Die Klinik am See Staffel 2 – Arztroman. Britta Winckler

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Название Die Klinik am See Staffel 2 – Arztroman
Автор произведения Britta Winckler
Жанр Языкознание
Серия Die Klinik am See Staffel
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740939724



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weiter in Richtung Kantine.

      *

      Ein ungutes Gefühl überkam An­dreas Strasser, als er dem Chefarzt der Klinik am See gegenübersaß und dessen ernste Miene sah. In seinen Augen war ein unruhiges Flackern. »Was ist mit Frau Karner, Herr Doktor?« konnte er schließlich die Frage nicht mehr zurückhalten.

      Dr. Lindau blickte von seinen Notizen hoch. Sein Blick, mit dem er den vor ihm sitzenden Bauunternehmer betrachtete, war kühl. Vor zwei Minuten hatte die Kollegin Westphal vom OP angerufen und ihm gemeldet, daß Gisela Karner außer Gefahr, die Schwangerschaft unterbrochen und die Uterusblutung gestoppt sei. Lediglich eine Schwellung der inneren Unterbauchdecke, hervorgerufen durch den Aufprall auf der Ruderstange, war noch vorhanden, würde aber durch entsprechende Behandlung sehr bald abklingen. »Sie können zufrieden sein, Herr Strasser«, ging Dr. Lindau auf die Frage des Bauunternehmers ein. »Sie haben Ihr Ziel erreicht.«

      »Mein Ziel? Wie darf ich das verstehen?« fragte Andreas Strasser irritiert.

      »Nun, ich erinnere mich, daß Sie noch vor etwa einer Stunde eine Abtreibung verlangten«, gab Dr. Lindau kühl zurück. »Die ist nun geschehen. Frau Karner wird nicht Mutter werden.«

      »Ist das wahr?« Andreas Strasser atmete erleichtert auf. In seinen Augen zeigte sich ein triumphierender Glanz.

      »Es ist so«, bestätigte der Chefarzt.

      »Sie haben also doch…«

      »Stop, Herr Strasser«, fiel Dr. Lindau dem Mann scharf ins Wort. »Weder ich noch einer meiner Ärzte haben dazu beigetragen, daß Frau Karner nicht mehr schwanger ist. Sie haben das getan.«

      »Ich? Wie kommen Sie auf so etwas?« Ungläubig starrte Andreas Strasser den Chefarzt an. »Das ist doch wohl ein Scherz.«

      »Damit scherzt man nicht«, erklärte Dr. Lindau. »Die Schuld an diesem… hm… Schwangerschaftsabbruch tragen Sie. Ich will dahingestellt sein lassen, ob Ihr tätlicher Angriff auf Frau Karner beabsichtigt oder unbeabsichtigt war. Auf jeden Fall hatte er die Tötung des noch ungeborenen Lebens zur Folge.«

      »Aber das ist doch Irrsinn, was Sie da sagen, Herr Doktor«, brauste An­dreas Strasser auf. Heiß und kalt überlief es ihn. »Das ganze war ein unglücklicher Zufall«, fuhr er fort. »Von einem tätlichen Angriff, wie Sie es formulieren, kann doch wohl kaum die Rede sein.«

      »Mein Kollege Dr. Bernau ist da anderer Meinung«, widersprach Dr. Lindau, »und nach dem, was er mir berichtet hat, kann ich ihm nur beipflichten.«

      »Wer zum Teufel ist Dr. Bernau und wie kommt er dazu, so etwas zu behaupten?« regte sich Andreas Strasser auf.

      »Das ist der Mann, der Frau Karner aus dem Wasser geholt hat«, erklärte Dr. Lindau. »Er hat alles vom Ufer her beobachtet, und ich bin sicher, daß er seine Beobachtungen auch unter Eid aussagen würde.«

      Andreas Strasser zuckte zusammen. Seine Gesicht wurde zuerst dunkelrot, wechselte dann aber sofort in eine fahle Blässe über. »Weshalb sollte ich Gisela… ähm… Frau Karner tätlich angreifen?« stieß er ächzend hervor.

      »Nun, ein Motiv hätten Sie ja gehabt«, begann Dr. Lindau, seine Trümpfe auszuspielen. »Sie wollten eine Abtreibung bei Frau Karner, weil sonst sicherlich enorme Schwierigkeiten auf Sie zugekommen wären. Frau Karner dagegen wollte das Kind austragen. Haben Sie unser Gespräch vor einer guten Stunde hier in diesem Raum etwa schon vergessen?«

      »Nein, natürlich nicht«, räumte Andreas Strasser mit heiserer Stimme ein. »Ich gebe ja auch zu, daß ich mit Gisela gestritten habe und daß ich etwas unbeherrscht war. Aber das war dann ein Unfall, den ich nicht gewollt habe. Das müssen Sie mir schon glauben, Herr Doktor.«

