Nie wieder Apfelkorn. Rich Schwab

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Название Nie wieder Apfelkorn
Автор произведения Rich Schwab
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783862871872



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mal wieder auftaucht? Oder datt die zwei Köpp wieder aus ihrem Loch gekrochen kommen?«

      »Was willste denn machen? Clint Eastwood spielen?«, fragte sie mich mit einem ironisch-mitleidigen Unterton. Lucky Luke grinste dazu an seiner Kippe vorbei. In meinen Lenden summte es.

      »Ich geh einfach erst mal davon aus, dass der Meyer seinen Schnäuzer da drin hat – schon allein, weil ich den nich’ leiden kann. Ich geh nachher mal in sein Büro un’ sag ihm dat.«

      »Och, Büb! Willste neben dem Zak landen? Da kommste ohne deinen Ami-Bullen doch gar nich’ heil wieder raus! Weißte wat? Ich bin morgen Abend auf ’ner Fete beim Schmecker – da is’ die ganze Meyer-Mischpoke garantiert auch. Da nehm’ ich mir mal den Assmann zur Brust un’ horch den mal ’n bisschen aus. Der is’ eh schon länger scharf auf mich. Un’ du gehs’ in deinen Schrebergarten, zapfst Bier un’ hältst dich erst mal wat zurück.«

      »Assmann? Die Ratte? Da musst du ja anschließend drei Stunden in Kernseife und Essigessenz baden!« Allein bei der Vorstellung, wie dieses schleimige Ekelpaket zwischen Kathrinchens Titten herumsabberte, schüttelte es mich. Köbes! Assmann war Meyers Spannmann, Mädchen für alles, Bote, Prügelknabe, Chauffeur, Aufreißer, Wichtigtuer – man konnte nie so genau sagen, wer von beiden Jekyll und wer Hyde war. Assmanns Hobby war der CB-Funk. Die halbe Nacht, oft genug auch die ganze, kreuzte er in einem aufgemotzten alten Opel Kapitän durch die Stadt und mischte sich in anderer Leute Funkgespräche ein. Er hörte Polizeifunk und Taxifunk und Fernfahrerfunk und Telefone ab, und es gab jede Menge Figuren, die ihm so manchen Gefallen nicht abschlagen konnten, weil sie Schiss hatten, er könnte aus dem Nähkästchen plaudern. Außerdem hielt er sich für die Rock’n’Roll-Koryphäe und laberte mir, wenn wir uns über den Weg liefen, was viel zu oft der Fall war, ständig die Ohren voll, was Penner’s und ich alles für Fehler machten, und wie weit wir es bringen würden, wenn er unser Management in die Hand nähme. Er hatte auch nur noch eine, die rechte. Die linke war aus Leder – ein gekrümmtes, schwarzbraunes Teil, mit dem er gerne unter Röcke fasste, weil ihm das Kreischen so gefiel. Es hielt sich hartnäckig das Gerücht, ein jugoslawischer Dealer hätte ihm die Hand abgehackt, weil ein Köfferchen mit fünf Kilo Haschisch unauffindbar verschwunden war. Er dementierte dieses Gerücht nie, aber als ich ihn kennen lernte, war er vielleicht dreizehn, vierzehn gewesen und hatte dieses Ding schon getragen. In dem Alter gib man den Jugos alles, was sie von einem haben wollen. Und Assmann war selbst heute, ein Dutzend Jahre später, weit davon entfernt, den Helden zu spielen. Aber in einem hatte Kathrinchen recht – er würde mit Sicherheit wissen, ob der Meyer die Finger in meinem Fall hatte. Mein Fall – mein Gott, Marlowe!

      »So, ich muss wieder«, kippte sie ihr letztes Glas runter und winkte dem Köbes mit ihrem Fuffi. »Wo bist du denn morgen Abend, Büb?«

      »In Braunschweig. Und Sonntag in Billerbeck. Krach machen.«

      »Wow!«, tat sie begeistert. »Wieder eine dieser großen Tourneen, wa’? Die Stones und wir!« Das war mir keine Antwort wert, zur Strafe bedankte ich mich aber auch nicht dafür, dass sie (mal wieder) einen ausgegeben hatte. Immer im Kampf für Gerechtigkeit. Büb Bronson.

      Ich brachte sie noch rüber in ihren Laden. Das verbesserte meine Laune wieder, denn ich erntete jede Menge neidischer Männerblicke. So’n Teilchen hatte lange nicht jeder am Arm. Oben im Lagerraum bekam ich dann noch einen sehr langen Jägermeisterkuss. Dann trug ich meine Erektion in Richtung Schrebergarten. Auch blöd – vierzehn Bier im Bauch und nicht mal pissen können!

