Die Klinik am See Staffel 2 – Arztroman. Britta Winckler

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Название Die Klinik am See Staffel 2 – Arztroman
Автор произведения Britta Winckler
Жанр Языкознание
Серия Die Klinik am See Staffel
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740939724



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»… verbaust du dir die angenehmen Seiten des Lebens.«

      In dieser Weise redete er lange auf Gisela ein, der beinahe die Tränen kamen und deren Widerstand allmählich schwächer wurde.

      Gisela Karner, die gewiß nicht der Typ einer kämpferisch eingestellten Frau wär, die bisher meistens das bekommen hatte, was das Leben eben angenehm machte, sah diese angenehmen Seiten plötzlich in Gefahr. Sie, die ohnehin labil war und sich nur zu gern der Initiative anderer unterwarf, kam sich nun so verloren vor. War es da ein Wunder, daß es ihrem Freund nach weiterem Zureden letztlich doch gelang, ihr das Einverständnis zu einem Abort abzuringen?

      »Glaub’ mir, Gisela«, beschwor Andreas Strasser noch einmal seine Freundin, »es ist das beste für dich, und ich gebe dir mein Wort darauf, daß ich dich dann finanziell nicht im Stich lassen werde. Das ist aber nur möglich, wenn du kein Baby bekommst, von dem meine Frau dann unweigerlich auf irgendeine Weise Kenntnis erhält. Dann stünde ich ebenfalls vor dem Nichts und könnte dir gar nicht helfen.«

      Gisela schluchzte leise auf. »Habe ich denn eine andere Wahl?« fragte sie flüsternd.

      »Nein.« Hart kam dieses Wort über die Lippen des Bauunternehmers.

      Gisela druckste sekundenlang herum. »Wenn ich… ich… nun einverstanden… bin…«, stammelte sie,

      »… wer soll… soll das… machen?«

      In Andreas Strassers Augen blitzte es triumphierend auf. »Das überlasse nur mir«, erwiderte er. »Wir haben sogar Glück, daß wir am Ort eine Frauenklinik haben.«

      »Aber glaubst du, daß es da einen Arzt gibt, der das macht?« fragte Gisela bange.

      »Ärzte sind auch nur Menschen, die bei einem gewissen Geldbetrag mal ein Auge zudrücken. Laß mich nur machen. Ich weiß, wie man mit solchen Leuten umgehen muß. Wir werden gleich heute nachmittag in diese Klinik da unten am See fahren«, entschied er.

      »Wenn du meinst«, flüsterte Gisela, die sich unsäglich elend fühlte.

      »Ja, das meine ich«, bestätigte Andreas Strasser. »Jetzt aber«, seine Stimme wurde um Nuancen freundlicher, »mach dich hübsch, und wir fahren irgendwohin zum Essen.«

      Gisela nickte nur und ging ins Badezimmer.

      Andreas Strasser atmete erleichtert auf. Ihm war ein Stein vorn Herzen gefallen. Er hatte es geschafft, die Katastrophe noch rechtzeitig abzuwenden. Natürlich war er auch bereit, sein gegebenes Versprechen, Gisela danach zu helfen, sie ein wenig finanziell zu unterstützen, einzuhalten. Das war ihm diese Sache schon wert, und das konnte er leicht ohne Wissen seiner Frau tun. Er war sich auch ziemlich sicher, daß Gisela auch weiterhin seine Freundin und Geliebte bleiben würde. Dagegen hatte er nichts einzuwenden, denn mit ihr war es eigentlich immer schön gewesen. Gisela war eine angenehme und vor allem eine bequeme Geliebte – sofern sie eben nicht schwanger wurde. Darauf aber, das nahm er sich fest vor, wollte er in Zukunft sehr genau achten.

      »Ich bin fertig.« Gisela kam aus dem Badezimmer zurück. Sie hatte sich etwas zurechtgemacht und sah wirklich hübsch aus. Nur der Ausdruck in ihren Augen paßte nicht ganz zu ihrer ganzen Erscheinung. Es war eine Mischung von Bangigkeit und Traurigkeit.

      »Gut, dann wollen wir…«, sagte Andreas Strasser und verließ mit seiner Freundin das Hotelzimmer.

      *

      Die Miene des Chefarztes war finster und verschlossen, als er von seinem Besuch beim Bürgermeister von Auefelden in die Klinik zurückkam. Die Unterredung mit dem ersten Bürger der Gemeinde hätte er sich sparen können. Der Bürgermeister war hart geblieben und hatte sich durch die vorgetragenen Argumente in keiner Weise bei seiner Entscheidung beeinflussen lassen.

      »Mir liegt das Wohl der Gemeinde und deren wirtschaftlicher Aufschwung mehr am Herzen als Ihre Klinik, Herr Dr. Lindau.« Das waren die abschließenden Worte des Bürgermeisters gewesen.

