Splitter einer vergangenen Zukunft. Eckhard Bausch

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Название Splitter einer vergangenen Zukunft
Автор произведения Eckhard Bausch
Жанр Языкознание
Серия Die Dunstein-Chroniken
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783947721214



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ihm den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen. Er besorgte ihm alle gewünschten Speisen und Getränke, soweit dies in seiner Macht stand. Wenn er nicht gerade zur See fuhr, leistete er ihm oft stundenlang Gesellschaft. Dennoch kam es nie zu einem wirklich tiefgründigen Gespräch – nicht bis zu diesem Abend.

      „Es geht Ihnen nicht um ein Lösegeld“, behauptete Xaranth. „Das erzählen Sie nur, weil Ihre Mannschaft das hören will.“

      „Wie kommen Sie auf diese Idee?“, fragte Jalbik Gisildawain, scheinbar verwundert.

      „Nur Menschen streben nach Reichtum“, erwiderte der Bewacher der Gruft. „Sie sind aber keine menschliche Lebensform. In all den Monaten meiner Gefangenschaft und unserer Begegnungen habe ich Ihr Verhalten sorgfältig studiert. Sogar Ihre Augen sind anders als diejenigen der Menschen.“

      Es trat eine lange Pause ein. Dann sagte Jalbik Gisildawain: „Sie irren sich zumindest in einem Punkt. Vor Ihnen steht tatsächlich ein Mensch. Nur spricht nicht er zu Ihnen, sondern ich.“

      Aus der Brusttasche des Freibeuters krabbelte ein kleines, schwarzes, raupenartiges Wesen. „Die Obesier nennen uns Mon’ghale“, fuhr der Kapitän fort. „Ich nehme an, Sie wollen mir einen Handel vorschlagen.“

      „Dazu müsste ich zuerst einmal wissen, womit ich Ihnen überhaupt helfen kann“, belehrte Xaranth mit seiner unangenehm sägenden Stimme den Mon’ghal.

      „Für die Fortpflanzung unseres Volkes ist eine Ovaria erforderlich, eine Stammmutter“, erklärte der Mon’ghal durch den Mund des Kapitäns. „Die Gute Mutter in Obesien wurde von einer Eisgräfin getötet. Jetzt gibt es nur noch eine schlummernde Ovaria. Sie ist die Einzige, die den Fortbestand meines Volkes sichern könnte. In Obesien befindet sie sich jedoch in großer Gefahr. Sie muss in Sicherheit gebracht werden.“

      Xaranth steckte in einem Dilemma. Solange er die Salastra trug, war es ihm verboten gewesen, Tätigkeiten zu übernehmen, die nicht mit der Bewachung der Gruft und der Goldenen Pforte in Zusammenhang standen. Er hatte nicht die leiseste Ahnung, ob sich daran nun etwas geändert hatte. Dagegen wusste er mit tödlicher Sicherheit, dass er auf keinen Fall einen Fehler begehen durfte. Es gab Mächte in dieser Welt, gegen die selbst ein Bewacher der Gruft völlig hilflos war. Durch seinen Schwur hatte er sich diesen Mächten ausgeliefert, auch wenn er diesen Schwur gebrochen hatte. Es gab weitaus Schlimmeres als dieses Gefängnis.

      „Ich brauche drei Tage Bedenkzeit“, sagte er ungewöhnlich leise.

      Er wusste nicht, wie seine Entscheidung aussehen würde, und dies erfuhr er auch nie. Die Entscheidung wurde ihm kurz vor Ablauf der selbst gesetzten Frist abgenommen.

      *

      Die Erregung des Rektors steigerte sich noch mehr als er den Eindruck gewann, dass bei diesem Angriff die Waffen einer Frau sehr gezielt eingesetzt wurden. Und das auch noch von zwei Frauen. Es fiel ihm schwer, seinen Blick von den lasziv übergeschlagenen Beinen seiner beiden Besucherinnen loszureißen. Die ohnehin kurzen Kittel waren im Verlauf des Gesprächs bis zum Ansatz der Oberschenkel hochgerutscht. Was als harmloser Versuch begonnen hatte, die Überzeugungsbildung des Gesprächspartners zu beeinflussen, schien nun in einen Wettbewerb zu münden. Spätestens als auf den markant männlichen Zügen des ebenso charmanten wie gebildeten Rektors dieses gewinnende Lächeln erschien, statt eines lüsternen Grinsens, wurde den Zwillingen erstmals in ihrem Leben bewusst, dass dieses eine Exemplar nicht für zwei Frauen ausreichen würde.

      Den Rektor seinerseits plagte das gegenteilige Problem. Es wollte ihm einfach nicht gelingen, sich auf einen Teil dieses äußerst attraktiven Duos festzulegen.

      „Man hat mich gegen meinen Willen zu einer Symbolfigur erhoben“, erklärte er zaudernd. „Wenn ich jetzt nach Modonos ginge, könnte dies den zerbrechlichen Frieden im Osten und auch den Zusammenhalt des Ordens gefährden.“

      Die Zwillinge verständigten sich durch einen kurzen Blick. Dann sprach Teralura.

