Die Klinik am See Staffel 2 – Arztroman. Britta Winckler

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Название Die Klinik am See Staffel 2 – Arztroman
Автор произведения Britta Winckler
Жанр Языкознание
Серия Die Klinik am See Staffel
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740939724



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wie er war, hob er die Frau aus dem Boot und trug sie in seinen Armen zur Klinik hinüber. Keuchend vor Anstrengung überquerte er die Terrasse, verfolgt von den neugierigen und teilweise entsetzten Blicken einiger Patientinnen, und verschwand im Innern der Klinik.

      »Ein Notfall«, rief er einer ihm über den Weg laufenden Schwester zu. »Rufen Sie den diensthabenden Arzt! Ich bringe die Patientin in die Notaufnahme.«

      »Ja, Herr Doktor…«

      Dr. Bernau hörte es schon nicht mehr.

      *

      Dr. Lindau war auf dem Weg zum OP-Trakt, als ihm von dort seine Stellvertreterin Anja Westphal entgegenkam. »Kommst du aus dem OP, Anja?« fragte er.

      »Ja«, antwortete die Ärztin. »Wir haben eben die Frau des Bürgermeisters von ihren Zysten befreit. Dr. Hoff und Dr. Reichel kümmern sich jetzt um sie.«

      »Alles klar?« wollte der Chefarzt wissen.

      Die Ärztin nickte. »In zwei bis drei Tagen kann sie in häusliche Pflege entlassen werden.« Forschend sah sie den Klinikchef an. »Ärger?« fragte sie leise.

      »Wie kommst du darauf?« gab Dr. Lindau leicht verwundert zurück.

      »Weil deine Miene nicht gerade fröhlich ist…«

      »Nun ja…« Dr. Lindau zögerte kurz. Doch dann berichtete er mit knappen Worten von dem Gespräch mit dem Bauunternehmer Strasser. »Ich war nahe daran, ihn hinauswerfen zu lassen«, schloß er.

      »Eine Indikation gegen den Verzicht auf das geplante Feriencenter«, murmelte die Ärztin. »Allerhand«, fuhr sie fort. »Der Mann muß mächtig in der Klemme sitzen, wenn er dir so ein Angebot macht.«

      »Ich habe selbstverständlich abgelehnt«, ergriff Dr. Lindau wieder das Wort. »Erpressen lasse ich mich schon gar nicht, auch wenn dadurch das Problem gelöst werden könnte.«

      Dr. Anja Westphal konnte sich gut vorstellen, wie schwer es dem Chef wahrscheinlich geworden war, bei seiner Ablehnung zu bleiben. Sie wollte noch etwas sagen, verschluckte es aber, weil in diesem Augenblick der Ruf nach dem diensthabenden Arzt oder nach dem Chefarzt durch den Lautsprecher kam. »… ein Notfall, in der Aufnahme. Bitte, der diensthabende Arzt oder der…«

      Das weitere hörten Dr. Lindau und seine Kollegin schon nicht mehr. Ohne noch ein Wort miteinander zu wechseln, liefen sie zum Aufzug und fuhren hinunter ins Erdgeschoß.

      Als sie die Notaufnahme betraten, war Dr. Bernau gemeinsam mit Dr. Köhler dabei, eine schwarzhaarige junge Frau, die auf dem Untersuchungstisch lag und von zwei Schwestern entkleidet wurde, zu untersuchen.

      »Unfall?« fragte Dr. Lindau und trat näher. Verdutzt schaute er auf die mit geschlossenen Augen daliegende Patientin. »Aber das ist doch…« Er sprach nicht weiter, verlangte aber Aufklärung. Verwundert registrierte er dabei die nasse Kleidung Dr. Bernaus. »Was ist denn mit Ihnen los?« fragte er. »Waren Sie baden?«

      »Ich habe die Frau aus dem See geholt«, erwiderte Dr. Bernau und berichtete mit knappen Worten. Er verschwieg natürlich nicht, was er beobachtet hatte. »Unfall?« stieß er hervor. »Ich würde es anders nennen.«

      »Ich verstehe«, sagte Dr. Lindau. »Ein Motiv hätte Herr Strasser schon. Diese Frau ist nämlich schwanger, und Herr Strasser hat mir noch vor einer knappen halben Stunde wegen einer Indikation zugesetzt.«

      »Ich befürchte innere Verletzungen«, meldete sich die Ärztin, die sich der von Dr. Köhler begonnenen Untersuchung angeschlossen hatte. »Deutliche Drucksymptome am rechten Unterbauch.«

      Dr. Lindau schrak zusammen. »Die Frau ist im dritten Monat schwanger«, erklärte er. »Es könnten Blutungen vorhanden sein.«

      Anja Westphal zuckte unmerklich zusammen und reagierte sofort auf die Worte des Chefarztes. »Sofort hinauf in den OP!« befahl sie. »Ultraschalluntersuchung und eventuell eine Spiegelung. Rasch! Ich fahre schon nach oben.«

