Die Klinik am See Staffel 2 – Arztroman. Britta Winckler

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Название Die Klinik am See Staffel 2 – Arztroman
Автор произведения Britta Winckler
Жанр Языкознание
Серия Die Klinik am See Staffel
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740939724



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Sie die Dame herauf!« bat sie die Schwester.

      »Mach ich, Frau Doktor«, gab Schwester Karla zurück. »Wohin soll ich die Dame bringen? Zu Ihnen in Ihr Zimmer?«

      »Nein, gleich in den Untersuchungsraum meiner Station«, entgegnete die Arztin. »Ich bin in ein paar Minuten dort.«

      Schwester Karla machte sich auf den Weg, während die Ärztin ihrer Station zustrebte. Auf halbem Weg kam ihr Dr. Bernau entgegen. »Wollten Sie zu mir, Herr Kollege?« fragte sie und blieb stehen.

      »Nein«, erwiderte Dr. Bernau. »Ich will auf die Terrasse. Frau Gruner hat anscheinend einen Schwächeanfall, wie mir die Schwester vorhin meldete.«

      »Frau Gruner?« Die Ärztin mußte erst überlegen, um wen es sich dabei handelte. Eine Sekunde später fiel es ihr ein. »Ach ja, die Patientin von neunundzwanzig mit dem Myocardschaden.«

      »Richtig, die ist es«, bestätigte Dr. Bernau.

      »Weshalb ist sie auf der Terrasse?«

      »Nun, da wir heute ein herrliches Wetter haben, gab es keine Einwände, sie ein wenig an die frische Luft zu lassen«, erklärte Dr. Bernau. »Entschuldigen Sie mich jetzt!« Ohne eine Erwiderung abzuwarten, setzte er seinen Weg fort und die Ärztin den ihren.

      Minuten später betrat er die Terrasse, die sich an der Südseite des ehemaligen Schlosses befand. Von hier aus konnte man fast den ganzen See überblicken, der nur durch einen gepflegten Rasenstreifen von den Mauern des früheren Schlosses, der jetzigen Klinik, getrennt war.

      Einige nicht bettlägerige Patientinnen hatten es sich in Liegestühlen auf der Terrasse bequem gemacht und genossen den sonnigen Tag. Im Augenblick aber waren zwei jüngere Frauen um eine ältere bemüht, die sichtlich mit Atemschwierigkeiten kämpfte.

      Dr. Bernau trat hinzu. »Aber Frau Gruner, was machen Sie denn für Sachen?« fragte er lächelnd, fühlte den Puls der Schweratmenden und winkte einer Schwester zu, die gerade im Terrassendurchgang auftauchte.

      Die Schwester verstand sofort, verschwand und kam Sekunden später mit einem Rollstuhl wieder. Gemeinsam mit Dr. Bernau hob sie die Patientin in den Rollstuhl.

      »Ab in den Behandlungsraum!« befahl Dr. Bernau. »Bereiten Sie gleich eine Kreislaufspritze vor!«

      Die Schwester verschwand mit der im Rollstuhl sitzenden und nach Atem ringenden Patientin.

      »Machen Sie ruhig weiter, meine Damen, und genießen Sie die Sonne!« rief Dr. Bernau den auf der Terrasse befindlichen anderen Patientinnen beruhigend zu. »Frau Gruner hat nur einen Schwächeanfall, der gleich wieder behoben wird.« Er drehte sich um, um der schon vorausgegangenen Schwester und der Patientin Gruner zu folgen, als er plötzlich stutzte. Sein Blick war auf etwas gefallen, was ungewohnt war. Gar nicht weit von der Terrasse entfernt, knappe zweihundert Meter Luftlinie etwa, am Südufer des Sees, dort wo das zur Klinik gehörende Gelände endete, bemerkte er etwas golden Glänzendes. Es war das Haar einer Frau, die mit irgendwelchen Geräten – wie ein Fotostativ sah es aus – beschäftigt war. Ein Junge lief gerade mit einigen weißrot bemalten Stangen unter dem Arm am Ufer entlang. Im Hintergrund sah er einen grünen Kombiwagen auf der Straße stehen, die an dem Kiefernwäldchen vorbeiführte.

      »Was mag da vorgehen?« murmelte Dr. Bernau vor sich hin. Gleichzeitig gestand er sich aber auch ein, daß es ihn danach drängte, jene Frau näher zu sehen. Er war noch nie ein Gegner des weiblichen Geschlechts gewesen und schon gar nicht, wenn sich eine Vertreterin dieser Menschengattung in so interessanter, ja, vielleicht sogar ein wenig geheimnisvollen Weise seinen Blicken darbot. Ich werde mir nachher, wenn die Mittagspause beginnt, dieses Wesen etwas näher betrachten, ging es ihm durch den Sinn.

      Nur wenige Sekunden hatten diese Überlegungen gedauert. Dr Bernau besann sich, daß er ja zu Frau Gruner mußte, um ihr eine Spritze zu verabreichen. Mit einem etwas verlegenen Lächeln drehte er sich abrupt um und verschwand mit langen Schritten im Innern der Klinik.

