Nie wieder Apfelkorn. Rich Schwab

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Название Nie wieder Apfelkorn
Автор произведения Rich Schwab
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783862871872



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du so weitermachs’, is mir dat och ejal«, warnte ich sie und versuchte, für meine Zigarette weniger als ein halbes Päckchen Tabak zu verbraten.

      »Wie geht’s Vera?«, fragte sie mit einem gleichzeitig boshaften und lüsternen Funkeln in ihren großen, fast violetten Augen.

      »Das müsstest du doch eigentlich besser wissen als ich. Oder trefft ihr euch nicht mehr?«

      »Nicht mehr so oft. Leider. Die ist doch jetzt schon seit Wochen mit Iris zugange. Aber die is’ ja auch nich’ schlecht. Frisst nur zuviel Cappies un’ vergisst dann immer, was für lange Fingernägel sie hat. Aber vielleicht sollten wir zwei mal wieder mit Vera …«, sie fuhr sich kurz mit der Zungenspitze über ihre pulloverrosa geschminkten Lippen, »… einen trinken gehen.« Ich trank schnell noch einen Schluck Bier und versuchte, das Kribbeln am Ende meiner Wirbelsäule zu ignorieren. Das letzte Mal, als wir zusammen »einen trinken« waren, hatte ich morgens um sieben ’nen Kreislaufkollaps gekriegt. Es war aber nicht ganz klar, ob wegen der Mischung aus Sekt, Schnaps, Thai-Gras und Koks oder wegen dem, was die beiden die ganze Nacht mit mir – und miteinander – angestellt hatten. Würde mich die Gute Fee mal vor die Wahl stellen zwischen einem Gig im Madison Square Garden und solch einer Nacht, wüsste ich nicht, ob ich ruhmsüchtig genug wäre, mich für New York zu entscheiden.

      »Apropos Schweinkram«, lenkte ich ab. »Wat macht der Stoff?«

      »Alles im Griff, du kenns’ mich doch«, strahlte sie mich an. Allerdings fiel ihr dabei ein, dass sie nach dem halben Mettbrötchen – ihr Mittagessen und wahrscheinlich überhaupt das erste, was sie heute an fester Nahrung zu sich genommen hatte – und den zwei Bierchen gut einen Jägermeister vertragen könnte. Unsere dritte Runde kam schneller als die erste der drei Japaner am Nebentisch, die schon eine ganze Weile da saßen.

      Ja, ich kannte sie. Ich hatte schon mit vielen Fixern zu tun gehabt (wieso sich eigentlich dauernd Fixerinnen in mich verknallten, würde mir auch ewig ein Rätsel bleiben), aber Kathrinchen war wirklich ein Phänomen gegen all die doch ziemlich kaputten Leidensgenossen. Sie machte seit Jahren straighte Jobs, und das so gut und souverän, dass sie kontinuierlich die Karriereleiter hochkletterte – immerhin hatte sie es mit ihren vierundzwanzig Jahren zur Filialleiterin gebracht, mit einem Nettogehalt, für das ich mindestens sieben Wochen die Republik rauf und runter trommeln müsste. Ohne Renten- und Krankenversicherung und was es da noch alles so gab. Alle zwei, drei oder auch mal vier Tage setzte sie sich nach der Arbeit einen Schuss (»Damit ich nich’ so mitkriege, was das Leben hier für’n Quatsch is’«) und war gut drauf. An ihr hatte ich auch noch nie so was wie Entzugserscheinungen erlebt, selbst wenn sie mal über ’ne Woche nix in den Venen hatte. Ich hatte sie auch noch nie einen Schuss setzen sehen; das passierte alles völlig unauffällig, während die meisten anderen eher eine Art Kulthandlung daraus machten. Von denen abgesehen, die so fertig waren, dass ihnen eh alles egal war. Aber Kathrinchen schien immer mit Heroin vom Feinsten versorgt zu sein, obwohl sie nie in irgendeiner der Fixerszenen rumhing oder engeren Kontakt zu den einschlägigen Dealern pflegte, wenngleich sie sie alle zu kennen schien und umgekehrt. Und wenn man sie so sah, wäre niemand je auf die Idee gekommen, dass sie irgendwas mit Drogen zu tun hätte – doch nicht diese auffällig, aber geschmackvoll und teuer gekleidete erfolgreiche junge Geschäftsfrau! Ich hatte es auch erst nach Wochen gemerkt, als sie einmal mit auffallend kleinen Pupillen und einem etwas trüben, abwesenden Blick aus dem Badezimmer kam. Aber es hatte nie auch nur im Geringsten unsere Beziehung beeinflusst.

