Red House. Andreas Bahlmann

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Название Red House
Автор произведения Andreas Bahlmann
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783862870752



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und authentisch.

      Wie im Leben: das Herz ist immer mit dabei und schlägt seinen ganz eigenen Beat. Ich probierte nahezu jede Musikrichtung aus und ich liebe Musik und ihre Melodien. Wichtig oder entscheidend ist für mich immer das Gefühl, was sie auslöst, wie authentisch sie ist und auf mich einwirkt. Das spürst du sofort und augenblicklich finde ich ein Stück gut oder einfach scheiße.

      Gute Musik ist immer ein intensives Erlebnis. Ein Stück ganz »nett« zu finden ist auch vernichtend.

      Ich kann mir eigentlich keine Musik »guthören«, also so oft oder so lange hören, bis ich sie gut finde.

      Oft muss ich Musik in meiner Umgebung ertragen, was an die seelisch-traumatische Grenzbelastung und Zumutbarkeit geht. Das ist aber der Preis der zivilen, demokratischen Toleranz …manchmal Hasse ich zugegebenermaßen auch dieses Toleranz-Verständnis und hätte durch Intoleranz einfach meine Ruhe, aber wohl auch einen Bluthochdruck-bedingten Herzinfarkt in der inneren Warteschleife …

      Wenn ich Musik mache, ist dieser Zustand sehr verletzbar und ich bin sehr verletzlich.

      Ein kleiner, bedeutungslos erscheinender, nicht einmal wirklich wahrgenommener Fehler kann die ganze Gemütslage nachhaltig umhauen.

      Eine gutgemeinte Kritik schnürt einem manchmal die Seele zu.

      Beim Blues, aber nur dann, wenn der Blues mich lässt, schlüpfe ich in eine gewisse Immunität hinein, eigentlich schlüpft er ja mehr in mich und gibt mir eine gewisse Immunität. Zu viele Menschen hören einfach zu wenig Blues und so hat man als »Blueser« auch eine gewisse Narrenfreiheit als musikalischer Sonderling, was einfach ein grandioser Status sein kann. Der Blues erlaubt und verzeiht musikalisch beinahe alles, er muss nur authentisch und gut gespielt werden.

      Spielt man beispielsweise Songs von Elvis, dann wird man auch an ihm gemessen, und das ist schon 'ne harte Bürde.

      Vielleicht sollte man aus Respekt auch einfach die Finger von bestimmten Stücken lassen, aber es gibt viele Bands, die kennen da einfach keine Gnade.

      Die musikalische Qualität ihres Vortrags von einigen wirklich großartigen Songs ist häufig einfach grausam anzuhören.

      Jeder darf natürlich jede Musik machen, die man will und auf die man Lust hat, gar keine Frage, aber öffentliche Auftritte bedeuten gleichzeitig auch ein sich der öffentlichen Kritik Stellen.

      Kritik darf nicht beleidigend sein, aber das öffentliche Präsentieren von gecoverten Songs darf auch nicht beleidigend für die Ohren sein.

      Bescheidenheit gegenüber der Musik und gegenüber seinen musikalischen Fähigkeiten sind hier gute musikalische Ratgeber.

      Viele dieser Coverbands nehmen sich zu ernst, zu wichtig und fühlen sich als die »Kings« und genau das ist das Problem, denn dadurch bekommen so manche Konzerte einen grotesken Beigeschmack. Einige spielen wirklich so schlecht, dass man es nur noch durch Weggehen aushalten kann, andere stehen sogar mit ihren Instrumenten posierend auf der Bühne und spielen zum Playback. Es wirkt täuschend echt und »live«, aber ist das etwas, was auch nur ansatzweise das Herz eines Musikers am Leben erhält?

      Welche musikalischen Maßstäbe gilt es hier zu erfüllen?

      Wo bleibt da bloß die Selbstachtung?

      Wo ist da die Liebe zur Musik, das Gefühl für dieses so kostbare Gut?

      Alles überdeckt und ertrunken in den paar Geldscheinen Gage?

      Woran wird man im Blues gemessen?

      Das wichtigste Kriterium ist doch das »feeling« und nur das zählt wirklich und es darf nie aufgesetzt wirken.

      Blues ist einfach die Musik des Lebens und für mich die gefühlsmäßig intensivste Variante des musikalischen Ausdrucks.

      Du denkst beim Spielen und Hören nicht über die Musik nach, du bist die Musik, sie nimmt dich mit und du lässt sie durch dich über dein instrumentales Sprachrohr rausfließen. Mal hart, mal weich, mal grinsend, mal weinend, mal fröhlich lachend, mal rau, mal sanft, mal an der Grenze zur Kitschigkeit entlang schrammend, nie verkniffen, mal liebestrunken, mal liebeskummernd, himmelhochjauchzend und höllenabgrundtief … das ganze Leben in der Gesamtheit.