      „Es wäre ja nur vorübergehend“, sagte sie mit einschmeichelnder Stimme. „Bis Sie zu einem Abschluss Ihrer Studien gekommen sind.“

      „Wenn Roxolays Annahmen zutreffen, werden aber sehr gründliche und langwierige Studien erforderlich sein“, gab Zyrkol zu bedenken. „Man müsste dann versuchen, sämtliche Stellen aufzuspüren, die in den alten Schriften verändert wurden. Die Nachforschungen sollten sich vielleicht nicht nur auf das „Buch der Vorzeit“ beschränken.“

      „Aber wer außer Ihnen sollte hierzu imstande sein?“, hielt Orhalura ihm vor. „Sie sind der belesenste Mann des Ordens. Nachdem die Originale verschwunden sind, könnte folglich keiner so viele Ungereimtheiten feststellen wie Sie.“

      „Haben Sie auch daran gedacht, dass man versuchen wird, mich in die internen Auseinandersetzungen des Ordens hineinzuziehen?“, fragte Zyrkol. „Wenn sich tatsächlich herausstellen sollte, dass Ulban tot oder verschwunden ist, wird es ein Gerangel um das Amt des Höchsten Priesters geben. Ich bin nicht bereit, mich an solchen Auseinandersetzungen zu beteiligen.“ Tief in seinem Inneren wusste der Rektor jedoch, dass dies nicht der Wahrheit entsprach. Er, der immer nach einer Erneuerung des Ordens gestrebt hatte, würde nur allzu gerne bereit sein, eine tragende Rolle in diesen Intrigen zu übernehmen.

      „Wir werden Sie abschirmen“, beteuerten die Zwillinge wie aus einem Mund und setzten ihr süßestes und verführerischstes Lächeln auf. Zyrkol atmete tief durch: „Glauben Sie wirklich, dass ich mich dann noch mit der notwendigen Aufmerksamkeit der Aufgabe widmen könnte, die Roxolay mir zugedacht hat?“

      Zur gleichen Zeit, als sein Name in Dunculbur ausgesprochen wurde, fasste der Meister der Todeszeremonie in seinem kleinen, unscheinbaren Haus am nördlichen Stadtrand von Modonos einen folgenschweren Entschluss. Er war kein Mann, der tatenlos herumsitzen und warten konnte. Ein erneutes Eindringen in die Rotunde schien derzeit nicht denkbar. Nach dem Verschwinden Ulbans herrschte auf den Gängen des Inneren Zirkels ein hektisches Treiben. Verschiedene Interessengruppen hatten bereits begonnen, über Bündnisse zur Besetzung seines angeblich vakanten Postens zu verhandeln. Gerade Roxolay hätte sich nicht auf den Korridoren um die Rotunde herumtreiben können, ohne bemerkt und ständig angesprochen zu werden. Deshalb beschloss er, sich zu einem anderen Ort zu begeben, einem Ort, dessen frühere Bedeutung ebenso wie diejenige der Rotunde durch eine Fälschung aus dem kollektiven Gedächtnis der Menschheit gelöscht werden sollte: Derfat Timbris.

      *

      Trotz seiner beträchtlichen Leibesfülle und Körpermasse bewegte sich der Ureinwohner wie ein schlanker, pfeilschneller Fisch unterhalb der Wasseroberfläche des gewaltigen Lumbur-Stromes auf das gegenüberliegende Ufer zu. Seitlich versetzt zu den Brücken, die die Inseln miteinander verbanden, schwamm Mulmok bis er die letzte Insel erreicht hatte. Von dieser Insel aus konnte man deutlich das „Tor zu Lumburia“ sehen, zwei Felsnadeln, die selbst die hohen Bäume des umliegenden Regenwaldes überragten.

      Er wusste, dass jetzt der schwierigste Teil seines Vorhabens begonnen hatte. Von der letzten Insel aus gab es keine Brücke zum lumburischen Ufer. Früher konnte man dieses Ufer durch eine Fähre erreichen. Diese war jedoch inzwischen längst stillgelegt worden. Obwohl sich die Fähre nicht mehr in Betrieb befand, zweifelte Mulmok nicht daran, dass irgendwo in der Nähe der ehemaligen Anlegestelle der Fährmann lauerte. Sicherlich übte er nunmehr die Tätigkeit eines Wächters aus.

      Jedes ungewohnte Geräusch, jede außergewöhnliche Wellenbewegung, konnte verräterisch sein. Mit äußerster Vorsicht näherte sich Mulmok der Rückseite der kleinen Insel, die von der Anlegestelle aus nicht einsehbar war. Behutsam, jeden unnötigen Schwung vermeidend, ließ er sich mehr auf die Sandbank gleiten, als dass er seinen Körper gezielt bewegte.

      Mulmok befand sich im Klaren darüber, dass er einen Tabubruch beging, dessen Notwendigkeit er selbst verschuldet hatte. Wieso hatte er nicht bemerkt oder sogar unwissentlich zugelassen, dass Korvinag den Wanderstab Qaromars nach Lumburia zurückgebracht hatte? Während des Kampfes gegen die Weiße Frau in Rabenstein war der Einsiedler klammheimlich verschwunden, um ein törichtes Versprechen einzulösen. Nun musste Mulmok in ein Land eindringen, zu dem man ihm den Zutritt verboten hatte, ohne