      »Was ich Ihnen glaube oder nicht glaube, Herr Strasser, das spielt keine große Rolle«, entgegnete Dr. Lindau mit Betonung. »Ich halte mich als Arzt nur an erkennbare Tatsachen. In diesem Fall…«, fuhr er fort, »… hat die Untersuchung ergeben, daß der Abort, der ja von Ihnen gewünscht worden war, durch Gewalteinwirkung hervorgerufen wurde. Wie und wodurch eine solche Gewalteinwirkung entstanden ist…« Er zuckte mit den Schultern. »Das müssen andere feststellen und beurteilen.« Gespannt wartete er auf die Reaktion des Bauunternehmers auf seine Erklärungen, von denen er natürlich wußte, daß sie doch ein wenig aufgebauscht waren. Doch das belastete ihn in diesen Augenblicken kaum, verfolgte er damit doch eine bestimmte Absicht. Der Zweck heiligte eben die Mittel, rechtfertigte er sein Vorgehen. Fraglich war dabei noch immer, ob ihm dadurch ein Erfolg beschieden sein würde. Er hoffte aber, daß dieser Mann, so wie er ihn einschätzte, seinen vagen Vorstellungen entsprechend reagierte.

      Dr. Lindau sollte sich nicht geirrt haben.

      »Was heißt, andere müssen das beurteilen?« begehrte Andreas Strasser auf. »Wollen Sie diesen kleinen Unfall etwa an die große Glocke hängen?«

      Dr. Lindau behielt die Ruhe. »Ein kleiner Unfall, der allerdings die Tötung eines Ungeborenen zur Folge hatte«, wiederholte er. »Für Sie ist das vielleicht eine Bagatelle. Doch ich meine, daß Tötung eine ernste Sache ist – ob nun ein Erwachsener oder ein Kind oder ein noch ungeborenes Leben davon betroffen wird. An die große Glocke werde ich diesen Fall natürlich nicht hängen, wie Sie sich ausdrücken. Ich werde es nur weitermelden an die zuständige Behörde. Das werden Sie sicher verstehen, Herr Strasser.« Daß er in diesem Fall zu einer Meldung gar nicht verpflichtet war, behielt er für sich. Er konnte jetzt nur hoffen, daß Andreas Strasser das nicht wußte und auf seine Worte einging, so wie er sich das insgeheim wünschte. Natürlich war ihm klar, daß seine Art des Vorgehens schon fast einer Erpressung gleichkam. Doch es ging ihm jetzt ja nur darum, den Bauunternehmer ein wenig in die Enge zu treiben, in der stillen Hoffnung, ihn damit zu Zugeständnisse hinsichtlich eines Verzichtes auf das geplante Feriencenter zu verleiten. Er hatte schon längst erkannt, daß dieser Mann eine enorme Angst vor irgendwelchen Skandalen hatte. Die Vermutung lag sehr nahe, daß Andreas Strasser vor allem aber die Reaktion seiner Frau fürchtete, wenn diese von seinem Seitensprung erfuhr. Dr. Lindau kombinierte, daß der Bauunternehmer in einer gewissen Abhängigkeit zu seiner Frau stand, vor der er seine Beziehung zu Gisela Karner auf jeden Fall geheimhalten wollte und wahrscheinlich auch mußte.

      »Sie… Sie… wollen das melden?« unterbrach Andreas Strasser die kurzen Überlegungen des Chefarztes. Fassungslos starrte er den Klinikleiter an. »Das… das… gibt eine Katastrophe.«

      »Nun, so schlimm wird es wohl nicht werden, Herr Strasser«, entgegnete Dr. Lindau. »Sie werden sicherlich erklären können, wie es zu diesem… hm… ungewollten… Unfall kam.«

      »Das ist es nicht, Herr Doktor«, kam es gepreßt über Andreas Strassers Lippen. »Diesen Punkt würde ich wahrscheinlich entschärfen können. Aber ich denke an meine Frau, an ihre Reaktion, wenn sie das alles hört. Und sie wird es erfahren, wenn Sie Meldung machen.«

      In Dr. Lindaus Augen blitzte es kurz auf. Sein Plan schien zu gelingen. Andreas Strassers Reaktion auf seine Worte bewiesen das. »Tja, Herr Strasser, das ist nun Ihr Problem«, sagte er. Fragend blickte er den Bauunternehmer an, der nun gar nicht mehr so selbstbewußt und hochfahrend war wie noch vor wenigen Stunden. »Ich verstehe nur nicht, was Ihre Frau mit alldem zu tun hat.« Natürlich wußte er das, konnte es sich zumindest denken.

      Andreas Strasser kämpfte mit sich. »Also schön, dann will ich offen sein«, stieß er hervor. »Sicher haben Sie schon mitbekommen, daß Frau Karner meine Freundin ist, von der meine Frau natürlich nichts weiß«, fuhr er fort. »Erfährt sie aber davon, dann läßt sie sich sofort scheiden, und ich stehe mit leeren Händen da, denn die Firma gehört ihr und damit auch das Firmenvermögen.«

      »Ich verstehe«, erwiderte Dr. Lindau.

      »Deshalb muß ich diese Angelegenheit im stillen ordnen«, ergriff An­dreas Strasser wieder das Wort. »Es darf keine Meldung geben, Herr Doktor.« Diese letzten Worte klangen nicht fordernd; sie waren schon fast bittend hervorgestoßen.

      »Sie stellen sich das einfach vor«, gab Dr. Lindau zurück.

      »Nennen Sie mir Ihren Preis, Herr Doktor!« wurde Andreas Strasser nun direkt. »Ich