Название | Red House |
---|---|
Автор произведения | Andreas Bahlmann |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783862870752 |
»Ich verstehe dich schon … «, hörte ich sie sagen und ich dachte nur noch: »… nein, du verstehst leider gar nichts …«, aber sagen konnte ich es ihr nicht.
Ich hätte laut und hemmungslos losweinen können, so weh tat das alles. Meine hilf- und haltlos trudelnde Seele ließ mich einfach straucheln und unsere Liebe sollte unaufhaltsam und quälend langsam einem Abgrund, unseren eigenen Abgrund entgegentaumeln. Verzweifelt konnte ich mich nicht dagegen wehren – ich war ja da oben, herausgelöst an der Decke und gleichzeitig saß ich mit ihr da unten …
Außerdem weinte ein Junge ja nicht, auch wenn ich schon ein junger Mann war, aber Tränen zu zeigen war immer noch »tabu – erzogen« und »eingebläut«.
Klar, ich hätte meine USA-Reisepläne stoppen und der … – nein! – … DIESER Liebe wegen opfern können, aber es ging einfach nicht, mein Entschluss stand fest, ich konnte einfach nicht mehr umdrehen.
Der Ruf der »Straße« und die Neugier, die Angst und die Suche nach so vielen Antworten brannten einfach einfach zu groß in mir. Die ganze Erziehung der Sechziger prallte brutal auf und in diese Liebe und für diese Liebe war da irgendwie kein Platz. Jimi spielte tief in meiner Seele, in meinem Herzen immer wieder sein so schmerzhaft-schönes, so unendlich sehnsuchtsvolles Gitarren-Intro zu »Red House«.
Mein liebeskrankes Herz hämmerte verzweifelt in mir, aber es ging einfach nicht anders, ich musste die Sache mit den USA einfach durchziehen.
Noch nicht einmal sechs Wochen später hatte ich schwer daran zu schlucken, meine große Liebe, meinen bis dahin wohl besten Freund gleich mit eingeschlossen und mein Auto, einen weißen Peugeot 504 mit Lenkrad-Schaltung verloren zu haben.
Die von mir Jahre später geschriebenen Lieder »Burning Rain«, »Sit down« oder auch »Get rid« und »Sunrise«, die auf dem »Happy Fiesta« -Album unserer Band »Wrong Haircut« erschienen sind, bildeten einen sehr wertvollen, musikalischen Kanal, das alles zu verarbeiten, um weiter nach vorne schauen zu können, auf der Suche nach der nächsten Biegung …
Das Gesicht und das Innere des Cafés »de drie Gezusters« in Groningen hat sich in den ganzen Jahrzehnten nie verändert. Was für Schicksale und Erlebnisse dieses Haus schon in seinen Wänden aufgenommen hat, lachende, traurige, fröhliche, feiernde, verzweifelte, glückliche, einsame Menschen. Kaffee- und Biertrinker, Schachspieler und Zeitungsleser. Oft saßen und sitzen hier mehrere Generationen an einem Tisch, etwas, was man in Holland häufiger erlebt, bei uns in Deutschland hingegen nicht so oft oder so selbstverständlich, da wird eher getrennt gelebt, vielleicht achtet man aber auch im Ausland mehr darauf – vor allen Dingen, wenn man alleine ist und die Dinge um sich herum aus einer gewissen Einsamkeit in der Fremde wahrnimmt.
Mit »Red House« wurde eine, mich mein ganzes Leben begleitende Einsamkeit, eine unbestimmte, suchende, drängende, ferne Sehnsucht zum Klingen gebracht. Diese Sehnsucht war und ist nicht immer, schon gar nicht nur traurig, sie konnte oder kann auch sehr schön und spannend, ja beinahe zärtlich sein und Geborgenheit geben, die die Angst vor Veränderungen oder neuen Dingen nahm oder nehmen kann.
Eine meiner frühesten Kindheitserinnerungen ist, dass ich alleine mit einem großen Ball in den Händen, mit Mütze und Wollpullover bekleidet, im Garten stand. Ich schaute über den großen Rhododendron-Busch im Garten auf unser Haus und hörte hinter und über mir das fantastisch-silbrige Rauschen der riesigen Pappelbäume. Ich fühlte mich sehr alleine und werde nie diesen ganz besonderen Klang des Alleinseins vergessen. Damals kann ich höchstens eineinhalb Jahre alt gewesen sein und ich weiß nicht, wieso sich diese Situation so in meinem Gedächtnis eingegraben hat, aber ich habe es mir nicht eingebildet, da ich zu dem Zeitpunkt noch keine Brüder hatte. Ich höre das Alleinsein und diese Einsamkeit heute noch in mir, sie haben einen ganz bestimmten Klang. Wenn ich ihn in mir höre oder wahrnehme, genieße ich, dass ich alleine oder auch einsam bin.
