Название | Red House |
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Автор произведения | Andreas Bahlmann |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783862870752 |
Um eines klarzustellen: James Last war ein absoluter Vollblutmusiker und er trug ein ganz tiefes Grinsen mit und in sich durch sein erfülltes Leben, aber ich konnte und kann seine Musik einfach nicht lange aushalten..
Es ist ein bisschen wie im Western: Zwei Revolverhelden stehen sich gegenüber. Sie fixieren sich gegenseitig mit grimmigen Mienen und es kommt dabei zu diesen großartigen Sätzen wie: »Diese Stadt ist zu klein für uns beide …« -
Mit festem Blick, auf einem Zahnstocher kauend, fixiere ich James Last und presse gefährlich zischend zwischen meinen Zähnen hervor:
»Mein Zimmer ist zu klein für deine Musik und mich …«
Ich glaube, James und ich hätten uns gut verstanden.
Ich musste also für meine eigene Musik sorgen. Von meinem Taschengeld und dem Geld, dass ich mir durch's wöchentliche Kohleschleppen und Einkaufen für die alte Frau Fogler verdiente, kaufte ich mir eine Tonbandspule, die für etwa eineinhalb bis zwei Stunden Musik Platz bot.
Die alte Frau Fogler war Kriegswitwe und lebte alleine in der Innenstadt, im dritten Stockwerk. Sie freute sich, wenn ich jede Woche kam, um ihr Kohle für die Ofenheizung aus dem Keller nach oben zu schleppen. Sie gab mir dafür jedes Mal fünfzig Pfennig. Manchmal drückte sie mir einen kleinen Einkaufszettel in die Hand, und wenn ich dann mit den Einkäufen zurückkam, schenkte sie mir entweder eine Tafel Schokolade oder ich durfte das restliche Wechselgeld für mich behalten, was, wie es der Zufall so wollte, weitere fünfzig Pfennig waren, und zwar immer genau fünfzig Pfennig. Zu Weihnachten brachte ich ihr einen Blumenstrauß oder Kekse, worüber sie sich sehr freute. Sie war alleine und umarmte mich mit einem dicken, schmatzigen Kuss auf die Backe.
Ihr Damenbart kratzte, aber da sie mir nur zu Weihnachten oder Ostern einen Kuss gab, war das auszuhalten.
Einmal schenkte sie mir sogar eine Schallplatte.
Und es war: Heintje! Nicht nur die Single, sondern gleich eine ganze Heintje-LP!
Ich wußte bis dahin gar nicht, dass er noch mehr Lieder sang als »Mama« …
Über Geschenke freut man sich, so lautete unsere Erziehung.
Also freute ich mich auch, stellte dann zu Hause die Schallplatte zur elterlichen Partymusik ins Regal und begann mit dem Zusammenstellen und Aufnehmen meiner Musik, … ohne Heintje.
Mein Vater besaß ein Mono-Tonbandgerät und mit diesem Gerät nahm ich bei jeder sich bietenden Gelegenheit Sendungen bzw. Stücke mit dem Mikrofon aus dem Radio auf. Diese kleine Tonbandspule wurde ab der fünften oder sechsten Klasse zum wichtigen Bestandteil unserer Klassenfeten auf dem Gymnasium.
Um die Tonband-Aufnahmen zu bekommen, musste ich mit dem Mikrofon vor dem Plattenspieler oder Radio immer ganz still verharren, während das so sehnlichst gewünschte und endlich mal gebrachte Lied gespielt wurde. Jedes Geräusch hätte die Aufnahme gestört oder verdorben und unbrauchbar gemacht.
In der Folge gab es da oft genug diese Momente des selig in einem aufsteigenden Erfolgs-Glücksgefühls, dass das Lied endlich fast komplett auf Band war und dann sang ausgerechnet der Radio-Moderator den Schluss-Refrain mit!
Das reflexartige Reagieren des auf »Aufnahme – Drückens«, das starre Verharren während der Aufnahme, das nahezu vollständige Unterdrücken jeder Atemtätigkeit bis kurz vor'm Erstickungstod, die langsam aufkeimende Spannung des sich abzeichnenden Aufnahme-Erfolgs, wurde durchs ebenso dämliche wie überflüssige Mitsingen schlagartig zunichtegemacht!
… und dann sangen sie dazu meistens auch noch falsch …
Oder: die Aufnahme war nahezu perfekt, der Moderator hielt dieses Mal still, es fehlten nur noch wenige Sekunden, als energisch die Zimmertür mit einem mütterlichen:
»Was machst du hier eigentlich die ganze Zeit?« aufgerissen wurde.
