Die Klinik am See Staffel 2 – Arztroman. Britta Winckler

Читать онлайн.
Название Die Klinik am See Staffel 2 – Arztroman
Автор произведения Britta Winckler
Жанр Языкознание
Серия Die Klinik am See Staffel
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740939724



Скачать книгу

ihr das Leben so angenehm wie möglich zu gestalten.«

      Verwundert sah Dr. Lindau den Kollegen Bernau an. »Was hat denn die Frau des Bürgermeisters mit dieser Sache zu tun?« fragte er. »Was fehlt der Dame eigentlich?«

      »Ovarialzysten«, übernahm Anja Westphal die Antwort. »Wir haben Frau Hofstätter für übermorgen zur Operation eingeplant.«

      »Schön und gut«, meinte Dr. Lindau und blickte wieder zu Dr. Bernau hin. »Trotzdem verstehe ich Ihre Bemerkung nicht. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie uns aufklären würden.«

      Wieder zögerte Dr. Bernau ein wenig, gab sich dann aber einen Ruck und sagte: »Ich gehe davon aus, daß es am Bürgermeister liegt, ob er den Grund und Boden da unten am See verkauft oder nicht. Er ist es also, der durch ein NEIN mit einem Schlag alle Probleme lösen könnte. Richtig?« fragte er und sah sich im Kreise um.

      Zustimmendes Gemurmel erklang von allen Seiten.

      »Nun haben wir von Frau Dr. Westphal gehört, daß er sich bockig stellt«, fuhr Dr. Bernau in seinen Erklärungen fort. »Vielleicht könnte man ihn zum Umschwenken bewegen, wenn man ihn ein wenig unter Druck setzte.«

      »Wie dürfen wir das verstehen – unter Druck setzen?« fragte Dr. Lindau verdutzt. Er verstand immer noch nicht, worauf Dr. Bernau hinauswollte.

      »Na, man könnte ihm zum Beispiel zu verstehen geben, daß für seine Frau in unserer Klinik kein Platz ist, daß sie, obwohl eine Dringlichkeit zur Operation vorliegt, deren Verschiebung mit gewissen Risiken verbunden ist, sich einen Platz in einer anderen Klinik suchen müßte. In München zum Beispiel«, fügte Dr. Bernau seinen Worten hinzu. »Es dürfte auch nicht schwierig sein, dem Bürgermeister klarzumachen, daß in einer anderen Klinik möglicherweise nicht so rasch ein Eingriff vorgenommen werden kann, wie er im Interesse der Gesundung der Patientin notwendig wäre.«

      Sekundenlang war Schweigen im Raum, als Dr. Bernau geendet hatte. Ein etwas betretenes Schweigen war es. Dr. Lindau unterbrach es schließlich. »Verehrter Herr Bernau, wir alle wissen, daß Sie ebenso wie wir die Interessen unserer Klinik im Auge haben«, sagte er, und seine Stimme hatte einen energischen Klang. »Doch das, was Sie eben von sich gegeben haben, vergessen Sie bitte sehr schnell! So geht das nicht. Ich will Ihren Vorschlag nicht gehört haben. Wir sind Ärzte und haben Verpflichtungen gegenüber den Patienten, die sich uns anvertrauen, und Frau Hofstätter hat sich uns anvertraut. Da spielt es keine Rolle, ob ihr Mann, der Bürgermeister, gegen uns ist oder nicht. Ich hoffe, ich habe mich jetzt deutlich genug ausgedrückt, und Sie haben mich verstanden.«

      Dr. Bernau wurde sichtlich verlegen.

      Sein Gesicht überzog sich mit dunkler Röte bei dieser unmißverständlichen Rüge des Chefarztes. »Ich bitte um Entschuldigung«, stieß er hervor, »aber ich meinte ja nur, daß…«

      »Ich weiß, was Sie meinen«, fiel Dr. Lindau dem jüngeren Kollegen ins Wort. »Aber wie ich schon sagte – vergessen Sie es!« Er wandte sich an die übrigen Anwesenden. »Sie bitte auch!«

      »Ist schon geschehen«, versicherte Dr. Hoff und vertrat damit auch die Ansicht seiner Kollegen.

      »So, Herrschaften…« Dr. Lindau erhob sich, »… Schluß mit der Debatte. Ich fahre jetzt anschließend zum Bürgermeister, und Sie nehmen am besten wieder Ihren Dienst auf.« Er nickte allen freundlich und ging.

      *

      Über eine Stunde war Andreas Strasser unterwegs gewesen. Hin und her hatte er überlegt, wie er diese neue Situation unbeschadet überstehen konnte. Nur einen Ausweg sah er: Gisela mußte sich das Kind wegmachen lassen, und zwar allerschnellstens. Es mußte ihm einfach gelingen, Gisela dazu zu überreden. Dazu war er nun fest entschlossen, als er den GOLDENEN OCHSEN betrat und Sekunden später im Hotelzimmer­ seiner Freundin und Geliebten gegen­überstand.

      »Nun, Andreas?« Nur diese einzige Frage kam über die Lippen der schwarzhaarigen jungen Frau.

