Splitter einer vergangenen Zukunft. Eckhard Bausch

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Название Splitter einer vergangenen Zukunft
Автор произведения Eckhard Bausch
Жанр Языкознание
Серия Die Dunstein-Chroniken
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783947721214



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wiederholte der Meister der Todeszeremonie versonnen. Und nochmals: „Rakoving.“ Plötzlich begannen seine Augen zu leuchten: „Wahrlich, Ihr seid ein phänomenaler Schauspieler. An Eurem Äußeren hätte ich Euch nie und nimmer erkannt. Aber ist dieses vordergründige Spiel mit den Buchstaben Eurer würdig? Virkagon, der Mitbegründer des Geheimen Bundes von Dunculbur, Korvinag, der alte Eremit aus Borthul, und jetzt Rakoving?“

      „Der Name einer Person ist mit ihrer Seele verwoben“, entgegnete der Schauspieler. „Man kann ihn nicht aufgeben, wohl aber die Reihenfolge seiner Buchstaben verändern. Ist das wirklich zu durchsichtig? Ohne das Geflecht hättet Ihr mich nie gefunden.“

      Roxolay zog fragend die weißen Augenbrauen hoch: „Wieso sollte ich Euch gesucht haben?“ Dann aber veränderte sich schlagartig sein Gesichtsausdruck. Völlig ansatzlos hielt er plötzlich eine Kristallskulptur in der Hand. Sie reflektierte die warme Abendsonne in allen Farben des Regenbogens.

      Rakoving wusste um die Wirkungen dieses Gegenstandes, der auch als schreckliche Waffe benutzt werden konnte. Sobald die Statue auf dem Boden zersplitterte, würde auch Roxolays Gegner in Tausende von Stücken zerbersten.

      „Nun ist die Maske gefallen“, stellte der frühere Einsiedler leidenschaftslos fest.

      „Warum wollt Ihr mich töten?“, fragte Roxolay.

      Der Borthuler lachte auf: „Was soll diese Komödie?“

      „Sagt Euren Männern in ihren Hinterhalten, dass sie die Stiftlader weglegen sollen“, verlangte Roxolay. „Dann werde ich den Kristall wegstecken, und wir können uns darüber unterhalten, was all dies zu bedeuten hat.“

      „Wenn ich das tun würde, wäre ich schutzlos“, widersprach Rakoving. „Ihr seid gekommen, um mich zu töten. Oder seid Ihr etwa nicht der Meister der Todeszeremonie?“

      Roxolay schaute ihn durchdringend an. „Habt Ihr hier irgendwo einen weißen Kreis gesehen?“, fragte er. „Wir kennen doch beide die Regeln.“ Rakoving musterte genau die Umgebung und wurde plötzlich sehr nachdenklich. Dann gab er ein Handzeichen.

      Schaddoch und seine Männer legten in ihren Verstecken die Stiftlader beiseite. Roxolay ließ die kleine Kristallskulptur unter seinem Gewand verschwinden und fragte den ehemaligen Kampfgefährten: „Wovor fürchtet sich der gefährlichste Mann der Welt, den jemand einmal den „Kettenhund des Geflechts“ genannt hat?“

      „Vor dem anderen Kettenhund des Geflechts“, erwiderte Rakoving und deutete auf den Meister der Todeszeremonie. Dann fügte er etwas leiser hinzu: „Und vor dem Geflecht selbst.“

      Roxolay sah ihn erschrocken an. Dann schwang er sich von seinem Pferd und ging ein paar Schritte auf Rakoving zu: „Was ist geschehen, alter Freund?“

      „Habt Ihr nicht den Aufschrei des Geflechts gehört?“ fragte der Borthuler erstaunt. Unfähig zu einer Antwort schaute Roxolay nur fassungslos drein.

      „Dann schwebt Ihr in der gleichen Gefahr wie ich“, stellte Rakoving nüchtern fest. „Aber sagt – warum seid Ihr hier, wenn nicht um mich zu töten?“

      In knappen Worten berichtete der Meister der Todeszeremonie von der Fälschung der alten Schriften und der Aufzeichnungen Murbolts, von seinem Eindringen in die Rotunde und dem Verschwinden Ulbans. Er schloss mit den Worten: „Ich bin davon überzeugt, dass entweder in der Rotunde oder hier in Derfat Timbris der Schlüssel liegt.“ Rakoving nickte nachdenklich und gab ein weiteres Handzeichen. Daraufhin verließen Schaddoch und seine Begleiter ihre Verstecke und näherten sich den beiden Männern. Währenddessen erzählte der ehemalige Eremit von seiner Suche nach Selazidang und den Entdeckungen, die er dabei gemacht hatte.

      „Gibt es irgendeinen Anhaltspunkt, wo man mit den Nachforschungen über das Geheimnis von Derfat Timbris beginnen könnte?“, fragte er zuletzt.

