Die Klinik am See Staffel 2 – Arztroman. Britta Winckler

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Название Die Klinik am See Staffel 2 – Arztroman
Автор произведения Britta Winckler
Жанр Языкознание
Серия Die Klinik am See Staffel
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740939724



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ich allerdings nicht verstehen.«

      »Hm, Sie sagen, daß er sie ins Wasser gestoßen hat.« Fragend sah Dr. Lindau den jüngeren Kollegen an.

      »Ins Wasser?« Dr. Bernau zögerte ein wenig. »Tja, das ist nicht leicht zu sagen«, erklärte er dann. »Zumindest gab es ein Handgemenge, das mit dem Sturz der Frau endete. Sie fiel bäuchlings auf den Knauf der hochragenden Ruderstange und kippte dann über den Bootsrand ins Wasser. Das habe ich genau gesehen.«

      »Hatten Sie den Eindruck, daß Herr Strasser die Frau mit voller Absicht…«

      »Augenblick, Herr Chefarzt«, fiel Dr. Bernau seinem Chef erregt ins Wort. »Sie wollen doch nicht etwa andeuten, daß Herr Strasser vorhatte, die Frau umzubringen, sie zu ertränken?« Fassungslos sah er Dr. Lindau an. »Das… das… wäre dann ja… Tötungsabsicht… also schon fast ein Mordversuch«, stieß er erregt hervor.

      »Das wollte ich damit nicht behaupten«, gab Dr. Lindau zurück. »Obwohl – ein Motiv hätte er gehabt«, fügte er mit verhaltener Stimme hinzu.

      Dr. Bernau riß die Augen auf. »Ein Motiv zum Töten?« fragte er gepreßt. »Wie ist das zu verstehen?«

      Dr. Lindau zögerte ein paar Sekunden, gab sich dann aber einen Ruck und erklärte Dr. Bernau, was er unter diesem angedeuteten Motiv verstand. »Herr Strasser war vor einer knappen Stunde mit der jungen Frau bei mir und wollte eine Indikation, die ich als vom medizinischen Standpunkt aus unbegründet natürlich abgelehnt habe«, berichtete er dem aufhorchenden Dr. Bernau. »Frau Karner – so heißt die Frau, wie ich inzwischen weiß – ist im dritten Monat schwanger.«

      »Ich beginne zu verstehen«, meinte Dr. Bernau. »Herr Strasser sah deshalb sicher Schwierigkeiten auf sich zukommen.«

      »So sehe ich es auch«, stimmte Dr. Lindau dem Kollegen zu. »Nun hat er ja erreicht, was er wollte – ohne mein Zutun.«

      »Sie meinen, daß durch den Sturz…« Dr. Bernau sprach nicht weiter. Fassungslos sah er den Klinikchef an.

      »Sie haben es erfaßt, Herr Bernau«, entgegnete der Chefarzt. »Frau Karner hat einen – nun, sagen wir mal – natürlichen Abort. Hervorgerufen durch den Sturz, durch den innere Verletzungen wie Uterusblutungen entstanden sind und die Tötung des Embryos verursachten. Frau Dr. Westphal nimmt eben eine Ausschabung vor, um Komplikationen zu verhindern.«

      »Allerhand«, murmelte Dr. Bernau. »Weiß Herr Strasser schon Bescheid?« fragte er.

      »Noch nicht«, antwortete Dr. Lindau.

      »Na, da wird der Herr ja zufrieden sein, daß sich sein Problem auf diese Weise gelöst hat. Ein zufälliger Unglücksfall, und schon sind solcherart Schwierigkeiten aus der Welt geschafft«, fügte er sarkastisch hinzu.

      »Ich bin mir nicht sicher, ob Herr Strasser erleichtert aufatmen wird, wenn ich ihm sage, was geschehen ist«, erklärte Dr. Lindau. Er sagte das in einem Ton, der Dr. Bernau aufhorchen ließ. »Ich vermute, daß dieser Herr sehr bald hier auftauchen wird, um zu erfahren, wie es seiner Freundin geht«, fügte Dr. Lindau seinen ersten Worten hinzu.

      »Er ist bereits hier«, gab Dr. Bernau zurück. »Ich habe ihn in den Warteraum geschickt.«

      Entschlossen blitzte es in Dr. Lin­daus Augen auf. »Na, dann werden wir das Eisen schmieden, so lange es noch heiß ist«, stieß er fast heftig hervor.

      Irritiert über diese Ausdrucksweise sah Dr. Bernau den Chefarzt an. Er verstand nicht, was der mit seinem Zitat meinte.

      Ein kurzes schwaches Lächeln huschte um Dr. Lindaus Lippen, als er Dr. Bernaus Miene sah, die wie ein Fragezeichen wirkte. »Fragen Sie mich jetzt nichts, denn ich könnte Ihnen im Augenblick keine konkrete Antwort geben«, sagte er. »Ich will nur etwas versuchen. Ob ich Erfolg damit habe, weiß ich noch nicht. Ich habe aber die Interessen meiner Klinik im Auge.«

      Nun war Dr. Bernau völlig verwirrt. Die geheimnisvollen Worte des Klinikchefs weckten natürlich seine Neugier.

