Название | Ich bin dann mal nicht weg |
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Автор произведения | Gernot Zimmermann |
Жанр | Языкознание |
Серия | Wagner'sche Reihe |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783703065477 |
Schließlich findet auch die lange Wiesengasse ihr Ende, das zumindest haben alle Straße gemeinsam.
Ilse erwartet mich schon und nach einer kleinen Labung bringt sie mich zum Anfang vom Sillufer (nach dem Fluss Sill), dazu müssen wir nur um die Ecke fahren. Diese Straße führt über ihre gesamte Länge der Sill entlang und ist ein wirklich schöner Spazierweg. Auf halber Strecke komme ich an der Stelle vorbei, wo früher das Gasthaus „Tivoli“ gestanden ist. Ich sehe den von mächtigen Kastanienbäumen beschatteten Gastgarten vor mir, rieche förmlich noch die rauchgeschwängerten Stuben und erinnere mich natürlich auch noch an die Kegelbahn. Alles Geschichte, heute steht ein Mehrparteienhaus da …
Nach der Unterführung der Olympiabrücke kenne ich den Weg nur zu gut, denn den bin ich schließlich vorgestern schon gegangen. Gleich nach ein paar Metern passiere ich das ehemalige Innsbrucker Leichtathletik-Stadion, worin auch der „Wacker 1“ Fußballplatz integriert war. „Wacker 1“ deshalb, weil das hier das Heimstadion des FC Wacker war, bevor das inzwischen längst wieder abgerissene Tivoli-Stadion errichtet wurde.
Bei der Berufsfeuerwehr endet das Sillufer schließlich und natürlich steht Ilse zur Abholung bereit. Wir machen für heute Schluss, denn es ist eine weitere Pressekonferenz mit Kanzler Kurz und Co. zur aktuellen Corona-Lage angesagt. Die wollen wir nicht versäumen.
Reim des Tages:
Selbst mit einem wehen Rücken,
würd’ ich mich nach jeder Münze bücken.
Tag 4
Samstag, 14. März 2020
Das Wetter ist wieder wunderbar, um zehn Uhr brechen wir auf. Ilse wird mich heute mit dem Auto begleiten, denn wir haben einiges vor. Und wie uns der Stadtplan zeigt, lassen sich auch bei akribischster Routenplanung unzählige Schweine-Meter nicht vermeiden. Also werde ich als Erstes zu den Sillhöfen (nach einem ehemaligen Großbauernhof) gefahren. Ilse lässt mich am Sillufer aussteigen, neben dem alten und leider ziemlich heruntergewirtschafteten „Tollingerhof“. Durch die Sillhöfe bin ich schnell durch und die Straße setzt sich als Montessoristraße (Pädagogin, erste Ärztin Italiens, 1870–1952) fort. Von dieser Straße wusste ich bis heute gar nichts, dabei führt sie doch direkt an der Nordtribüne des neuen Tivoli-Stadions vorbei. Und sie heißt seit 40 Jahren so. Unglaublich eigentlich. Und wirklich unglaublich ist eine Begebenheit, die sich vor ein paar Jahren genau hier abgespielt hat. Ich erzähle die Geschichte trotzdem. Wir waren zu einem Wacker-Match verabredet, Ilse, Nadja, ihr Lebensgefährte Christian und ich, die Karten hatte ich Tage zuvor im Vorverkauf besorgt. Da meldete sich am Handy unser lieber Freund Matthi, er sei auch vor Ort. Er reihte sich also brav in die Warteschlange vor dem Ticket-Schalter für die Tribüne West ein, irgendwo in unserer Nähe wird schon noch ein Platz frei sein und dann kann man ja eventuell tauschen. Da sehe ich plötzlich eine Karte am Boden liegen, die muss eben jemandem aus der Tasche gerutscht sein. Ich hebe sie auf, sie ist für das heutige Match und jetzt kommt das Unglaubliche: Die Sitzplatznummer der Eintrittskarte ist genau der Platz neben unseren vier Plätzen, kein einziger Sitz liegt dazwischen. Ich halte das immer noch für den absurdesten Zufall in meinem Leben und bin direkt froh, dass ich für diese unglaubliche Story genügend Zeugen habe. Sonst nimmt dir das ja echt kein Mensch ab …
Zu meiner nächsten Station muss ich nicht kutschiert werden, denn die Kaufmannstraße (Innsbrucker Politiker, 1878–1928) beginnt gegenüber dem Tivoli-Stadion. Mit den paar hundert Metern der Kaufmannstraße bin ich gleich einmal fertig, allzu viele Erinnerungen verbinden mich mit diesem Teil Pradls nicht. Als Reichenauer Rattler war diese Gegend ohnehin eine No-go-Area für mich, denn die Kaufmannstraße gehörte noch zu „Stalingrad“. So nannte man früher dieses Viertel, Auswärtige hatten hier nichts verloren, selbst wenn sie nur 100 Meter von der Siedlung entfernt wohnten. Auswärtig bedeutete auswärtig, da kannten die Bewohner kein Pardon und man hat dort eher ungern am Watschenbaum gerüttelt. Aber wenn, dann niemals vergeblich … Ich werde heute übrigens noch alle Straßen von „Stalingrad“ abgehen, so ist zumindest der Plan. Die Kaufmannstraße endet dann gleich einmal nach dem Haupteingang zum Pradler Friedhof. In dessen Aufbahrungshalle bin ich in letzter Zeit auch viel zu oft unter den Trauernden gestanden. Jaja, wenn man bald einmal 60 wird, dann kommen die Einschläge halt näher.