      Roxolay kraulte sich gedankenverloren am Kinn. „Derfat Timbris war ein geweihter Ort“, meinte er. „Es gibt hier viele Tempelanlagen und sonstige Heiligtümer. Die einzige Anlage, die aus dem Rahmen fällt, ist die Arena. Wenn jemand in der Blütezeit einen Ort für ein unauffälliges Versteck gesucht hat, zu dem jedermann jederzeit Zutritt hatte, könnte das in jener Umgebung gewesen sein. Dort sollten wir jedenfalls anfangen.“

      *

      Die Frau war eindeutig erregt und verlegen. Sestor hatte noch nie eine erregte und verlegene Zogh gesehen. Sie mochte um die vierzig Jahre alt sein und hatte sich die herbe Schönheit der grauhäutigen Gebirgsmenschen bewahrt.

      „Wie alt warst du damals?“, wollte Prandorak wissen.

      „So genau weiß ich das nicht mehr“, erklärte die Frau ausweichend. „Ich bin noch ein Kind gewesen. Ich kann mich nur noch gut daran erinnern, wie ich auf dem nassen Pfad abrutschte und in die Spalte fiel. Dort blieb ich an einem Baum hängen. Ich habe geschrien, aber es dauerte eine Ewigkeit bis ich endlich herausgezogen wurde. Dann sah ich in das weiße Gesicht dieser wunderschönen Frau, die mich gerettet hat.“

      „Du bringst ihr auch heute noch Opfergaben?“, fragte der Herold unverfänglich.

      „Ja“, antwortete die Zogh. „Obwohl sie wahrscheinlich längst nicht mehr lebt. Aber ich bin ihr unendlich dankbar und finde darin meinen Seelenfrieden.“

      „Und weshalb trägst du die Sachen in die Trellinda-Höhle?“, bohrte Prandorak weiter.

      „Dort hat sie mich hingebracht und versorgt, nachdem sie mich gerettet hatte. Aber warum fragt ihr das alles? Was wollt ihr von der Weißen Frau?“

      „Wir wollen sie retten“, mischte sich Sestor ein. „Menschen, die genauso aussehen wie die Weiße Frau, verfolgen sie. Vor denen wollen wir sie warnen.“

      „Aber du hast ja gesagt, dass du nicht weißt, wo sie sich aufhält“, unterbrach ihn Prandorak. „Wir haben jetzt keine Fragen mehr. Du kannst gehen.“

      Nachdem sie gegangen war, warfen sich die beiden Männer einen kurzen Blick zu und nickten. Wieder einmal dachten sie das Gleiche und brauchten es nicht auszusprechen. Beide waren davon überzeugt, dass die Frau sie zu Larradana führen würde. Prandorak schickte nach einem der ihm unterstellten Boten. Diesem befahl er, die von der Replica gerettete Frau zu überwachen und ihm sofort Bescheid zu geben, sobald sie ihr Haus mit Opfergaben verlassen würde.

      Bereits am nächsten Morgen war es soweit. Der von Prandorak ausgesandte Bote berichtete, dass sich die Frau mit ihrem Korb zur Trellinda-Höhle aufgemacht hatte. Der Herold und der Eisgraf schlangen die Reste ihres Frühstücks hinunter und brachen dann ebenfalls auf.

      Ihr Weg führte sie über den steinigen Sordas-Rücken, der in einer windgeschützten Lage von hohen Gipfeln einiger gewaltiger Bergmassive umgeben war. Sie kamen immer wieder an ausgewaschenen Felsmulden vorbei, in denen sich knorrige Krüppelbäume, die winzigen, gelben Lederblümchen und das harte, blaue Sefirgras angesiedelt hatten. Ansonsten gab es außer Moosen und Flechten in dieser Höhe kaum Vegetation. Am Ende einer zweistündigen Wanderung erreichten Sestor und Prandorak schließlich die Kante des Bergkamms. Nach einem kurzen Abstieg gelangten sie zum Eingang der einsamen, weit von den bevölkerten Höhlen entfernt liegenden Trellinda-Kaverne.

      Gedankenschnell duckten sich beide Männer hinter einem Geröllbrocken. Gerade stand die Zogh-Frau im Begriff, die Höhle zu verlassen. Nachdem sie sich außer Sichtweite befand, betraten Sestor und Prandorak die Höhle. Sie war nicht besonders groß, ihr Erscheinungsbild dagegen außergewöhnlich. Auf der rechten Seite verlief eine Felsrampe, wie ein breiter Weg mit einer Brüstung, bis fast zur Höhlendecke. Dort endete die Rampe unvermittelt vor der gewachsenen Wand. In der linken, hinteren Ecke hatte sich aus dem Gestein eine balkonartige Galerie ausgebildet, die nahezu künstlich wirkte. Graue Adern durchzogen die im Licht der einfallenden Sonne glitzernden Wände.

      „Ilumit und Bergkristalle“, murmelte Sestor.

      Den Korb mit den „Opfergaben“, den die Zogh im hinteren Teil der Höhle abgestellt hatte, fanden die beiden Männer unberührt vor.

      Sie näherten sich dem Korb und stellten fest,