Aber schließlich bekam ich mein Klassenfeten-Tonband nach etlichen, manchmal heimlichen, oft auch vergeblichen Aufnahmeversuchen und unzähligen Millionen Stunden dann doch noch fertig.
Ich war so stolz darauf!
Dieses Band habe ich heute noch, nur leider funktioniert dieses alte Grundig-Mono Tonbandgerät meines Vaters nicht mehr. Der Star auf dem Tonband war für mich »Whole Lotta Love«, wegen der Länge und dieser experimentellen musikalischen Rauheit, die eine geradezu eiserne Aufnahmedisziplin vor'm Radio und auch ausgeklügelte Versteckstrategie als Schutz vor elterlichen Störfeuern erforderte.
Später gab's dann »Refried Boogie« von Canned Heat und ich fand es einfach gnadenlos und unglaublich! Die spielten über sagenhafte fünfundvierzig (!) Minuten über dieses einzige Riff und es war ein fantastisches, hypnotisches Stück, aber unglaublich anstrengend beim Tanzen auf Klassenfeten, sodass wir da die Siebeneinhalb-Minuten-Version mit fade out als Aufnahme bevorzugten, um dem Sekundentod wegen Erschöpfung auf der Tanzfläche vorzubeugen.
Canned Heat's lange Version vom »Refried Boogie« erlebte ich dann später in den Achtzigern sogar live – es war atemberaubend, umwerfend, großartig und unvergesslich! Dieses ewige, auf einem einzigen monotonen Riff Herumreiten, ohne dass es langweilig wird, beherrschen nur relativ wenige Bands oder Musiker – wie Canned Heat, Bo Diddley, George Thorogood oder eben der großartige, unnachahmliche John Lee Hooker, der sie alle entscheidend beeinflusst hat.
Ein besonders auffälliges Merkmal an John Lee Hooker ist auch, dass viele Aufnahmen mit ihm in verschiedenen, teilweise berühmten Bands existieren und er unüberhörbar und überall seinen typischen Hooker-Sound reinbrachte. Sie klangen und klingen alle nach John Lee Hooker, alle schienen sich automatisch nach ihm gerichtet zu haben – einfach einzigartig und unnachahmlich!
Bo Diddley, seine riesige Hornbrille und seinen, mit großen und glitzernden Hermes-Flügeln verzierten, dunklen Cowboy-Hut tragend, reitet gnadenlos und solange auf einem Gitarren-Riff, gespielt auf seiner Zigarrenkisten-ähnlichen Gitarre, herum, bis wirklich alle, ausnahmslos alle mitwippen und mittanzen, um dann zu seinen unnachahmlich-schrägen, geschrammelt - dilettantisch anmutenden Gitarren-Soli anzusetzen. Einfach grandios!
George Thorogood & the Destroyers stellen auf ihren Alben eigentlich immer vom ersten Akkord an klar, wo es lang geht: schnörkellos, nur nach vorne treibend, einfach obergeiler Blues-Boogie-Rock'n'Roll. Grandios: die 8:26 Minuten Version von John Lee Hookers »one Bourbon, one Scotch, one Beer«. Der Party-Knaller für ekstatisch getanzte Blues-Hingabe, die keine Fragen mehr offenließ – musikalisch war alles gesagt …vergiss die Mädchen, es gab manchmal einfach Wichtigeres zu erledigen und zu tun! Zumindest acht Minuten und sechsundzwanzig Sekunden lang.
Ich möchte hier auch gar nicht weiter hinterfragen, wie viele Liebes-Anbahnungen durch diese acht Minuten und sechsundzwanzig Sekunden ihr jähes Ende gefunden haben.
Preschte man doch oft genug bei den ersten Klängen dieses magischen Gitarren-Riffs, das (Flirt-) Gespräch mitten im Satz oder sogar im Wort jäh unterbrochen, ansatzlos und reflexartig auf die Tanzfläche.
»La Grange« von ZZ TOP funktionierte übrigens ganz ähnlich, dauerte aber nicht so lang, sodass sich danach noch meist was bei der Liebsten retten oder das Gespräch fortführen ließ, wenn man verschwitzt, fast wunschlos glücklich vom Tanzflächen-Blitzeinsatz wieder zurückkehrte.
Mit dreizehn Jahren sah ich dann endlich meine erste Blues Band live und ich werde nie vergessen, wie ich mit offenem Mund und Ohren und Herzen diese Musik in mich aufsog.
Der Blues mit seinem einzigartigen Facettenreichtum, der gleichzeitig ebenso dilettantisch wie genial in seinem Vortrag sein kann und darf, manchmal sogar muss, stellt für mich alles in den Schatten und es sind immer wieder diese musikalischen Blues-Interpretationen, die mich bis heute buchstäblich umwerfen und mit »Haut und Haaren«