Die Klinik am See Staffel 2 – Arztroman. Britta Winckler

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Название Die Klinik am See Staffel 2 – Arztroman
Автор произведения Britta Winckler
Жанр Языкознание
Серия Die Klinik am See Staffel
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740939724



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über jenen Apparat gebeugt, den er für eine Art Stativ angesehen hatte. Mit der Hand gab sie einem Jungen, der mit einer Latte in der Hand dicht am Ufer stand, Zeichen. Dr. Bernau war sich in diesen Sekunden klar, daß es sich dabei um irgendwelche Vermessungen handelte.

      Was aber sollte hier dicht neben der Klinik vermessen werden? Diese Frage interessierte ihn nun ebenso wie diese Frau, die, wie er beim Näherkommen feststellte, äußerst attraktiv war. Entschlossen schritt er weiter, bis ihn nur noch etwa zwanzig Meter von der blonden Frau trennten. Doch da wurde er plötzlich gestoppt – durch einen ziemlich energisch klingenden Zuruf.

      »Hallo, Sie, junger Mann, lenken Sie Ihre Schritte mehr nach links, damit Sie meine Arbeit nicht stören!«

      Dr. Bernau grinste, tat aber, wie ihm geheißen wurde. Er schwenkte zur Seite, machte einen kleinen Bogen und kam dann direkt auf das blonde Wesen zu. »Hallo…«, rief er, »… schöner Tag heute.«

      »Er würde noch schöner sein, wenn Sie mich nicht bei der Arbeit störten, junger Mann«, entgegnete die blonde Frau. Sie richtete sich auf und sah Dr. Bernau mißbilligend an. »Sie sehen doch sicher, daß ich hier Vermessungen durchführe und…«

      »Dachte es mir doch«, fiel Dr. Bernau der Frau, die er auf etwa dreißig Jahre schätzte, lächelnd ins Wort. »Zuerst hatte ich diesen Apparat…«, er deutete auf das Vermessungsgerät, »… für eine Art Stativ mit Fotoapparat gehalten.« Unaufdringlich musterte er die vor ihm stehende schlanke blonde Frau. Sein Interesse, das ohnehin schon geweckt gewesen war, wurde nun noch stärker. Es galt zunächst jedenfalls der Frau und erst in zweiter Linie der von ihr ausgeübten Tätigkeit.

      »Was wollen Sie überhaupt hier und wer sind Sie?« Unwillig blitzte es in den Augen der jungen Frau auf. »Sie befinden sich hier auf Gemeindegrund.«

      »Das weiß ich.« Dr. Bernau lachte leise. »Was ich hier will?« fuhr er fort. »Nun, ich mache einen Mittagsspaziergang.«

      »Soll ich die anderen Stangen aus dem Auto holen, Frau Solbach?« Der Junge, der bei diesen Vermessungsarbeiten anscheinend Hilfsdienste verrichtete, war herangekommen.

      »Nein, wir machen jetzt erst Mittagspause«, bekam er Antwort von der Vermessungstechnikerin. »Du kannst in einer Stunde wieder hier sein.«

      »Ist gut, Frau Solbach.« Der Junge sprang davon, hinüber zur Straße, schwang sich dort auf ein Fahrrad und radelte in Richtung Auefelden davon.

      Vera Solbach, wie die Vermessungstechnikerin mit vollem Namen hieß, wandte sich wieder Dr. Bernau zu. Ihr Blick fiel dabei auf die im Hintergrund zwischen Kieferngruppen aufragende Klinik. In ihren Augen blitzte es auf. »Ich nehme an, daß Sie dort aus der Klinik sind, junger Mann«, ergriff sie das Wort.

      Dr. Bernau nickte. »Woher wissen Sie, daß es sich um eine Klinik handelt, Frau Solbach?« fragte er.

      »Man hat es mir gesagt«, antwortete Vera Solbach. »Ich weiß auch, daß das früher einmal ein Schloß gewesen ist«, fügte sie hinzu. »Woher aber wissen Sie meinen Namen?« wollte sie wissen.

      Dr. Bernau lachte leise. »Kunststück, wenn der Junge Sie vorhin so genannt hat…«

      »Ach so, ja, natürlich…«

      »Erlauben Sie bitte…« Dr. Bernau deutete eine schwache Verneigung an und stellte sich vor. »Ich bin Arzt in dieser Klinik.«

      »Oh, dann bitte ich um Entschuldigung, wenn ich Sie vorhin vielleicht ein wenig unhöflich angefahren habe«, sagte die Vermessungstechnikerin. »Ich wußte ja nicht…«

      »Schon in Ordnung, Frau Solbach«, fiel Dr. Bernau der blonden Frau lächelnd ins Wort. »Ist meine Anrede richtig, oder muß ich Fräulein sagen?« setzte er fragend hinzu und wartete gespannt auf die Antwort. Sein Blick glitt über die rechte Hand der jungen Frau. Einen Ehering konnte er jedoch nicht entdecken.