      »Ich komme mit«, rief Dr. Lindau und schloß sich der schon vorausgehenden Ärztin an. An der Tür drehte er sich noch einmal kurz um. »Sie, Herr Bernau, ziehen sich aber schleunigst trockene Kleidung an! In einer halben Stunde möchte ich Sie bei mir im Büro sehen.«

      »In Ordnung«, erwiderte Dr. Bernau. Doch das hörte der Chefarzt schon nicht mehr. Dr. Bernau zuckte mit den Schultern und machte, daß er weg kam, denn er fühlte sich nicht gerade sehr wohl in seinen nassen Sachen. In der Halle stieß er fast mit Andreas Strasser zusammen.

      »Was ist mit Gisela, Herr Doktor?« fragte der aufgeregt. »Lebt sie noch?«

      Dr. Bernau bedachte den Bauunternehmer mit einem schon fast verächtlichen Blick. »Die Frau lebt, aber was für Folgen sich aus dem Sturz und dem Wasserbad ergeben haben, werden wir erst nach der genauen Untersuchung wissen«, erklärte er. »Sie entschuldigen mich jetzt. Warten Sie bitte im Wartezimmer, wenn Sie Genaueres vom Chefarzt wissen wollen!« Mit weit ausgreifenden Schritten entfernte er sich und ließ den nervösen Bauunternehmer aus München mit seinen schweren Gedanken allein zurück.

      *

      Dr. Anja Westphal schaltete das Ultraschallgerät aus und drehte sich zu Dr. Lindau um. »Tut mir leid«, sagte sie. »Der Sturz hat bei der Patientin nicht nur Uterus-Blutungen hervorgerufen, sondern auch den Embryo getötet.«

      »Das habe ich befürchtet«, stieß Dr. Lindau hervor. »Also dann wollen wir mal«, setzte er hinzu.

      »Ausschabung?« fragte die Ärztin.

      Dr. Lindau nickte. »Und zwar rasch, ehe die Blutungen sich ausdehnen. Denn dann wird es unter Umständen kritisch.«

      »Ich übernehme das«, erklärte die Ärztin und gab sofort einige Anweisungen an die beiden OP-Schwestern. »Ich werde absaugen«, erklärte sie.

      »Soll ich Dr. Reichel holen?« fragte die Schwester. Sie meinte den Narkosearzt.

      »Nicht nötig«, übernahm Dr. Lindau die Antwort. »Die Patientin ist am Beginn des dritten Schwangerschaftsmonats. Wir brauchen keine Vollnarkose. Dämmerschlaf genügt.«

      »Das wollte ich eben auch sagen«, stimmte Anja Westphal dem Chefarzt zu.

      »Du schaffst das allein?« Fragend sah Dr. Lindau die Kollegin an.

      Die nickte nur.

      »Gut, dann gehe ich in mein Büro, denn ich habe Herrn Bernau, den Retter dieser Frau, zu mir gebeten«, erklärte Dr. Lindau. »Sein Bericht interessiert mich jetzt besonders stark, weil der Schuldtragende nach seinen Beobachtungen ausgerechnet der Mann ist, der unsere Ruhe mit seinem Ferienprojekt stören will.«

      Verwundert sah Anja Westphal den Chefarzt an, stellte jedoch keine Fragen.

      Dr. Lindau hätte solche jetzt auch gar nicht beantworten können, weil er sie nicht wußte. Nur eine plötzliche intuitive Eingebung war es, ganz vage nur, die ihm das Gefühl vermittelte, aufgrund dieses Unfalls noch einmal mit diesem Bauunternehmer aus München einige ernste Worte zu reden. Dr. Lindau hätte allerdings auf Befragen nicht erklären können, was er sich davon versprach.

      Er murmelte etwas, was wie ein Gruß klang, und verließ den OP. Auf dem Weg zu seinem Büro überlegte er sich, wie und was er mit diesem Strasser reden sollte. Als er wenig später sein Zimmer betrat, in dem Dr. Bernau bereits seit wenigen Minuten wartete, hatte er einen Entschluß gefaßt. Eine Art Plan war es, der zwar etwas unseriös war, aber von dem er hoffte, daß er damit einiges erreichen konnte, soweit es die Interessen der Klinik betraf.

      *

      Voller Interesse hörte sich Dr. Lindau den nun etwas ausführlicheren Bericht Dr. Bernaus an. Zwischendurch machte er sich einige kurze Notizen.

      »Sie haben also gesehen, daß Herr Strasser handgreiflich geworden ist?« vergewisserte er sich noch einmal, als Dr. Bernau seinen Bericht beendet hatte.

      »Nun, jedenfalls war der Mann sehr rabiat der Frau gegenüber«, erwiderte Dr. Bernau. »Das habe ich sehr deutlich gesehen.« Er behielt für sich, daß auch Vera