Nie wieder Apfelkorn. Rich Schwab

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Название Nie wieder Apfelkorn
Автор произведения Rich Schwab
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783862871872



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Er winselte und versuchte, mit ruckartigen Bewegungen seine Schnauze zu befreien. Ich drehte seinen Kopf, seinen Unterkiefer als Hebel benutzend, bis er nicht mehr auf mir hing. Ich wälzte mich auf die Knie, wo ich noch mehr Kraft entwickeln konnte. Es knackte. Sein Geheul musste ganz Junkersdorf aufwecken. Ich sprang auf, riss meine Hand aus seinem Maul und trat ihm gegen den Kiefer. Er überschlug sich und kroch winselnd und mit eingekniffener Rute in den dunklen Garten. Wenn er so gut dressiert war, wie es bei seinem lautlosen Angriff den Anschein gehabt hatte, würde er in ein paar Minuten wieder böse werden, aber er würde, was meine Person anging, etwas vorsichtiger sein. Schwer atmend drehte ich mich um.

      »Dein freier Abend, wie?«, knurrte ich Twiggy an, der im Türrahmen stand, Hände in den Jackentaschen, Kaugummi kauend. Oder Haschisch?

      »Nickt gänz, Tarzan«, brummte er vergnügt. Jetzt erst bemerkte ich, dass zu seinen Füßen ein Mensch hockte, sich den Magen hielt und würgte.

      »Wen hammer denn da?«, fragte ich.

      »Modesty Blaise?«, sagte Twiggy, packte die Gestalt am Kragen und hob sie hoch, sodass ich ihr ins Gesicht sehen konnte. Er hielt sie mühelos an seinem ausgestreckten Arm, wobei ihre Füße vierzig Zentimeter über dem Erdboden schwebten. Es war Zaks Asiatin, Haare bis zum Arsch. Gut ging’s ihr nicht.

      »Suzie Wong! Jetzt haust du auch schon kleine Mädchen?«

      »Wenn dunkel, erst beruhigen, dann fragen«, sagte er. »Alte Regel bei de cops.«

      »Na dann fragen wir sie doch mal ’n bisschen was«, meinte ich. Er drehte sich um, mit dem Mädel an der ausgestreckten Faust, und ging durch den Wintergarten ins Haus. Wir betraten ein riesiges Wohnzimmer. Ich fand einen Lichtschalter. Ein paar Sessel, zwei Sofas, ein Glastisch, der so groß war, dass ich bedauerte, keine Schlittschuhe dabei zu haben. Die meisten Möbel waren mit weißen Laken zugedeckt. Urlaubsstimmung.

      Twiggy setzte Suzie Wong in einen der Sessel und drückte sie kurz hinterm Ohr. Sie verdrehte die Augen und wurde ohnmächtig.

      »Erst de Haus«, meinte er. Auch nicht dumm. Also nahmen wir uns erst »de Haus« vor. Vom Keller bis zum Speicher. Fast überall das gleiche Bild – mit Laken verdeckte Möbel. Kein Mensch. In einem der Schlafzimmer im ersten Stock waren zwei getrennt stehende Betten benutzt worden. An deren Fußende stand eine Campingliege, an deren Gestell ein Paar Handschellen befestigt waren. In meinem Kopf ertönte das Stahlnetz-Thema. Aber es wollte dann doch nicht so recht zu der Fototapete am Kopfende der Betten passen – ich hatte das Foto schon mal in irgendeiner Zeitschrift gesehen, aber nicht im Format drei mal fünf Meter: ein afrikanischer Sandstrand, Palmen, Fischerboote. In den Booten standen hochgewachsene, nass glänzende schwarze Männer, die sich auf lange Stäbe stützten. Die meisten von ihnen hatten Pimmel, die ihnen fast bis zum Knie reichten. Black Hammer. Wir waren wohl im Mädchenzimmer gelandet.

      Wir trabten wieder runter ins Wohnzimmer. Es war leer.

      »Verdammt zäh, diese Asiatinnen, wie?«

      »Yeah«, knirschte Twiggy. Ich sah ihn an und ritt nicht weiter darauf herum. Nicht alles in Vietnam hatte ihm gefallen.

      »Warte hier. Und denk an den Hund«, schlug ich ihm vor. »Ich guck mir noch mal das Büro an.« Er nickte bloß. Das hat man nun davon, wenn man einem nicht allzu wehtun will! konnte ich ihn förmlich denken hören.

      In dem Arbeitszimmer im zweiten Stock, schräge Wände, eine Dachhälfte verglast, riss ich die Laken vom Schreibtisch und einem Wandschrank. Leer. Nichts. Nada. Nix Urlaub – weg! Ich warf noch mal einen Blick ins Bad und den einen oder anderen Schrank. Absolutely nothing. Nichts, was irgendeinen Rückschluss auf die Hausbesitzer oder Mieter zuließe. Mieter?! Ich rannte die Treppe runter zum Vordereingang. Daneben hing, in die Wand eingelassen, der Briefkasten. Werkzeug!

