Nie wieder Apfelkorn. Rich Schwab

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Название Nie wieder Apfelkorn
Автор произведения Rich Schwab
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783862871872



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drei seiner Taxikollegen und spielten Schieberramsch. Dabei erzählten sie, wo sie Nijinsky und Fuss schon überall vermutet, aber noch nicht aufgestöbert hatten, und was den beiden blühen würde, wenn. Einer der Jungs, der Ex-Legionär Algerien-Fred, zeigte mir »ming Lalla«. Ich kenne mich mit Waffen nicht so aus, aber das Ding sah ganz so aus, als könne man mit einer Magazinladung den Gürzenich in Schutt und Asche legen. Wie die drei redeten, klang es ganz so, als wüsste schon die ganze Stadt, dass Kölns Taxifahrer auf dem Kriegspfad seien. Wenn die beiden Schläger nicht ganz so blöd waren, wie sie aussahen, saßen sie jetzt irgendwo in Düsseldorf und mucksten sich nicht.

      Ich wünschte Waidmanns Heil und zog los, um Kathrinchen zu treffen, die auf der Hohe Straße in einer dieser poppigen neuen Filialen einer großen Kette von Plattenläden als Geschäftsführerin arbeitete.

      ***

      Auf dem Weg dorthin stieg ich am Friesenplatz aus, um kurz nach Twiggy zu sehen. Er wohnte am Kaiser-Wilhelm-Ring, sechs Stockwerke über Dr. Müllers Sex-Shop, in einem Raum, der wohl früher mal der Trockenspeicher gewesen war. Das Ding war ungefähr so groß wie das Foyer vom Agrippa-Bad und, von den schrägen Dachwänden abgesehen, ähnlich gemütlich. Twig hatte, um Bad, Kochnische und Schlafecke ein wenig abzuteilen, ein paar mannshohe, rot-weiße »Wände« aus leeren Beck’s-Bier-Büchsen gestapelt. Neben der Kochnische stand eine runde, gläserne Duschkabine, die bis obenhin mit vollen Büchsen zugebaut war. Aus der Dusche lief Tag und Nacht kaltes Wasser darüber. Ich holte mir zwei raus und ging dem Gesang nach – bzw. dem, was Twiggy dafür hielt. Ray Charles war wahrscheinlich erblindet, als und weil er diese Version von Take These Chains From My Heart mal gehört hatte.

      Der Interpret lag in der Badewanne und badete Jackie O., die ihren drei Meter langen, armdicken, gold-braun-schwarz gefleckten Leib genüsslich um seine Beine gleiten ließ. Ihr Gesicht schien wohlig zu grinsen – aber so sah sie auch aus, wenn sie die lebendigen Karnickel verschlang, die ihr Herrchen ihr in dem Grüngürtel aus Parks und Schrebergärten, der sich um Köln herumzog, mit einer Art Luftpistole mit kleinen Betäubungspfeilen jagte. Die Tigerpython fraß auch die Reste der Calamares, die Twiggy bei Stephanidis pfundweise zu verdrücken pflegte. Und sie liebte Beck’s Bier. Nach zwei Büchsen davon rollte sie sich auf dem Bett zusammen und schlief vier bis fünf Tage lang ihren Rausch aus. Und wehe, es war kein Karnickel da, wenn sie wieder wach wurde – dann war Twiggy der einzige, der sie davon abhalten konnte, ein paar Rippen zu knacken.

      »Hi, Jackie«, begrüßte ich sie höflich und reichte Twig eine der Büchsen. Sie gab keine Antwort. Sie mochte mich nicht besonders, seit ich eines Nachts mal besoffen in ihr Terrarium gekotzt hatte. Das Steak, das ich ihr am nächsten Tag als Versöhnungsgabe mitgebracht hatte, blieb zwei Wochen unbeachtet liegen, bis sie sich herabließ, den stinkenden Brocken zu verschlingen.

      »Any news, Boob?« Ich erzählte ihm, was ich bisher wusste. Was schnell passiert war – es war ja nicht viel.

      »So what’s next?«

      »Jetzt geh ich erst mal Kathrinchen interviewen, und danach werd ich wohl mal das D.O.M.E.-Büro beehren. Vielleicht gibt es da ja irgendwen, der mich was schlauer machen kann.«

      »Want me to come?«

      »Nö, ich denke doch, dass mir in dem Büro nix passieren wird. Oder?« Ein Schulterzucken. »Zur Not schmeiß ich ’n paar Schreibtische aus’m Fenster. Morgen und übermorgen bin ich übrigens mit Penner’s Radio on the road.«

      »Da’s good – ick wollt’ an Wockenend’ kleine trip nach Belfast mäcken. Have a litte fun.« Ach du Scheiße! »A little fun in Belfast« hieß bei Twiggy, mit einer geliehenen Cessna selbst hinfliegen, mit seinen Kumpels von der I.R.A. tagsüber in den finstersten Untergrundkaschemmen ein paar Flaschen Whiskey leer machen, diese abends mit Benzin füllen, mit einem Lappen verschließen und nachts als Molotow-Cocktails auf die »Fuckin’ British Army« schmeißen. Jackie O. kriegte dann freitags ihr Bier und pennte bis mindestens Dienstag.