      ***

      Oder sollte ich doch mal in Meyers Büro? Natürlich würde mir da kein Schwein erzählen, was ich wissen wollte, aber vielleicht würde mein Instinkt …? Das Büro war in einer Jugendstilvilla am Sachsenring, einem der letzten Stückchen der Kölner Ringe, das noch halbwegs so aussah, wie es sich der Stadtbaumeister Josef Stübben 1880 ausgedacht hatte. Dessen Ringe waren einmal ein Nachtboulevard nach Pariser Vorbild und die größte Grünfläche der Kölner Neustadt gewesen. Aber Spekulantenklüngel im Verein mit dem Bombenteppich des Zweiten Weltkrieges hatten dafür gesorgt, dass von dem löblichen Vorbild nur noch der eine oder andere gebrauchte Pariser übrig blieb. Moderne Zeiten. Die hatten allerdings auch die Frittenbude zwei Ecken weiter mitgebracht, in der ich erst mal meinen Hunger stillen, pinkeln und das Bier neutralisieren wollte.

      Mein Instinkt! – An einem der Stehtische stand Bernd Assmann und tunkte eine Frikadelle abwechseln in Currysauce, Senf und Mayo.

      »Der Kanaldeckel’s Büb!«, schrie er, wie immer drei Nummern zu laut, und hieb mir sein Lederpfötchen ins Kreuz, als sei er wunders wie begeistert, mich zu sehen. Kanaldeckel nennen sie mich, weil ich an meinem Schlagzeug die dicksten Becken hängen habe, die man überhaupt auftreiben kann – zwei bestehen aus Autofelgen. Die feinen, dünnen, schön klingenden türkischen halten bei mir nie sehr lange, und ich muss schon ständig genug Kohle ausgeben für die Knüppel und die Felle, die auf der Strecke bleiben. Rock’n’Roll. Ich kniff ihn freundschaftlich in die Backe, dass die Frikadelle in seine Pampe fiel und ihm das Wasser in die Augen trat.

      »Ah, du Wichser! A’s klar?«, begrüßte ich ihn. Manche Leute steh’n drauf, wenn ein Künstler wie ich so mit ihnen redet. Das ergänzt sich aber ganz gut – mir macht es nichts aus, so mit denen zu reden. Im Gegenteil. Aber angesichts dieser Fresse war mit Bier neutralisieren auch nix mehr. Ich holte mir ’ne Flasche und bestellte mir ’ne Bratwurst mit Fritten und Tomatensalat. Tomaten sind gut für’n Kreislauf. Dann ging ich wieder an seinen Tisch und hörte mir an, mit was für wichtigen Leuten er heute schon telefonisch verhandelt hatte, wen er alles für das absolute Bombenkonzert in die Stadt geholt hatte und noch holen würde, welche Frauen er diese Woche schon gevögelt hatte, welche nächste Woche dran kämen und was der neue Kurzwellenapparat kostete, mit dem er mit CB-Funkern in Australien dirty jokes austauschen konnte. Mein Essen war fertig. Ich holte es mir ab, zusammen mit einem weiteren Fläschchen. Ich bot Assmann, der derweil natürlich nicht aufgehört hatte zu labern, eine Fritte an und fragte ihn mitten im Satz:

      »Haste ’ne Ahnung, wo die Blaue Britta steckt?« So wie seine blassblauen, leicht vorstehenden Augen mit einem Mal stumpf wurden und sein Gesicht den Ausdruck von jemandem bekam, der beim Kartenspielen mogelt, hätte ich schwören können, er hatte. Er ignorierte die Fritte.

      »Wat, Büb – auf die biste immer noch scharf?« Ganz schnell hatte sich sein Gesicht wieder zu seinem gewohnten lüsternen Grinsen verwandelt. Das hatte er auch besser drauf als ’n Pokerface. »Da würd’ ich doch nich’ mal mehr drauf pissen! He, ich hab’ letztens im Santa Cruz eine kennen gelernt, das wär’ was für dich. Die –« Mir war schwer danach, ihm meine Pulle in die Schnauze zu hauen. Aber sie war noch halb voll. Er hatte es auch so mitgekriegt. »Nä, wo die Britta rumhängt, weiß ich auch nich’. Ich hab gehört, sie hätte Ärger mit irgendwelchen Jungs …«

      »Irgendwelche Jungs?«, unterbrach ich ihn wieder.

      »Ja, Genaueres weiß ich auch nich’. Aber wenn es dich so interessiert, kann ich ja mal ’n bisschen rumhören. Du weißt doch: Der Assmann erfährt alles hier. Aber jetzt muss ich erst mal wieder los, ins Büro. Der Meyer is’ nich’ da und ich muss den Laden alleine schmeißen.« Er kramte einen Zehner aus seiner Hemdtasche und warf ihn mit großer Geste auf den Tisch, »Ich ruf dich an, Büb.«

      »Assmann …!«, rief ich sanft, als er die Tür erreicht hatte. Er drehte sich um. Für eine kurze Sekunde sprühten seine Augen Gift und Galle. »Ich bin sehr interessiert.«

      »Alles klar, Büb«, er hob nach Rennfahrerart seinen rechten Daumen. »Du hörst von mir.«

      Ich beendete mein Mittagessen. Es schmeckte nicht besonders.

       9

       Heile, heile, Gänschen

      Im