      »Tja, Gisela, ich habe nachgedacht«, erwiderte der Bauunternehmer. Er gab sich Mühe, beherrscht zu bleiben. »Es gibt nur eine Lösung unseres augenblicklichen Problems – du mußt das Kind wegmachen lassen, ehe es zu spät ist.«

      »Wenn ich mich aber weigere?« gab Gisela Karner fragend zurück. »Wenn ich das Kind haben möchte? Was dann?«

      Andreas Strasser zuckte zusammen. In seinen Augen trat plötzlich ein harter glitzernder Ausdruck. »Dann würde das nicht zu deinem Vorteil sein«, stieß er hervor. »Aus Gründen, die du ja kennst, wäre es mir unmöglich, mich als Vater zu bekennen«, fuhr er fort. »Außerdem würde ich unsere Beziehung sofort beenden. Was das für finanzielle Nachteile für dich hätte, kannst du dir vielleicht vorstellen.«

      »Soll das eine Drohung sein, An­dreas?« fragte die Frau, die in der vergangenen Stunde ohnehin den Entschluß gefaßt hatte, sich von Andreas zu trennen. Sie hatte es satt, noch länger nur die Freundin dieses Mannes zu sein und im Hintergrund stehend sich seinen Wünschen zu fügen. Sein Verhalten ihr gegenüber, seit er wußte, daß sie ein Kind von ihm erwartete, zeigte ihr nur zu klar, daß sie die Hoffnung begraben konnte, jemals seine Frau zu werden.

      »Es bleibt dir überlassen, wie du das auffaßt, Gisela«, erwiderte An­dreas Strasser, der nun die Maske des Biedermanns fallen ließ. Ihm ging es jetzt nur noch darum, untadelig vor seiner Frau dazustehen, um nicht alles aufgeben zu müssen, was ihm bisher das Leben angenehm gemacht hatte. »Ich will dir nur vor Augen halten, was dich als Mutter eines unehelichen Kindes, dessen Vaterschaft ich in jedem Fall abstreiten würde, erwartet. Unsere Wege würden sich trennen, und niemand auf der Welt wird mir nachweisen können, daß ich mit dir im Bett gewesen bin. Auch wenn du das hundertmal behaupten würdest.«

      »Du bist ein Schuft, Andreas«, fuhr Gisela Karner auf. Sie zitterte am ganzen Körper.

      »Möglich, aber mir geht es jetzt um meine Existenz«, gab der Bauunternehmer ungerührt zurück. »Du aber wirst als ledige Mutter einen schweren Stand haben – ohne Geld, ohne Wohnung und… und…«

      »Du willst mir die Wohnung wegnehmen?« Fassungslos sah Gisela ihren Freund an. »Die gehört doch mir.«

      »Irrtum, sie ist mein Eigentum«, berichtigte Andreas Strasser seine Freundin. »Ich habe es schriftlich.«

      »Du… du… hast mich also… angelogen«, schrie Gisela.

      »So würde ich das nicht nennen«, kam die Erwiderung. »Ich habe dir nur etwas verschwiegen.«

      »Du hast mir außerdem versprochen, daß ich eines Tages deine Frau werde«, hielt Gisela dem Mann erregt vor. »Ich hätte doch sonst nie mit dir geschlafen.«

      Andreas Strasser gab darauf keine Antwort. »Du hast jetzt die Wahl«, erklärte er mit schneidendem Klang in der Stimme, »entweder du bist einverstanden, das Kind wegmachen zu lassen und behältst weiter das Appartement zusätzlich einer regelmäßigen angemessenen finanziellen Unterstützung von mir oder du wirst die Mutter eines unehelichen Kindes, das keinen Vater haben wird, und du stehst ohne Wohnung und ohne finanzielle Hilfe von meiner Seite arm wie eine Kirchenmaus da. Als Mutter eines kleines Kindes wirst du wohl kaum so leicht eine Möglichkeit zum Geldverdienen finden. Du wirst es jedenfalls nicht leicht haben.«

      In Gisela Karners Innern bildete sich ein Wust von Empfindungen. Da vermischte sich ein unbändiger Zorn auf Andreas mit der Angst vor einer Zukunft, die nicht rosig aussah. Es meldete sich aber auch ein Gefühl, das sie in einer Art freudiger Erwartung zu dem in ihrem Leib langsam heranwachsenden Baby hinzog. Irgendwie freute sie sich sogar darauf, Mutter zu werden. Doch da war wieder die bittere Realität, sich mit einem Kind ohne feste Unterkunft und ohne jegliche Geldmittel durchs Leben schlagen zu müssen. Gisela wußte, daß das sehr schwer sein würde.

      Hinter ihrer Stirn überschlugen sich die Gedanken und gerieten mehr und mehr ins Chaos.

      Andreas Strasser schien Gedanken lesen zu können. Er erkannte jedenfalls die innere Not Giselas und nutzte sie aus. Mit fast beschwörenden Worten redete er auf sie ein. Erneut hielt er ihr die unbestreitbaren Vorteile eines Aborts vor Augen und schilderte ihr drastisch die Nachteile,