      »Ich hoffe, du lebst noch, wenn ich Montag wiederkomme. Und ich hoffe, die Britta auch.«

      Noch ein Schulterzucken und ein beruhigendes Kopfschütteln.

      »They wanna snuff her, they done it right away at the Schreber joint. Shouldn’t worry ’bout that. Yet.«* Wie tröstlich. Ich trank mein Bier aus, platzierte die Büchse vorsichtig auf einer der Blechwände und ließ die beiden weiterplanschen.

       8

       Kathrinchen

      Fly Like An Eagle!, säuselte mir Steve Miller mit neunzig Phon entgegen, als ich auf der Hohe Straße in den ersten Stock kletterte. Ein paar Schüler in grünen Parkas wühlten in den Plattenregalen und versuchten, mit ihren langen Haaren und ihren Kaugummis cool genug auszusehen, um Kathrinchen zu beeindrucken. Woher sollten sie auch wissen, dass man die mit gar nichts mehr beeindrucken konnte?

      Sie thronte hinter der Kasse neben dem Ausgang und war allerdings für jedes männliche Wesen jeden Alters den Versuch wert. Sie trug goldlackierte Stiefel mit hohen Pfennigabsätzen, in denen eine hautenge Samthose steckte, die dasselbe Kupferrot hatte wie ihre streichholzkurz geschnittenen Haare. Von ihren Ohrläppchen herab baumelte ein Pfund goldener Kugeln, mit denen eine Familie in Ostheim ihren ganzen Weihnachtsbaum hätte schmücken können. Und einen Pullover. Ein flauschiges knallrosa Etwa, das ihren schönen, weißen Rücken fast ganz frei ließ, und dessen V-Ausschnitt ihre mächtigen Alabasterbrüste gerade so weit bedeckte, dass man die Lucky-Luke-Tätowierung zwei Fingerbreit über ihrer linken Brustwarze noch sehen konnte. Technicolor. Sie mochte ihren Busen nicht sonderlich, genoss aber seine Wirkung auf Männer, die sie sehr wohl zu nutzen wusste. Und sie liebte es, hart angefasst, bis an die Schmerzgrenze geknetet und gebissen zu werden (»Geht nix über ’nen anständigen Tittenfick, Büb. Und schwanger wirste davon auch nich’ …«). Der Anblick und die damit verbundenen Erinnerungen und Fantasien ließen meine Nacht mit Ela wochenlang her erscheinen. Wenn sie so’n Dekolletee tragen kann, also keine blauen und roten Flecken verstecken muss, hat sie vielleicht gerade keinen Lover …?

      »Mittagspause! Zeit für’n Bier!«, schrie ich gegen Steve Miller an. Ein paar Köpfe ruckten erschrocken zu mir rum. Kathrinchen lächelte ihr süffisant-arrogantes Lächeln, was sie konnte, ohne eine Miene zu verziehen – es wirkte einfach von innen heraus so. Sie drückte auf den Knopf, der ihren Lehrling aus dem Lager nach vorne summte, nahm einen Fuffi aus der Kasse und zog sich eine kurze schwarze Lederjacke über. Dann rief sie den Kassenstand ab und warf mir ein goldenes Handtäschchen von der Größe zweier Zigarettenschachteln zu.

      »Trägst du meine Tasche, Ivanhoe?«

      »Bis nach Batavia, Herzchen. Du hast ja eh genug zu schleppen.«

      »Arschloch!«, zischte sie und rammte mir im Vorbeigehen ihr Knie zwischen die Beine. Ich machte eine entsprechend artige Verbeugung und musste mir Mühe geben, nicht auf die Knie zu fallen. Mit zusammengebissenen Zähnen folgte ich den Sternchen, die um ihren wiegenden Hintern kreisten. Wie kriegt sie bloß immer diese Hosen an, ohne sie zu zerreißen?

      ***

      Kathrinchens Erscheinen im Früh am Dom zauberte fast so etwas wie ein Leuchten auf das Gesicht des notorisch miesepetrigen Köbes in unserer Stammecke. Mit fröhlichem Schwung knallte er zwei Kölsch auf unsere Deckel, sagte tatsächlich: »Tach zesamme!« und leerte sogar den Aschenbecher. Und ihr Mettbrötchen brauchte sie bloß ein einziges Mal zu bestellen.

      »Es dat Jary Cooper?«,* fragte er scheinheilig mit einem Nicken auf Lucky Luke.

      »Du Jeck, wat soll ich dann met enem Schwule op d’r Memm?«,* fragte Kathrinchen zurück, was ihn so begeisterte, dass er gleich noch drei Gläser brachte. Ohne zu fragen schrieb er sie auf meinen Deckel, hob prostend seins und schüttete es sich