»Red House« schickte die Sehnsucht auf die Reise, die mich immer weiter probieren und suchen lässt. Musik ist bestimmt durch eine ständige Suche unbestimmbarer Sehnsucht, die gleichzeitig eine unbändige Sicherheit gibt und Schutz bietet. Du weißt eigentlich nie, wonach du suchen sollst, aber es gibt dann auch diese Momente des totalen Glücks, die wirklich alles andere überdecken und manches sogar in die Bedeutungslosigkeit drängen.
Diese Momente sind ebenso kostbar wie rar und fast immer nur von kurzer Dauer. Eine neue Komposition, eine Melodie, ein guter Gig (Auftritt), eine gute Probe, das erfolgreiche »Knacken« eines instrumentalen oder musikalischen Problems, das Stück oder den Song beim fünfhundertsechsundzwanzigsten Mal endlich einmal so gespielt, wie er eigentlich immer gespielt werden wollte, ein endlicher Durchbruch bei der eigenen Soundsuche …
Diese Momente sind ebenso wenig erklärbar wie austauschbar, aber unverzichtbar und absolut lebensnotwendig.
Ein Freund zerbricht dein Vertrauen, deine Liebe zerbricht, dein Auto geht kaputt, du hast Geldsorgen, du hast Streit mit deinen Liebsten …, all das gerät zur Nebensache oder verschwindet, wenn du spielst, wenn ich spiele, spielen kann, spielen darf.
Ich will eigentlich immer nur spielen, spielen, spielen, unterwegs sein, Musik machen. Es ist ein anstrengendes, oft zynisches, finanziell äußerst naives Leben, aber diese Kraft der Musik macht glücklich, gibt so unendlich viel Lebensmut und es ist einfach der Blues, der mir diese Kraft und schwermütige Klarheit zu geben vermag.
Viele Auftritte und dabei die falsche Musik, – die für mich persönlich falsche Musik –, zu spielen, machen todunglücklich und zynisch gegenüber dem Leben.
Ich habe so viele Arten oder Stile von Musik gemacht und gespielt, Kinderlieder, Volkslieder, klassische Musik (am Klavier), Singspiele, Tanzmucke, »Lagerfeuermucke« auf der Gitarre, Folk, Popmusik, Rockmusik, Rock'n'Roll, Shantybilly, Afropop, Dixie, Swingblues, Texasblues, Rockabilly, Bluesrock, Swing-Jazz, Liedermachermusik in hoch- und plattdeutsch, sogar für 'ne ägyptische Bauchtänzerin habe ich gespielt und … bezeichnenderweise landete ich jetzt wieder, nach langer, mir ewig scheinender, unbestimmter Suche oder vielleicht auch aus einer sehnsüchtigen Neugier heraus beim Blues der dreißiger bis sechziger Jahre, … also der Zeit vor »Red House«.
Diese Art, Blues zu spielen, verlangt neben instrumentalen Fähigkeiten vor allem, dass man das Gefühl, das Bild, die Seele der staubigen Straße oder des trägen Flussdeltas, die Tränen der verlassenen Liebe, die sehnsüchtige Begierde der Liebe nicht einfach nur spielt, sondern wirklich ist. Diese Musik verlangt einem wirklich alles ab, um sie wirklich zu spielen. Es gibt für mich nichts so unvergleichlich Intensives.
Die »Beatles« sind wirklich genial und großartig gewesen, aber für mich ist es Pop-Musik und Popmusik schafft durch das Anwenden und Gebrauchen vielfältiger und äußerst raffinierter Produktionsmöglichkeiten auditive und akustische Illusionen, sie geht einfach nicht so tief.
Die Beatles legten 1967 mit »Sgt. Pepper« einen bahnbrechenden, fundamentalen Meilenstein, wenn nicht sogar DEN Meilenstein der Popgeschichte hin. Ein, trotz der damals noch sehr eingeschränkten technischen Möglichkeiten grandios und trickreich produziertes Meisterwerk der Popgeschichte, was neue Maßstäbe setzte.
Seitdem wird Popmusik vielfach sehr aufwendig produziert und schafft musikalische Illusionen, die einen punktuell in bestimmte Drei-Minuten Geschichten mitnehmen.
Blues dagegen lebt dagegen fast ausschließlich von den Geschichten, vom »feeling«, schlicht und authentisch transportiert durch die Instrumente und den musikalischen Vortrag. Die Blues-Riffs, die musikalischen Phrasen, wirken oft wie mitten aus einem stetig fließenden Fluss entnommen – ohne richtigen Anfang und ohne richtiges Ende. Man ist sofort und ohne Umschweife