      Vera Solbach war dieser Blick nicht entgangen. Ein flüchtiges und amüsiertes Lächeln huschte um ihre Mundwinkel. »Frau ist schon richtig, Herr Doktor«, erklärte sie. »Ich bin… das heißt, ich war verheiratet, bin aber seit einem Jahr geschieden.«

      Wunderbar, ging es Dr. Bernau durch den Sinn, und es hätte nicht viel gefehlt, dann hätte er es auch gesagt. Im letzten Augenblick aber verschluckte er diese Bemerkung.

      Vera Solbach schien Gedankenleserin zu sein. Oder sie hatte es am Ausdruck der Augen dieses sympathischen Arztes erkannt, was der in diesen Sekunden dachte. Eigenartigerweise aber war ihr das keineswegs unangenehm. Eher das Gegenteil war der Fall. Es war das erste Mal seit ihrer Scheidung, daß sie bewußt wahrnahm, daß ein Mann Interesse für sie zeigte, und sie freute sich darüber auch irgendwie. Dieser sympathische Arzt hatte etwas an sich, das sie auf eine bestimmte Weise anzog. Natürlich war es nicht so, daß sie sich verliebt hätte. Aber sie fand es nett und angenehm, mit ihm zu plaudern. »Sie müssen sicher wieder in die Klinik zu­rück, Herr Doktor«, meinte sie, »und da möchte ich Sie nicht aufhalten.«

      »Ich habe noch Zeit, Frau Solbach«, erwiderte Dr. Bernau. »Wenn Sie nichts dagegen haben und wenn Ihre Zeit das erlaubt, dann möchte ich mich gern noch ein Weilchen mit Ihnen unterhalten. Mich interessiert schließlich auch, warum Sie hier das Seeufer vermessen.«

      »Das würde ich Ihnen gern erklären, wenn Sie mich ein Stück begleiten«, gab Vera Solbach lächelnd zurück.

      »Das kommt darauf an, wohin«, entgegnete Dr. Bernau. »Ich muß ja wieder zum Dienst in die Klinik zurück.«

      Vera Solbach deutete zu dem vorn an der Straße stehenden VW-Bus. »Zum Auto«, sagte sie, »denn dort werde ich mein Mittagsbrot verzehren. Wenn Sie wollen, dürfen Sie mir dabei ein wenig Gesellschaft leisten.«

      Dr. Bernau lachte. »Ich wüßte nicht, was ich lieber täte«, antwortete er. Hoffentlich werde ich in der nächsten halben Stunde nicht in der Klinik gebraucht, dachte er dabei.

      »Also dann…« Vera Solbach setzte sich schon in Bewegung, und Dr. Bernau blieb an ihrer Seite. Minuten später saßen beide auf der hinteren Ladefläche des VW-Transporters. Vera Solbach hatte ein Eßpaket vor sich und eine Thermoskanne mit Tee. Ungeniert aß sie und erzählte dabei von sich und von ihrer Arbeit. Dr. Bernau warf hin und wieder eine Frage dazwischen und bekam darauf auch Antworten.

      Eine halbe Stunde war aber sehr bald vorbei, und Dr. Bernau mußte wieder in die Klinik zurück. »Schade«, sagte er in bedauerndem Ton, »ich hätte gern noch weiter mit Ihnen geplaudert, aber der Dienst ruft.«

      Vera Solbach bedauerte das auch, sagte es aber nicht. Bruchteile von Sekunden überlegte sie. »Wir könnten ja zu einem späteren Zeitpunkt weitertratschen«, meinte sie lächelnd. »Wenn Sie wollen und Zeit haben«, fügte sie leise hinzu. Mehr als diese goldene Brücke zu bauen, konnte sie als Frau nicht tun.

      Dr. Bernau beschritt diese Brücke. »Eben das wollte ich gerade auch vorschlagen«, gab er zurück. »Wie wäre es, wenn ich Sie heute abend zum Essen einladen würde?« fragte er direkt. »Ich bin ab siebzehn Uhr dienstfrei.« Auffordernd und gleichermaßen bittend sah er die blonde Frau an.

      Die tat, als überlege sie. »Einladung dankend angenommen«, verkündete sie dann humorvoll.

      »Fein, dann hole ich Sie um sechs ab«, entgegnete Dr. Bernau schmunzelnd. »Wo?«

      »Ich wohne für die Dauer meiner Arbeit in Auefelden – im Gasthof ZUM GOLDENEN OCHSEN«, erwiderte Vera Solbach.

      »Ich werde pünktlich sein«, versicherte Dr. Bernau und sprang vom Wagen. »Bis später also…« Mit langen Schritten ging er den Weg zurück, den er vor einer guten halben Stunde gekommen war – gefolgt von den Blicken der blonden Vermessungstechnikerin.

      *

      Pünktlich hatte Dr. Bernau die junge Frau abgeholt und war mit ihr in die WALDKLAUSE gefahren, die er von früheren Besuchen her schon kannte. Bei einem von der Wirtin, die früher einmal Patientin in der Klinik am See gewesen war, selbst zubereiteten Abendessen kehrte er den charmanten Plauderer hervor. Mit innerer Genugtuung stellte er fest, daß die hübsche Vermessungstechnikerin ihrerseits kein Hehl daraus machte, daß