Zur Abwechslung kommen jetzt ein paar kleinere Straße, fangen wir mit der Johann-Strauß-Straße (Walzerkönig, 1825–1899) an. Sie bildet sozusagen die Westgrenze des Pradler Friedhofs und verbindet die Wiesengasse mit der Kaufmannstraße. Viel gibt sie ja nicht her, aber eine Prachtvilla ist mir doch in Erinnerung geblieben. Es ist wirklich fein, dass mich Ilse heute chauffiert, denn so kann sie mich gleich zur Plonergasse (Musikpädagoge, 1894–1955) rüberbringen, die ebenfalls von der Kaufmannstraße abzweigt. Auch sie stellt eine Verbindung zur Wiesengasse dar und hat, außer netten Ein- und Mehrparteienhäusern, nichts Nennenswertes zu bieten.
Danach bringt mich Ilse zum Wetterherrenweg (nach den Wetterheiligen Johannes und Paul), auch diese kurze Straße verbindet die Wiesengasse mit der Kaufmannstraße. Dachte ich, denn der Wetterherrenweg geht leider über sie drüber und setzt sich anschließend als reiner Fußweg bis zum Südring hinaus fort. Mühsam, denn ich muss den ganzen Fußweg gleich wieder zurückgehen. Aber immerhin komme ich dadurch zum zweiten Mal bei einem Balkon vorbei, der zweifelsohne von einem Wacker-Fan dekoriert worden ist. „Wacker Unser“ in der Straße der Wetterheiligen. Das passt doch …
Direkt vom Wetterherrenweg zweigt links die Beda-Weber-Gasse (Schriftsteller und Heimatkundler, 1798–1858) ab, ich gehe sie in Richtung Osten. In dieser Gasse habe ich einmal für zwei, drei Jahre gewohnt – genau gegenüber dem respektlos genannten „Huren-Haus“. Das war zwar kein richtiges Bordell, aber zahlreiche Straßen-Prostituierte hatten sich in diesem Wohnblock kleine Garçonnièren gemietet. Jeder wusste das, in meinem Haus wohnte übrigens auch eine Sexarbeiterin. Aber eben nur eine.
Nach der Beda-Weber-Gasse geht es hinüber nach „Stalingrad“ und ich starte, an der Kreuzung zur Amraser Straße, mit der Premstraße (Schriftsteller, 1853–1920). Die alten Häuser entlang der einstigen Hauptstraße von „Stalingrad“ sind längst durch moderne Neubauten ersetzt worden und heute kann man sich hier auch als Reichenauer frei bewegen. Die Premstraße überrascht mich einigermaßen, denn letzten Endes bringt sie mich erneut bis zum Fußweg-Teil des Wetterherrenwegs.
Nach einer kurzen Rast im Auto werde ich dann zur Schullernstraße (nach einer Innsbrucker Gelehrten-Familie, 19. und 20. Jahrhundert) chauffiert, ich beginne meinen Weg am Südring. Dann gehe ich die kleine Straße hinauf bis zur Kaufmannstraße und ärgere mich unterwegs, dass ich schon wieder nicht darauf geachtet habe, dass der Weg minimal bergauf führt. Das kostet mich mindestens fünf Minuten Pause am Beifahrersitz, aber es gibt Schlimmeres.
Die Rast war auch wirklich notwendig, alleine schon als Vorbereitung für den nun folgenden Paschbergweg (nach dem Amraser Paschberg). Den kannte ich bislang auch nur vom Hörensagen, denn es handelt sich dabei um einen reinen Spazier- und Radweg. Aber er hat es von seiner Länge her in sich, denn er verbindet die Amraser Straße mit dem Sillufer. Zum Glück ist der Paschbergweg gut mit Parkbänken bestückt, dreimal nutze ich das aus. Es ist ein sogenannter „Grüß-Gott-Weg“, denn alle Gassi-Geher, Spaziergänger, Radfahrer und Rollschuhfahrer grüßen sich – es sei denn, sie haben Sound-Stöpsel in den Ohren. Aber die meisten nicken einem auch dann zu … Einmal stürmt ein leinenloser Hund auf mich zu – schwarz, langhaarig und so groß wie eine mittlere Kühltruhe. Er begrüßt mich aber nur freundlich und wedelt dabei so heftig mit seinem Schwanz, dass er dadurch fast das Gleichgewicht verliert. Nett.
Unmittelbar nach dem Paschbergweg absolviere ich die Helblingstraße (nach einer hier ansässigen Familie, 14./15. Jahrhundert), die ist in etwa so kurz wie der Weg davor lang war. Also sehr kurz. Ilse wartet an der Ecke zum Sillufer und ich bin schon wieder dankbar über den feinen Beifahrersitz. Die erholsame Pause verlängert sich dann noch um die Fahrtzeit bis rüber zur Kaufmannstraße, denn ungefähr in deren Mitte entspringt die Dr.-Glatz-Straße (Innsbrucker Gemeinderat und Armenarzt, 1825–1890),