Die Klinik am See Staffel 2 – Arztroman. Britta Winckler

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Название Die Klinik am See Staffel 2 – Arztroman
Автор произведения Britta Winckler
Жанр Языкознание
Серия Die Klinik am See Staffel
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740939724



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Unser Kleiner wird ja bis zwei Uhr von Frau Weitz betreut.«

      »Also dann…« Dr. Lindau öffnete die Tür und ließ seiner Tochter galant den Vortritt. »Ich bin in der Kantine«, rief er der Sekretärin im Vorbeigehen zu und verschwand mit Astrid.

      Seine Stimmung hat sich anscheinend etwas gebessert, dachte Marga Stäuber und nickte zufrieden.

      *

      Die Mittagszeit war gerade vor­über, und die ersten Besucher betraten die Klinik am See. Sie kamen teils zu Fuß aus Auefelden und der näheren Umgebung, teils mit dem Wagen aus weiterer Entfernung und teils mit dem aus Richtung Kreuth kommenden Bus, der bis zum Tegernsee fuhr.

      Mit diesen ersten Besuchern betraten auch Andreas Strasser und seine Freundin Gisela Karner die Klinik: selbstbewußt der erstere, ein wenig ängstlich und verschüchtert die letztere. »Wir möchten zu einem leitenden Arzt«, wandte sich der Bauunternehmer an den Pförtner.

      »Zum Chefarzt?«

      »Meinetwegen«, brummte Andreas Strasser. »Es ist dringend«, setzte er betont hinzu.

      »Ich kann Ihnen nicht sagen, ob Herr Dr. Lindau in seinem Büro ist«, erklärte der Pförtner. »Fragen Sie am besten bei seiner Sekretärin nach!« Mit einigen Worten beschrieb er den Weg zum Zimmer des Chefarztes.

      Fragend sah Marga Stäuber Minuten später die beiden Eintretenden an. »Bitte, Sie wünschen?«

      Andreas Strasser wiederholte sein Verlangen. »Es ist sehr dringend«, setzte er hinzu.

      »Ich werde sehen, ob der Chefarzt da ist.« Marga Stäuber wußte es natürlich, denn Dr. Lindau war vor zwanzig Minuten wieder in seinem Zimmer verschwunden. Doch sie wollte wissen, ob er überhaupt bereit war, jetzt einen Besuch zu empfangen. »Ist es privat oder kommen Sie als Patienten?« fragte sie.

      »Das möchte ich dem Doktor selbst sagen«, erwiderte Andreas Strasser ungeduldig.

      Die Sekretärin warf dem Mann einen unwilligen Blick zu. »Wen darf ich melden?« fragte sie.

      »Strasser ist mein Name«, erwiderte der Besucher. Es klang wie das Bellen eines bissigen Hundes.

      Marga Stäuber bat die beiden Besucher zu warten und verschwand im Chefarztzimmer.

      »Was gibt es, Frau Stäuber?« fragte Dr. Lindau, der schon wieder dabei war, den Brief an den Landrat aufzusetzen.

      »Es möchte Sie jemand sprechen…«

      »Patient?«

      »Ich weiß nicht«, erwiderte die Sekretärin. »Der Mann ist so barsch und will Ihnen selbst den Grund sagen, und die Frau macht so einen verschüchterten Eindruck. Sieht mir fast so…«

      »Haben die beiden auch einen Namen?« fiel Dr. Lindau der Sekretärin etwas ungeduldig ins Wort.

      »Ja – Strasser hat er gesagt…«

      »Aha, Herr und Frau Strasser also«, brummte der Chefarzt. Plötzlich fuhr er auf. »Strasser? Haben Sie gesagt Strasser?«

      »Ja, genau«, bestätigte Marga Stäuber und wunderte sich, weshalb ihr Chef mit einemmal so interessiert, ja, fast erregt war.

      Sieh an, ging es Dr. Lindau durch den Sinn, soll das etwa ein Wink des Schicksals sein? Handelte es sich bei diesem Besucher etwa um den Mann, dessen Pläne hinsichtlich eines Feriencenters ihn sogar aus dem Urlaub geholt hatten. Er konnte es nur sein, denn dieser Name war schließlich nicht so häufig. War dieser Besuch vielleicht gar die erste Auswirkung des Gesprächs mit dem Bürgermeister? Auf jeden Fall war Dr. Lindau jetzt sehr interessiert.

      »Was ist nun, Herr Doktor, sind Sie zu sprechen oder nicht?« unterbrach Marga Stäuber die blitzartigen Überlegungen Dr. Lindaus.

      »Ja, natürlich, bitten Sie die Herrschaften herein!« erwiderte Dr. Lindau.

      Marga Stäuber tat, wie ihr geheißen, und Sekunden später standen Andreas Strasser und seine Freundin vor dem Schreibtisch des Chefarztes.

