Ich bin dann mal nicht weg. Gernot Zimmermann

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Название Ich bin dann mal nicht weg
Автор произведения Gernot Zimmermann
Жанр Языкознание
Серия Wagner'sche Reihe
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783703065477



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überquert haben – in die Rudolf-Greinz-Straße (Pradler Schriftsteller, 1866-1942). Das relativ kurze Sträßchen kenne ich schon seit meiner Kindheit, denn es war Teil meines Schulwegs. Und gleich am Anfang der Straße gibt es bis heute ein Geschäft für Modellautos und Spielzeug-Eisenbahnen, da habe ich mir an den Schaufenstern nicht nur einmal die Nase plattgedrückt.

      Mit wenigen Schritten haben wir die Rudolf-Greinz-Straße hinter uns gebracht und biegen links in die Kranewitterstraße ein. Die werden wir gleich angehen, vorher kommt aber noch der Eichhof (nach einem ehemaligen Bauernhof) dran. Normalerweise geht man einfach durch eines der Tore in den Innenhof dieser Wohnanlage hinein, momentan wird aber in der Umgebung heftig gebaut, also ist nichts normal. Wir müssen doch glatt über eine massive Holzabsperrung klettern, um in den Hof zu kommen, das artet ja noch in eine Expedition aus. So schlimm war es natürlich nicht und danach stärken wir uns mit einer Jause in der nahegelegenen Metzgerei „Hörtnagl“ in der Amraser Straße.

      Mit warmem Fleischkäse und reichlich Cola im Bauch setzen wir bald darauf unsere Wanderung fort, rasch noch einmal die Amraser Straße überquert und schon sind wir in der Kranewitterstraße (Tiroler Dramatiker, 1860–1938). Die ist einige hundert Meter lang und wird uns wieder zurück in unser Wohnviertel bringen. Meine leicht angeschlagene Wade spüre ich kaum mehr, ich dürfte mir den Muskelkater also schon herausgewandert haben.

      Auf der Höhe des „Cafe Bambi“ verlässt mich Ilse und biegt zu unserer Wohnung ab, ich werde dann eh gleich nachkommen. Aber vorher mache ich noch die Kranewitterstraße fertig. Dann spaziere ich via Geyrstraße und Lönsstraße zum Domanigweg (Numismatiker und Schriftsteller, 1851–1913) rüber, wo sich die Gebäude der „Lebenshilfe“ befinden. Der Weg endet kurz vor der Amraser-See-Straße als Sackgasse und ich muss ihn gleich wieder retour gehen, denn nur so komme ich zur Mößlgasse (Pfarrer von Hötting, 1863–1942), die sich gleich daneben befindet. Die kleine, aber sehr hübsche Gasse beginnt an der Lönsstraße und führt in einem Halbkreis wieder zu ihr zurück. Hier lässt es sich sehr schön wohnen, ein durchaus privilegiertes Stückchen Pradl und ich genieße jeden Meter dieser Gasse. Danach habe ich fürs Erste genug und gehe die paar Meter nach Hause. Jetzt brauche ich nur mehr einen Kaffee und die Couch.

      Nach einer langen und gepflegten Pause habe ich mich dann noch einmal aufgemacht, ein paar Straßen möchte ich heute schon noch absolvieren. Zuerst gehe ich zur Lönsstraße (Deutschnationaler Schriftsteller 1866–1914) und bald schon komme ich an der Tabak Trafik vorbei, wo mich Besitzer Manni seit Jahren mit Grundnahrungsmitteln versorgt. Übrigens, ich habe dem Manni noch jedes meiner Bücher geschenkt, natürlich mit launigen Widmungen versehen. Erst kürzlich hat er mir lachend gestanden, dass er noch keines davon gelesen hat. Wurscht, ich werde ihm selbstverständlich auch dieses Buch wieder signieren und vorbeibringen, vielleicht kommt er ja in der Pension dazu, sie auch zu lesen.

      Am Ende der Lönsstraße meldet sich dann unvermittelt meine Wade und will schnellstens nach Hause. Ich habe aber noch was vor, also höre ich nicht so genau hin und gehe stattdessen zum zweiten Mal heute durch die Seebergasse, danach rechts via Amraser Straße rüber zur Köldererstraße (Hofmaler bei Maximilian I., 1465/70–1540). Diese kurze Straße kennt jeder junge Bursche, von Tirol bis in den letzten Winkel Vorarlbergs hinaus, denn hier hat die Stellungskommission des Bundesheeres ihren Sitz. Zu gewissen Zeiten ist die Köldererstraße geradezu übervölkert von jungen Männern, die mit grotesken Hüten am Kopf und mit viel Alkohol im Kopf ihre Musterung abfeiern, bevor sie dann laut grölend in die Innenstadtlokale weiterziehen. Wie heute in den Nachrichten zu hören war, wird die Stellungskommission ab morgen ihren Betrieb vorerst einstellen, die Ansteckungsgefahr mit dem Corona-Virus ist zu groß geworden. Gestern wurde hier noch Fußballstar David Alaba den üblichen militärischen Eignungstests unterzogen, morgen wird hier dicht gemacht. So schnell geht’s, dieses unnötige Virus werden wir so bald nicht wieder loswerden, fürchte ich.