      Die Texte erzählen oft punktuelle Geschichten, aber die Erlebnisse, die Musik, das in Blues verpackte Gefühl entspringen immer dem ganzen Leben – und das endet fast nie nach drei Minuten …

      Es gibt da sogar die Momente, wo man den, nicht nur an Kreuzungen lauernden Blues-Geistern begegnet. Sie sind warm, freundlich und neugierig und sie begleiten einen für eine Weile und diese Augenblicke sind geradezu magisch und manchmal spüren unsere Zuhörer und Zuschauer das auch.

      Ein Blues-Stück wird meist aus einem langsam und stetig gleitenden Lebens-Fließband genommen, gespielt und dann wieder dem Fluss des Lebens zurückgegeben, bis es vom Nächsten gespielt und interpretiert wird … Die Stücke sind einfach immer da und kommen zu dir, wenn du sie brauchst – wie und wann auch immer.

      Vielleicht ist das auch ein Grund, dass sich in den Ohren vieler Blues-Stücke auch sehr ähneln.

      »… für mich hört sich das alles gleich an …« – höre ich öfters, aber es ist nie gleich, es sind die oft nur sehr feine Nuancen, die den Unterschied machen. Oft kaum wahrnehmbar, aber um so schwieriger, nicht nur in der Umsetzung beim Spielen. Man muss zuhören können, wie im Leben auch.

      Musikalisch bewege ich mich im Blues-Duo teilweise genau dort, was Jimi zu seinem magisch-genialen Intro zu »Red House« gebracht hat und es macht wunschlos und auch glücklich. Manchmal ist es wie eine langsame Reise auf einem Fluss, der einen sanft umspült und behutsam mitnimmt. Ich fühle mich sehr wohl in der Gegenwart so vieler Blues-Geister. Die Blues-Geister schreiben dir die Geschichten des Lebens in die Seele und du hast keine Chance, diesen Erlebnissen aus dem Weg zu gehen. Du musst offen sein und diese Geschichten erkennen, in dein Leben aufnehmen. Geschichten wie die folgende gehören dazu:

Kapitellogo

      »Ey, Gottfried, … nee …, das sollen dir die anderen selbst erzählen und du müsstest mal den Einheitenzähler am Telefon sehen … der hört überhaupt nicht mehr auf zu laufen! …« – »Komm, … scheißegal! … Du kriegst mein Auto für die Rechnung! Jetzt erzähl mir endlich, was los ist! Was ist zu Hause passiert?« wollte ich nur wissen.

      Das Auto-Argument überzeugte schlagartig und mein Wohngemeinschafts-Kumpel erzählte mir die ganze Geschichte, zumindest das, was er wußte oder wissen wollte, um mir die herzzerreißenden Details zu ersparen. Aber es war genug, um zu wissen oder die Gewissheit zu haben, dass da im fernen Europa, in Deutschland, in meiner Stadt, in meiner Wohngemeinschaft, in meinem Herzen etwas fürchterlich schief gelaufen und so richtig beschissen aus dem Ruder gelaufen war.

      Wie betäubt legte ich den Telefonhörer auf und ging mit zerrissenem Herzen zurück zu meiner Unterkunft.

      Ich hatte ein »R«-Gespräch aus den USA, dem Staat New York, zu meiner Wohngemeinschaft angemeldet und dieses Gespräch ist bis heute das teuerste Telefongespräch meines Lebens geblieben.

      Nachdem das recht kurze, aber so teure Gespräch mit meinem Wohngemeinschafts-Kumpel beendet war, musste ich mir schmerzhaft klar machen und wehrlos verkraften, dass ich innerhalb weniger Sekunden meine große Liebe, meinen bis dahin besten Freund und zu guter Letzt auch noch mein Auto, einen weißen Peugeot 504 mit Lenkrad-Schaltung verloren hatte.

      Scheiß-Telefon!

      Wie diskret war da doch der Postweg gewesen, hatte ich doch seit Wochen keine Antwort auf meine Briefe erhalten. Mittlerweile ist das weit über dreißig Jahre her und ich musste ein derartiges Telefongespräch nie wieder führen.

      Ich hatte nun keinen weißen Peugeot 504 mit Lenkradschaltung mehr zum Bezahlen. Es bleibt jetzt jedem selbst überlassen, zu beurteilen, was im Nachhinein und rückblickend betrachtet der schwerwiegendste Verlust war …

      Mein WG-Kumpan fuhr auf jeden Fall anschließend