      »Sie wollten mit mir sprechen, Herr Strasser?« Dr. Lindau deutete einladend auf zwei Stühle. »Wer ist von Ihnen nun Patient? Sie oder Ihre Gattin?«

      Andreas Strasser reagierte nicht auf diese Frage. Er hielt es auch nicht für nötig, seine Freundin vorzustellen. »Wir möchten Ihre Hilfe in Anspruch nehmen«, sagte er. »Die Höhe des Honorars spielt keine Rolle.«

      Unwillkürlich versteifte sich Dr. Lindau. Er begann etwas zu ahnen. Mit solchen und ähnlichen einleitenden Worten war er schon öfter konfrontiert worden. »Eine Frage vorweg«, ergriff er das Wort. »Sind Sie jener Herr Strasser, der Bauunternehmer aus München, der hier ein Feriencenter errichten will?«

      Andreas Strasser warf sich in die Brust. »Der bin ich«, bestätigte er. »Es wird ein großes Projekt, an dem viele ihre Freude und ihren Nutzen haben werden«, setzte er hinzu.

      »Das glaube ich nicht, Herr Strasser«, widersprach Dr. Lindau. »Ich jedenfalls und damit auch alle hier in der Klinik tätigen Kollegen, das Pflegepersonal und auch die Kranken sind von solchen Plänen keineswegs begeistert. Wir sind dagegen.«

      Andreas Strasser bekam runde Augen. Es war das erste Mal, daß jemand eines seiner Projekte nicht nur nicht guthieß, sondern sogar strikt ablehnte. Das war ein Novum für ihn. »Darf ich erfahren, weshalb Sie dagegen sind, Herr Doktor?« fragte er mit gepreßt klingender Stimme.

      »Aber gern, Herr Strasser«, erwiderte Dr. Lindau und brachte auch sofort alle seine Begründungen und Argumente vor.

      Andreas Strasser hörte sich die schon fast beschwörenden Worte des Chefarztes gelassen an. »Verehrter Herr Dr. Lindau«, ergriff er schließlich das Wort, als der Chefarzt schwieg, »Ihre Argumente mögen sicherlich von Ihrem Standpunkt aus gesehen stichhaltig sein. Für mich sind sie es allerdings nicht. Sie wollen, wie Sie erklären, Ruhe und Frieden für Ihre Schützlinge haben. Was glauben Sie, was ich will?« fragte er und gab auch gleich selbst die Antwort darauf: »Ich will mit meinem Projekt vielen Menschen die Möglichkeit schaffen, sich vom alltäglichen Streß zu erholen. Ist das etwa etwas Schlechtes in Ihren Augen?«

      »Nein«, erwiderte Dr. Lindau. »Muß es aber in unmittelbarer Nähe der Klinik sein?«

      Andreas Strasser zuckte mit den Schultern. »Das Gelände da unten am See ist nun einmal ideal für mein Vorhaben«, entgegnete er.

      »Sie bleiben also bei Ihrem Plan?« fragte Dr. Lindau. Seine Stimme klang gepreßt. Er erkannte, daß er bei diesem Mann nichts erreichen würde.

      »Sie haben es erfaßt, Herr Doktor«, bestätigte Andreas Strasser. »Der Kaufvertrag wird unterschrieben, wenn die Vermessungen beendet und ausgewertet sind.«

      Dr. Lindau mußte sich wirklich zusammennehmen, um nicht die Beherrschung zu verlieren. »Ich frage mich jetzt nur, weshalb Sie überhaupt zu mir gekommen sind, wenn Sie ohnehin entschlossen…«

      »Stimmt, zum Donnerwetter«, fiel der Bauunternehmer dem Chefarzt auffahrend ins Wort. Durch diese Debatte mit dem Chefarzt der Klinik hatte er fast vergessen, daß er mit Gisela hergekommen war, um ein Problem zu lösen. »Ich wollte ja etwas ganz anderes mit Ihnen besprechen.«

      »Das wäre?« Gespannt wartete Dr. Lindau auf die Antwort, die er eigentlich schon ahnte. Er brauchte nur die junge Frau anzusehen und ein wenig zu kombinieren. »Ich vermute, daß es sich um Ihre Begleiterin handelt. Habe ich recht?« Vergeblich wartete er, daß der Bauunternehmer ihm die junge Frau mit ihrem Namen vorstellte. Daß es nicht die Ehefrau seines Besuchers war, konnte er sich leicht vorstellen.

      »Sie haben recht, Herr Doktor, es geht um meine Bekannte«, kam An­dreas Strasser nun zur Sache. »Sie ist in Schwierigkeiten, und Sie als Arzt könnten Sie davon befreien.«

      »Schwanger, vermute ich«, wurde Dr. Lindau direkt. Prüfend sah er Gisela Karner an und fragte sie einfach: »Im wievielten Monat?«

      »Anfang des dritten«, antwortete die junge Frau mit leiser Stimme. Es waren die ersten Worte, die über ihre Lippen kamen, seit