Название | Nie wieder Apfelkorn |
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Автор произведения | Rich Schwab |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783862871872 |
»Du spells he jaa nit met, kleine Mann«*, bellte Elvis mit einer Stimme, wie man sie normalerweise nur kriegt, wenn man mindestens vierzig Jahre lang Karnevalslieder grölt – aber vielleicht klappt so was ja auch mit Brikettfressen. »Rühm ding Thek op un stühr uns nit bei d’r Arbeit. Dat nächste Dinge krisste en die Fress, es dat kla’?«*
Währenddessen hatte Rindfleisch, den die ganze Szene überhaupt nicht zu interessieren schien, Britta ihre Jacke in die Hand gedrückt, sie am Arm gepackt und war schon fast an der Tür mit ihr.
»Kumm, Fuss«*, sagte er, woraufhin auch Elvis sich der Tür zuwandte. Er übernahm Britta und Jacke und ging mit ihnen hinaus.
»Am beste drinkste dir noch e Bier un verjiss, datt mir övverhaup he wore. Sönz kumm isch widder und tredde dir dä Kopp weg«*, meinte Rindfleisch freundlich zu mir. Er tat einen halben Schritt von der Tür weg, und mit der Leichtigkeit einer Ballerina an der Trainingsstange, nur wesentlich schneller, kickte er die Lampe weg, die etwa in Höhe seines Minipli anderthalb Meter vor ihm über der Theke hing.
Ich machte die Bewegung, mit der Eiskunstlauf-Juroren ihre Bewertungs-Schilder ziehen, blickte nach rechts und links zu meinen virtuellen Mitjuroren und verkündete mit Stadionsprecherstimme:
»Vierkommavier …, dreikommaneun …, zweikommaacht … Das wird diesmal für die Meisterschaft kaum reichen, meine Damen und Herren. Wir geben zurück ins Studio.«
Das Rindfleisch betrachtete mich mit dem leicht verwunderten Blick eines jungen Hundes, der die Stimme seines Herrchens am Telefon hört. Vielleicht überlegte er auch, ob er seine Drohung wahr machen sollte, statt der Lampe mir den Kopf weg zu treten. Aber das war für sein Hirn anscheinend doch etwas zuviel auf einmal – er kratzte sich nur kurz an den Eiern, rückte sein beim Kicken wohl verrutschtes Zipfelchen zurecht, drehte sich um und ging hinaus. Die Tür ließ er ganz dabei.
2
Nachtschalter
Ich kippte noch einen Apfelkorn, bis ich die Autotür klappen hörte, dann spurtete ich los, um einen Blick durch die Ritze in dem kaputten Holzrollladen zu werfen. Rindfleisch stieg gerade auf der Fahrerseite in einen kanariengelben Ford Capri mit schwarzem Kunststoffdach. Britta saß zusammengekauert auf dem Rücksitz, und Elvis auf dem Beifahrersitz. Sie schienen es nicht eilig zu haben.
Ich spurtete zurück zum Telefon. Normalerweise traf man sich nach eins erst mal in der türkischen Pizzeria, hundertfünfzig Meter die Straße hoch.
»Den Zak, schnell!« Aber ich hatte ihn schon selbst am Apparat. Er steht meistens an dem Tisch neben dem Telefon und wartet auf ’ne Fuhre. Ich hatte eine für ihn. »Da kommt jeden Moment ein gelber Primaner-Mustang mit schwarzem Dach an dir vorbei. K-UK 425. Häng dich dran und sag mir, wo sie die Blaue Britta abladen. Pass auf, das sind Schläger. Ich warte im Nachtschalter auf dich.«
Ohne einen Ton hängte er ein. Ich konnte mich darauf verlassen, dass mein alter Schulfreund mit dem unaussprechlichen polnischen Namen Zakrzsewski jetzt in sein Taxi jumpen und dem Capri auf den Fersen bleiben würde bis zum Affenfelsen von Gibraltar. Ich würde rausfinden, was das ganze Theater hier sollte.
Ich bin einer, der gerne seine Ruhe hat, und mische mich deswegen auch nie in anderer Leute Angelegenheiten. Aber ich lasse mich nicht von jedem in meinem eigenen Laden mit Hockern beschmeißen. Und ich muss es mir auch nicht bieten lassen, dass man mir die einzige Frau im Laden vor der Nase wegzerrt. Zumindest war ich es mir und Wolli schuldig, Elvis die Kohle für die fünfundvierzig Graninis abzuknöpfen, die er mir zerdeppert hatte.