      Leicht erstaunt blickten ihm einige der auf der Terrasse sitzenden Patientinnen nach.

      *

      Dr. Anja Westphal begrüßte die Frau des Bürgermeisters mit gewohnter Freundlichkeit, als diese von Schwester Karla in den Untersuchungsraum geführt wurde.

      »Brauchen Sie mich noch, Frau Doktor?« fragte Schwester Karla und zog sich wieder zurück, als sie das kurze Kopfschütteln der Ärztin sah, die sich sofort wieder der Frau des Bürgermeisters zuwandte.

      »Was fehlt mir denn?« fragte Angela Hofstätter nach der Untersuchung.

      Langsam drehte sich die Ärztin um. Ernst blickte sie die Bürgermeistergattin an. »Nehmen Sie bitte Platz«, sagte sie und deutete auf einen Stuhl.

      Angelas Hofstätter setzte sich. Erwartungsvoll, und dabei nun ein wenig ängstlich, sah sie zu der vor ihr stehenden Ärztin auf. Ein ungutes Gefühl bemächtigte sich ihrer plötzlich. »Es…. es… ist nichts Gutes, was… was Sie mir zu sagen… haben?« kam es zögernd über ihre Lippen.

      Um die Mundwinkel der Ärztin huschte ein schnelles, schwaches Lächeln. »So kann man das wieder nicht formulieren«, antwortete sie ruhig. »Ja, ich habe etwas entdeckt, aber ich will Ihnen auch sofort sagen, daß kein Grund zur Besorgnis oder gar Angst besteht.«

      »Krebs?« entfuhr es Angela Hofstätter erschrocken.

      »Aber nein«, gab die Ärztin beruhigend zurück. »Ich habe einige Ovarialzysten bei Ihnen festgestellt«, erklärte sie. »Das sind Tumore im Eierstockbereich.« Mit verständlichen Worten informierte sie die Patientin über Entstehung solcher Zysten und deren Auswirkungen auf den Organismus. »In der Regel sind solche Tumore gutartig, sollten aber entfernt werden, ehe sie es sich anders überlegen. Dann aber wäre eine Entfernung der Ovarien, der Eierstöcke samt Eileiter, unausbleiblich.«

      Angela Hofstätter erblaßte. »Bei mir… ich meine…«, preßte sie hervor und wußte nicht weiter.

      Anja Westphal verstand. »Ich habe keinen Hinweis auf Bösartigkeit gefunden«, beruhigte sie die Frau. »Genau aber werden wir es wissen, wenn wir außer einer Ultraschalluntersuchung auch eine Laparospie machen.«

      »Was ist das?« stieß Angela Hofstätter fragend hervor.

      »Das ist eine Untersuchung, bei der ein fibrooptisches Gerät eingeführt wird, um Gutmütigkeit oder Bösartigkeit der Zyste festzustellen, die dann gleich operativ entfernt wird. Unter Vollnarkose sebstverständlich.«

      »Mein Gott…«, flüsterte Angela Hofstätter voller Angst.

      Wieder lächelte die Ärztin. »Das hört sich schlimmer an, als es ist«, redete sie beruhigend auf die nun gar nicht mehr hochmütig wirkende Frau des Bürgermeisters ein.

      Man konnte erkennen, wie es hinter der Stirn von Angela Hofstätter arbeitete. »Ich werde dann aber doch als Erster-Klasse-Patientin behandelt?« stieß sie plötzlich fragend hervor.

      In den Augen der Ärztin blitzte es kurz auf. »Selbstverständlich«, erwiderte sie mit einem Anflug von leiser Ironie. »In unserer Klinik gibt es nur Erster-Klasse-Patientinnen. Das heißt, daß alle erstklassig behandelt, betreut und versorgt werden.« Diesen Seitenhieb hatte sie sich einfach nicht versagen können.

      *

      Überlegend blickte Dr. Bernau auf die Uhr im Stationszimmer. In wenigen Minuten begann die offizielle Mittagspause – sofern es eine solche für einen Klinikarzt überhaupt gab. Die hing natürlich von den Umständen ab. Krankheiten und damit zusammenhängende Anfälle oder ähnliches richteten sich eben nun mal nicht nach dem Uhrzeiger. Es wäre nicht das erste Mal und würde auch nicht das letzte Mal sein, daß man als Arzt gerade zu der Zeit gefordert wurde, wenn sich der Hunger einstellte.

      Im Bereitschaftszimmer vertauschte Dr. Bernau seinen weißen Arztmantel mit einem hellen Blouson und verließ wenig später durch einen Seitenausgang die Klinik. Wie ein Spaziergänger, aber mit weit ausgreifenden Schritten, strebte er dem Teil des Seeufers zu, auf dem er von der Terrasse aus jenes weibliche Wesen mit dem goldglänzenden Haar bemerkt hatte.

      Hoffentlich