitän der ‚Isabella‘.“ Er sprach ein tadelloses Spanisch, ohne jeden fremden Akzent. „Ich möchte Ihnen und Ihren tapferen Männern helfen, Kapitän, wie es Brauch unter christlichen Seeleuten ist. Mein eigenes Beiboot liegt bereits längsseits, um Sie und Ihre Männer zu übernehmen. Mein zweites Beiboot wurde ausgesetzt und wird gerade hierhergepullt.“

      Kapitän Sullas Augen waren schmal geworden. „Sie sind Engländer?“

      Hasard nickte stumm.

      Scharf sagte Kapitän Sulla: „Dann haben wir uns als Ihre Gefangenen zu betrachten?“

      Hasard lächelte. „Nein, als meine Gäste. Ihnen ist Unrecht geschehen. Ich möchte einen Teil davon abtragen. Ich verpflichte mich, Sie dorthin zu bringen, wohin Sie es wünschen. Ich werde Ihnen ferner den Verlust Ihres Schiffes samt Ladung ersetzen. Mein Feldscher, ein ausgezeichneter Mann, wird sich um Ihre Verwundeten kümmern.“

      Das alles sagte dieser riesige Mann. Er sagte es ruhig, bestimmt, überzeugend. Und er sagte es mit Würde.

      Kapitän Sulla kannte Menschen. Er verstand es, in ihren Gesichtern zu lesen, ihre Mienen und ihren Ausdruck zu deuten. Er gestand sich, einem solchen Mann noch nie begegnet zu sein. Eins war gewiß: Dieser Mann war ohne Fehl und Tadel. Er konnte ihm vertrauen.

      Impulsiv streckte er Hasard die Rechte entgegen.

      „Danke, Kapitän Killigrew“, sagte er, „ich nehme Ihr Angebot an.“

      Hasard ergriff die Rechte und drückte sie fest. Es war ein Handschlag zwischen zwei Ehrenmännern.

      „Ich heißte Sulla, Mauritio Sulla“, sagte der genuesische Kapitän.

      Hasard lächelte wieder. „Ein berühmter Name, wenn ich an den römischen Reiterführer und Feldherrn Lucius Cornelius Sulla denke.“

      Kapitän