      Dr. Lindau hatte sich wirklich sehr zusammennehmen müssen, um nicht Herrn Hofstätter einige Grobheiten an den Kopf zu werfen. »Bitten Sie Frau Dr. Westphal zu mir!« rief er seiner Sekretärin zu, als er durch das Vorzimmer ging und in seinem Büro verschwand.

      Oje, dachte Marga Stäuber, da ist dicke Luft. Sie hatte es schon an der Miene des Chefarztes gemerkt und beeilte sich, Frau Dr. Westphal schleunigst herbeizuzitieren. »Es sieht nicht gut aus, Frau Doktor«, rief sie der Ärztin zu. »Ich habe den Chef noch nie so wütend gesehen.«

      »Ich komme sofort«, gab Anja Westphal zurück.

      Keine drei Minuten später war sie auch schon zur Stelle und meldete sich bei Dr. Lindau. An dessen Miene merkte sie sofort, daß Marga Stäuber nicht übertrieben hatte. »Kein Erfolg, vermute ich«, waren ihre ersten Worte, kaum daß sie die Tür hinter sich geschlossen hatte.

      »Du hast recht, Anja«, stieß Dr. Lindau unwillig hervor. »Dieser Bürgermeister läßt einfach keine vernünftigen Argumente zu. Er ist ein grober Klotz…«

      »… auf den normalerweise auch ein grober Keil gehörte«, fiel Anja Westphal dem Klinikleiter ins Wort. »Entschuldige, aber das ist meine private Meinung und nicht die der Ärztin.«

      »Ich habe schon verstanden, Anja.« Ein sparsames Lächeln glitt um Dr. Lindaus Mundwinkel.

      »Was hast du jetzt vor?« fragte die Ärztin.

      »Ich bin mir noch nicht vollkommen klar darüber«, gestand Dr. Lindau »Wahrscheinlich wird es das beste sein, wenn ich mich tatsächlich an den Landrat wende, damit der ein Machtwort spricht. Ich hoffe, daß man dort einsichtiger ist.« Er sah auf die Uhr. »Ich will dich jetzt nicht länger aufhalten«, wechselte er das Thema. »Als die noch immer amtierende Chefärztin hast du sicher noch allerhand zu tun.«

      »Es geht«, gab Anja Westphal lächelnd zurück. »Ich habe vorhin mit Dr. Hoff abgesprochen, daß wir Frau Hofstätter noch heute nachmittag operieren werden. Die Untersuchungen sind abgeschlossen, und je eher wir operieren, desto besser ist es für die Frau.«

      »Ach ja – die Frau des Bürgermeisters«, murmelte Dr. Lindau und mußte plötzlich wieder an die von ihm gerügten Worte Dr. Bernaus denken. Er gestand sich ein, daß er jetzt nach der Unterredung mit dem Bürgermeister wahrscheinlich nicht so scharf reagiert hätte wie bei der morgendlichen Besprechung. »Tja, Anja, ich werde mich jetzt mal ein wenig mit der Formulierung einer Resolu­tion an den Landrat befassen«, erklärte er. »Die muß Hand und Fuß haben, wenn sie Erfolg bringen soll.«

      Dr. Anja Westphal verabschiedete sich und begab sich wieder zurück auf ihre Station, während Dr. Lindau begann, sich verschiedene Punkte zu notieren, die ihm wichtig für ein ausführliches Schreiben an den Landrat erschienen.

      Das war gar nicht einmal so einfach. Mehrere Male zerriß er das Papier und begann von neuem.

      Das alles nahm Zeit in Anspruch, und ehe er sich’s versah, war der Mittag da. Er hätte es wahrscheinlich gar nicht einmal gemerkt, wenn nicht plötzlich seine Tochter Astrid bei ihm aufgetaucht wäre und ihn aufmerksam gemacht hätte, daß es Zeit zum Essen sei.

      »Paps, mach jetzt mal Pause und laß dir Zeit mit dem Brief an den Landrat«, sagte sie.

      Erstaunt blickte Dr. Lindau seine Tochter an. »Woher weißt du überhaupt, daß ich an den Landrat schreiben will?« wollte er wissen.

      Die Kinderärztin lächelte. »Frau Dr. Westphal hat es mir geflüstert«, erwiderte sie. »Bist du damit fertig?« fragte sie.

      »Noch nicht ganz, aber ich mache nach dem Essen weiter«, gab Dr. Lindau zurück. »Dann kann es Frau Stäuber schreiben und morgen gleich abschicken.«

      »Versprichst du dir einen Erfolg?« wurde Astrid neugierig.

      Ihr Vater zuckte mit den Schultern. »Ich hoffe es, denn sonst wüßte ich nicht, wie wir diese Angelegenheit in unserem Sinne noch regeln könnten.« Mit einer heftigen Bewegung winkte er ab. »Aber lassen wir das jetzt, mein Mädchen«, sagte er, »und gehen wir essen, denn ich habe jetzt wirklich ein wenig Hunger.« Fragend sah er seine Tochter an. »Oder