***
Nachdem ich die Sauerei beseitigt und den Laden zugemacht hatte, ging ich zu Fuß die drei Ecken bis zum Nachtschalter. Was mir unterwegs nicht aus dem Kopf ging, war das Verhalten der Blauen Britta während der ganzen Geschichte. Sie war ganz schön blass geworden, als Pat und Patachon reingekommen waren, hatte aber eigentlich kein bisschen überrascht gewirkt. Es war eher die Reaktion von jemandem, der schon länger mit Unheil rechnet und sich dann auch nicht mehr wundert, wenn es eintritt. Sie schien sofort gewusst zu haben, dass die beiden ihretwegen da waren. Und beim Rausgehen hatte sie auf mich gewirkt wie die Mörder in den Edgar-Wallace-Filmen, wenn sie nach dem brillanten Resümee von Blacky Fuchsberger zwischen zwei Bobbies abgeführt werden: Man weiß, dass alles gelaufen ist, die Frage ist nur noch: Strick oder Dartmoor? Und im Hintergrund darf Blacky schon Karin Dor küssen. Oder war es Baal?
Egal – ich hatte gerade keine Karin zum Küssen, sondern zerbrach mir den halb vollen Schädel darüber, was denn die Blaue Britta verbrochen haben mochte. Hatte sie was verbrochen? Was wusste ich überhaupt über sie, außer dass sie gut singen, saufen und blasen konnte?
Sie war dreiundzwanzig, irgendwo im Sauerland aufgewachsen und mit siebzehn nach Köln gekommen, weil sie als Sängerin schon alle Bands in ihrer Gegend durch hatte und einfach zu gut für sie alle war. Ein Naturtalent. Ein Talent, das auch noch ehrgeizig und fleißig war – in Köln fing sie an, Gesangs-, Klavier- und Tanzstunden zu nehmen; sie wollte hoch hinaus. In der Bandhierarchie der Stadt diente sie sich dann auch ziemlich schnell hoch – innerhalb von fünf Jahren hatte sie ihre eigene Band, für die sie auch ihr eigenes Material schrieb. Sie hatte jede Menge Studiojobs, Auftritte, Angebote von Plattenfirmen und einen Heiratsantrag von Werner Faus. Im letzten Jahr hatte sie dann bei einer Winz-Firma unterschrieben und eine wunderschöne LP herausgebracht, Blue B. And The Purple Veil. Eine Woche nach der erfolgreichen Präsentation im Weißhaus meldete der Besitzer der Firma Konkurs an und verschwand irgendwo auf den Seychellen. Es stellte sich heraus, dass er seine Kohle hauptsächlich mit dem Verschieben von geklauten Mercedessen gemacht, aber noch nicht eine der Rechnungen für die Produktionskosten der Platte bezahlt hatte.
Ein halbes Jahr hatten wir uns dann nicht gesehen. Britta tourte wie eine Geisteskranke Deutschland rauf und runter, um die Schulden abzuzahlen, und Penner’s Radio war auch ziemlich viel unterwegs – wir spielten ja sowieso überall, wo ’ne Steckdose war.
Doch – einmal trafen wir uns auf der Raststätte am Hockenheimring. Blue B. waren auf dem Weg von Osnabrück nach Würzburg und wir von Freiburg nach Bremen oder so ähnlich. Als wir vom Tanken kamen und uns in die Cafeteria schoben, kam sie gerade vom Kaffeetrinken raus.
»Du siehst müde aus«, sagte ich und hauchte ihr einen Kuss auf die weiche Stelle zwischen Kragen und Ohrläppchen.
»Guck dich mal an«, erwiderte sie mit einem schiefen Grinsen und einem sanften (sehnsüchtigen?) Leuchten ganz hinten in ihren blauen Augen und küsste die Ringe unter meinen. »Wie lange noch?«
»Noch acht Paar Stöcke. Und ihr?«
»Wenn du mich jetzt schwängern würdest, müsste ich die letzten beiden Gigs wohl absagen.«
»Wenn wir jetzt damit anfingen, würden wahrscheinlich heute Abend schon zwei ausfallen«, erwiderte ich bedauernd. »Schade, schade.«
»Ja«, sagte sie, »schön, dich gesehen zu haben.«
***
Verdrießlich starrte ich auf die Flasche Apfelkorn, die mir Werner vom Nachtschalter automatisch vor die Nase gestellt hatte. Wenn ich mich jetzt mit der anfreundete, war ich womöglich später zu blau, um Prinz Eisenherz zu spielen – wahrscheinlich würde ich nicht mal auf ein Pferd kommen. Also bestellte ich mir’n paar Wasser und warf ein Zweimarkstück in den Flipper. Die beiden Studenten davor wollten erst protestieren, aber ich drückte ihnen den Apfelkorn in die Hand, setzte sie auf die Fensterbank und empfahl ihnen, erst mal ein Trinkpäuschen einzulegen.
Es