      »Twig?« Er kam in den Flur und begriff sofort. Er trat einmal kurz mitten auf das Briefkastentürchen. Es bog sich ein schönes Stück nach innen, und die Ränder klafften auf. Er bog den unteren nach oben. Man kann sich doch immer darauf verlassen, dass die Post irgendwas verschlampt. Ich holte zwei Briefumschläge aus dem Kasten. »An alle Haushalte«. Absender der Quelle-Versand. Scheiße! Aber der hier: An Hrn. Dieter O. Meyer, Nachtigallenweg 4, 5000 Köln-Junkersdorf. Abs.: Der Polizeipräsident, Köln. Die Mahnung für ein beschissenes Zwanzig-Marks-Knöllchen wegen Falschparkens am Wallraf-Richartz-Museum! Bingo!

      »Besser als nix«, grinste Twiggy. »Time for a drink, hey?«

      In beiden Punkten konnte ich ihm nicht widersprechen. Wir verpissten uns.

       6

       Kalt und warm

      »Jetz’ tu’ mir bloß dat Tier vom Hals!«, schimpfte Ela, als wir in ihren Laden in der Bismarckstraße kamen. »Dat jibt doch nur widder Ärjer!«

      »Nä, nä, Ela«, beschwichtigte ich sie, »mir sin’ dienstlich unterwegs. Mach uns mal zwei Jedecke!«

      »Datt ich nit laache – dienstlich! Dä Haschischfresser un’ der Appelkorn-Junkie! Dabei war dat so ’ne jemütliche Abend bis jetz’ …« Aber dabei zapfte sie schon und stellte unsere Getränke vor uns hin. Zwei Bier, ein doppelter Jack Daniels, ein doppelter Apfelkorn. Dann kam sie um die Theke rum und kniff mich in mein Pittermännchen (so heißt in Köln ein Zehn-Liter-Fässchen Kölsch. Manche – wie ich – tragen so’n Ding ständig mit sich rum. Unterm Hemd.). »Weißte eijentlich, wie lang du dich nit has’ sehen lassen, du treulose Tomat’?« Ich nahm sie in den Arm und streichelte ihren Rücken. Sie war mindestens zehn Jahre älter als ich, hatte aber die Figur einer Achtzehnjährigen. Ihr Alter sah man ihr nur an, wenn man auf die feinen Falten um ihre Augen und ihren Mund achtete. Es gab keinen Grund, darauf zu achten – sie war wunderschön.

      »Du weiß’ doch, dass ich auf Tour war. Ich …«

      »Jaja, dat weiß ich. Ein’ Ansichtskart’ von der Raststätte Dammer Berge, ein’ von der Raststätte Würzburg. Un’ auf beiden steht hinten drauf bloß: Büb. Müsst ihr et immer eilig haben!«

      »Jaja, die Menschen sin’ schlecht, Ela, weißte doch. Un’ …«

      »Un’ die, die nit schlecht sin’, sin’ doof«, ergänzte sie meine Lieblingsweisheit unisono. »Lass dir mal wat Neues einfallen, Büb! Sons guck’ ich mich emal en bisschen unter dä andere Jungens um.«

      »Guck’ dich doch um«, sagte ich. Positiv verstärken, Dr. Klütsch! »Wer hätte denn ’ne Chance gegen mich?« Das brachte mir einen Tritt gegen das Schienbein ein. Scheißtyp!

      »Na ja – heut’ Abend seh’ ich da auch eher schwarz. Aber sei dir nit so sicher!«

      »Wat is’ schon sicher? Sicher is’, datt mir im Moment richtijen Ärjer am Hals haben. Un’ damit mein’ ich nit dat Roswitha.« Die war gerade zur Tür reingekommen und hatte Twiggy natürlich prompt entdeckt. Der konnte sich auch schlecht hinter irgendjemandem verstecken. Also Vorwärtsverteidigung.

      »Darlin’!«, ging er mit weit ausgebreiteten Armen auf sie los, begrub sie an seinem mächtigen Brustkorb, küsste ihr ganzes Gesicht und flüsterte ihr eine Weile ins Ohr. Nach zwei Minuten hatte er gewonnen. Roswitha strahlte:

      »Is’ dat wahr, Büb – ihr sucht mich schon seit zwei Stund’?«

      »Dä fing ald an, sickig ze weede, weil mir dich nit jefunge han«, versicherte ich ihr. »Du muss och nit immer esu unjeduldig sin, Rösjen!«* Fragen sie Frau Irene!

      »Wat denn für ’ne Ärjer?«, fragte Ela, nachdem Roswitha sich wieder ihrem Verlobten zugewandt hatte. Ich erzählte ihr die ganze Story, während uns ihr Barmännchen weiter mit Stoff versorge.

      »Das Blöde