      Weshalb zum Beispiel würde Herr Strasser nicht erleichtert sein? Aber was hatten die Interessen der Klinik mit diesem Unglücksfall zu tun, bei dem eine junge Frau einen Abort erlitten hatte? Was hatte Dr. Lindau nun vor? Solche und ähnliche Fragen rumorten hinter Dr. Bernaus Stirn. Entsprechende Fragen versagte er sich aber. Er kannte Dr. Lindau gut genug, um zu wissen, daß er von ihm jetzt keine zufriedenstellenden Antworten bekommen würde.

      »Darf ich Sie bitten, Herr Bernau, diesen Herrn Strasser jetzt zu mir zu schicken?« unterbrach Dr. Lindau die Gedanken Dr. Bernaus.

      »Sofort.« Dr. Bemau erhob sich. »Brauchen Sie mich dann noch?« fragte er und dachte an Vera Solbach, zu der er wollte. Er hatte noch etwas Zeit bis zum Beginn seines Spätdienstes. Sein Jackett mußte er sich ja auch noch holen. Sicherlich hatte Vera es in Verwahrung genommen.

      »Nein, Herr Bernau«, erwiderte Dr. Lindau.

      Dr. Bernau murmelte einen Gruß und ging, um Andreas Strasser zum Chefarzt zu schicken.

      *

      Wie ein gefangener Tiger im Käfig, so stapfte Andreas Strasser im Wartezimmer hin und her. Nervös blickte er dauernd auf seine Uhr. Die Minuten, die verstrichen, kamen ihm wie Ewigkeiten vor. Was war mit Gisela los? Schwebte sie etwa in Lebensgefahr durch den Sturz? Solche und ähnliche Fragen bedrängten ihn.

      Weshalb nur hatte er im Boot die Beherrschung verloren und hatte sich zu Handgreiflichkeiten hinreißen lassen? Und warum war Gisela nur so bockig gewesen? Er verstand nicht, daß sie ihre Meinung so schnell geändert hatte. Noch vor einer Stunde war sie doch mit der von ihm vorgeschlagenen Lösung einverstanden gewesen. Was war nur so plötzlich in sie gefahren? Fragen über Fragen, auf die er keine Antwort wußte.

      Am meisten Sorge und Kopfzerbrechen bereitete Andreas Strasser die Frage nach den Konsequenzen, die sich nun durch den Unfall – so jedenfalls bezeichnete er das Geschehen im Boot – ergeben würden, ergeben mußten. Wie würde es weitergehen? Mit Schrecken dachte er an seine Frau, die in wenigen Tagen von ihrer Berlin-Reise zurückkam. Er war ziemlich sicher, daß er kaum Chancen hatte, seine Vaterschaft vor ihr geheimzuhalten. Was dann die Folge davon war, wußte er jetzt schon mit geradezu schmerzhafter Klarheit. »Nein, zum Teufel«, stieß er hervor, »das darf einfach nicht sein.«

      Er war in diesen Augenblick fast soweit, zu bedauern, daß Gisela am Leben geblieben war. Alle Probleme wären gelöst gewesen, wenn sie ertrunken wäre. Er hätte dann nicht mehr an eine Reaktion seiner Frau denken müssen. Eine Reaktion, die ihn zum armen Mann machen würde.

      »Herr Strasser…«

      Der Bauunternehmer fuhr herum und starrte den Arzt an, der Gisela aus dem Wasser gezogen hatte. »Ja? Was ist?« stieß er fragend hervor. »Etwas Schlimmes mit Gisela?«

      »Darüber will der Chefarzt mit Ihnen reden«, gab Dr. Bernau kühl zurück. »Er erwartet Sie in seinem Büro. Bitte!«

      Andreas Strasser stürmte aus dem Warteraum und weiter in die Richtung, in der er das Zimmer von Dr. Lindau wußte.

      Dr. Bernau zuckte mit den Schultern und wandte sich der Terrasse zu, um zum Südufer zu gehen. Er wollte nicht nur sein Jackett holen, sondern – und das vor allem – mit Vera reden. Gerade als er die Stufen der Terrasse hinunterschritt, kam ihm die Vermessungstechnikerin entgegen. Sein Jackett trug sie über dem Arm.

      »Ich wollte dir nur deine Jacke bringen«, sagte sie, als sie vor Dr. Bernau stand.

      Der verzog ein wenig das Gesicht. »Nur deshalb bist du jetzt gekommen?« fragte er leise.

      Vera verstand. Sie lächelte. »Ein wenig wollte ich auch mit dir plaudern, Werner«, gestand sie. »Da du ja heute abend keine Zeit hast, wie du mir sagtest, nutze ich eben deine noch bis zum Dienstbeginn verbleibende freie Zeit.«

      Dr. Bernau strahlte die junge Frau an. Er nahm ihr das Jackett ab und sagte: »Ein kluger Gedanke, Vera. Aber was ist mit deiner Arbeit?« setzte er fragend hinzu.

      »Die habe ich für heute beendet, Werner«, gab Vera zurück.

      »Wie