      »Wenn du weißt, womit du dich da abgibst, und weißt, was du dir zutrauen kannst, ist das nicht riskanter als dein Bier«, hatte sie mir verklickert. »Du musst eben nur dich selbst gut kennen und das Zeug, das du nimmst – alles kein Problem für mich.«

      Und hier saß sie mir als Beweis gegenüber – das blühende Leben. Eine gesund aussehende Haut, strahlende Augen, hellwach und sehr abgeklärt. Und ich sah schon vor mir, wie sie nach einer Stunde Mittagspause, sprich zwölf Bier und sechs Jägermeistern, aufrecht und fit in ihren Laden zurück stöckeln würde, während ich neben ihr versuchte, mir den Pudding in meinen Knien nicht anmerken zu lassen. Sie würde souverän wie immer den Rest ihrer Schicht abreißen und nach Ladenschluss, einen großen Cognac neben sich, noch den Kassenabschluss, die Warenbestandsaufnahme und die Bestellungen erledigen. Dann würde sie eine Bombe mit zigtausend Mark in den Nachttresor der Deutschen Bank schmeißen, ein Taxi nach Hause nehmen und sich für einen lustigen oder auch wilden Abend in der City parat machen. Und am nächsten Morgen nach knapp vier Stunden Schlaf wieder so fit sein wie ich nach einer Woche Sprudelwasser.

      ***

      »Aber jetzt sag ma’, wieso du hier bist, Büb – biste pleite oder brauchste mal wieder ’ne Abwechslung in deinem langweiligen Sexualleben?« Wie fang ich’s am klügsten an? Is’ aber eigentlich egal, die wird dich sowieso gleich durchschauen. Also, klug wie immer: Klartext.

      »Pleite bin ich doch immer, dat weißte doch, un’ über die Abwechslung könn’ wir gleich gerne ma’ reden. Aber worum es mir jetzt erst mal geht, ist: Du hast doch ’ne ganze Zeit für den Bilderbuch-Schnäuzer gearbeitet? Und kennst den auch so ganz gut, wenn ich die eine oder andere Porschefahrt richtig deute?« Alles in einer einzigen kurzen Bewegung: Nicken für ja, hab ich, gleichgültiges Schulterzucken für richtig gedeutet, na und? und eine Augenbraue hochziehen für erzähl weiter, aber langweil mich nicht!

      »Warum sollte der die Blaue Britta kidnappen wollen?« Sie starrte mich ein paar Sekunden völlig verblüfft an, dann kriegte sie einen Lachanfall. Ich nickte dem Köbes zu – zwei Kölsch, eine Kräuterbrühe. Als die Runde vor uns stand, hatte sie sich wieder beruhigt.

      »Der Meyer? Kidnapping? Haste ’n Rad ab? Der ist zwar der cleverste Schleimer von Agent, der hier rumläuft, un’ is’ in seinem Business dat Schweinchen Schlau – aber ansonsten is’ der doch doof wie ’n Stuhl! Der un’ so ’ne Nummer? Wie kommste denn da drauf?«

      Ich erzählte ihr die ganze Story. Kathrinchen hörte mir aufmerksam zu und unterbrach mich nicht ein Mal. Dabei vergaßen wir aber nicht, den Köbes zu beschäftigen. Was dem gar nicht zu missfallen schien. So wie er mein Gegenüber jedes Mal beäugte, mochte ich wetten, dass seine Frau heute Abend Grund haben würde, sich zu wundern. Hennes! Dat is’ ja schon dat dritte Mal dies’ Woch’! Aber er würde sie gar nicht hören. In seinem Kopf lief ein anderer Film. Der weibliche Star seines Films kaute nachdenklich an seiner eigenen rosa Unterlippe.

      »Dass die zwei Asis gelegentlich ’n bisschen Drecksarbeit für den Meyer machen, is’ nix Neues. Aber die Britta abschleppen? Wofür? Die bringt doch nich’ mal ’n Hunni Lösegeld. Un’ den würdest du dir dann wahrscheinlich noch bei mir pumpen kommen – wer sollte sonst für die zahlen? Der Meyer is’ zwar ’n Sklaventreiber, aber Mädchenhandel …? Nö. Un’ mit dem Strich hat der auch nix am Hut. Der hat zwar seine Finger in allen möglichen Drecksdeals, aber dafür is’ der zu weich. Un’ wenn der was für die Kiste haben will, braucht der in seinem Büro doch bloß mit den Fingern zu schnipsen. Un’ seine Helma hat er au’ noch. Die is’ au’ nich zu verachten. Aber der steht ja sowieso mehr aufs Zugucken. Da zahlt der ja sogar für.«

      »Was für Drecksdeals?«, hakte ich ein. Scharfsinnig, Marlowe!

      »Dat Übliche. Wat brauchste – ’nen Mercedes? ’n Porsche? ’nen neuen Führerschein? Reisepass? ’n Tütchen Koks? ’ne Nachtkonzession für deine Kneipe? Zehn Tribünenkarten für dat ausverkaufte Spiel vom KEC? ’ne Knarre? ’n Schlägertrüppchen? Un’ wat glaubste, wo ich immer mein Stöffchen her kriege? Alles im Angebot. Meinste, mit seinen Konzerten alleine wär’ der so stinkreich un’ in der Stadt so wichtig geworden? Der geht doch mit dem OB zum Frühschoppen un’ mit dem Intendant vom WDR in die Sauna. Der Nijinsky arbeitet auch für andere – ich glaub, hier biste falsch.«

      »Un’ die Hütte in Junkersdorf?«, gab ich zu bedenken.

      »Haste ’ne Ahnung, wie viel Häuser un’ Wohnungen der Meyer in Köln un’ drumherum hat? Dat heißt noch gar nix. Der hat doch soviel schmutziges Geld im Sack, dass er froh is’ über jede Gelegenheit,