      Mittlerweile sendet meine Wade im Minutentakt heftige Schmerzimpulse, allzu lange geht’s heute nimmer, aber nach Hause muss ich sowieso noch. Die Köldererstraße ist zwar nicht besonders lang und führt nur zum Südring hinauf, ich muss sie aber doppelt gehen. Sonst komme ich schlecht in die Bruder-Willram-Straße (Deutschnationaler Kriegslyriker, 1870–1939), meiner für heute letzten Adresse. Auch die Benennung dieser Straße ist umstritten, denn Bruder Willram (eigentlich Anton Müller) war für seine den Kampf verherrlichende Kriegslyrik und die Propagierung deutsch-nationalen Gedankenguts bekannt. Auch hier ist seit 2011 am Straßenschild ein erklärender Text angebracht und es ist wohl kein Zufall, dass sich ausgerechnet die Kernstockstraße und die Bruder-Willram-Straße kreuzen. Aber das passt schon – Hausmaus zu Hausmaus, Feldmaus zu Feldmaus, dem Nazi-Propagandisten Löns seine Straße ist ja auch nur um die Ecke.

      Beim ehemaligen Gasthaus Laterne – ich werde nicht der Einzige sein, der den feinen Gastgarten vermisst – biege ich rechts in die Kranewitterstraße ein, ein paar hundert Schritte später bin ich dann endgültig daheim. Das war’s für heute, immerhin sind weitere 27 Straßen erledigt, um fünf mehr als gestern. Passt.

      Reim des Tages:

      Im Tivoli-Stadion sah ich viele

      gute und auch schlechte Spiele.

       Freitag, 13. März 2020

      Ilse hat heute einiges zu tun, also werde ich alleine unterwegs sein. Aber sie bringt mich immerhin zum Anfang der Langstraße, gestern waren wir eh schon an dieser Ecke Rudolf-Greinz-Straße/Kranewitterstraße. Die Langstraße (Innsbrucker Kaufmann, 1843–1928) ist die Verlängerung der Rudolf-Greinz-Straße und ich wandere los in Richtung Norden. Das Wetter ist wolkenlos, der Jahreszeit entsprechend ziemlich frisch, aber ideal zum Spazierengehen.

      Die Langstraße hat mindestens zwei Highlights zu bieten, das eine ist das Lokal „Tiroler Weinstube“. Das an der Ecke zur Gumppstraße gelegene Wirtshaus kenne ich schon mein Leben lang und es lässt sich hier gut essen und trinken. Und vor allem günstig, der Schweinsbraten mit Sauerkraut und Knödel kostet aktuell 7,20 Euro und das Seniorenmenü mit Suppe, Hauptspeise und Salat oder Dessert ist um sensationelle 5,00 Euro zu haben. Vor dem Rauchverbot in der Gastronomie waren wir nicht so oft hier, weil man danach sein komplettes Gewand in den Wäschekorb geben musste. So nach Tschick hat alles gestunken. Jetzt ist die Luft im Lokal so klar wie auf der Seegrube und wir gehen wieder regelmäßiger hin.

      Die zweite „Attraktivität“ in der Langstraße ist die Polizeiinspektion. Sie liegt genau gegenüber der Weinstube und der Volksmund sagt heute noch Pradler Wachstube dazu. Meine Erinnerungen an die Pradler Wachstube sind vielfältig, ich war sehr oft da, zehnmal sicher. Aber nicht, weil ich straffällig geworden bin oder so. Mal eine Verlustanzeige gemacht, mal ein Strafmandat bezahlt, mal eine Beschwerde losgeworden, solche Sachen. Ach ja, einmal wurden mein Jugendfreund Ralfi und ich vorübergehend festgenommen, weil wir zu zweit auf einem Fahrrad unterwegs waren. In der Radetzkystraße, wir kamen gerade vom Schwimmen am Baggersee. Natürlich konnten wir uns nicht ausweisen, wir hatten ja nur unsere Badehosen an. Und so mussten wir halt in der Wachstube ausharren, bis unsere Identitäten geklärt waren.

      Während meine Gedanken bei Schweinsbraten und Ausweiskontrollen sind, bin ich mit der Langstraße fertig, sie endet an der querenden Amthorstraße. Die gehe ich ein paar Meter rechts hinein, um dann gezielt die links abzweigende Pestalozzistraße (Schweizer Sozialreformer, 1746–1827) anzugehen. Ein kurzes Sträßchen, welches sich aber für mich verdoppelt, weil ich sogleich wieder retour gehen muss. Denn anders komme ich nämlich nicht zum Lindenhof (früher standen hier Lindenbäume), der schräg gegenüber der Pestalozzistraße rechts von der Amthorstraße abgeht. Das ist eine nette Gegend hier, vom Straßenlärm ist kaum etwas zu hören, weil die Wohneinheiten in Blockbauweise angelegt wurden. Der Lindenhof ist schnell durchwandert und dankenswerterweise gibt es an seinem südlichen Ende einen Durchgang, der nach wenigen Schritten zum benachbarten Ahornhof (früher standen hier Ahornbäume) führt. Sehr praktisch, da spare ich mir einige Schweine-Meter. Der Lindenhof und der Ahornhof entstanden im Zuge der Südtiroler Umsiedlungen um das Jahr 1940 und ich fürchte, in nicht allzu ferner Zukunft werden auch diese kleinen Siedlungen zur Diskussion stehen – Stichwort: städtische Wohnraumschaffung und Erhöhung der Baudichte. Hoffentlich täusche ich mich …

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