Die Klinik am See Staffel 2 – Arztroman. Britta Winckler

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Название Die Klinik am See Staffel 2 – Arztroman
Автор произведения Britta Winckler
Жанр Языкознание
Серия Die Klinik am See Staffel
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740939724



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hoffe ich auch«, meinte Anja Westphal. »Halten Sie mich bitte auf dem laufenden.«

      »In Ordnung…«

      Die Ärztin gab noch einige Weisungen weiter, klappte dann ebenfalls ihre Mappe zu und blickte die Versammelten der Reihe nach an. »Damit wäre alles besprochen, meine Herren«, sagte sie. »Doch ich bin noch nicht fertig«, fuhr sie fort. »Ich habe Ihnen etwas Wichtiges mitzuteilen. Etwas, das uns Ärzte zum Handeln zwingt.« Mit knappen Worten berichtete sie den gespannt zuhörenden Kollegen das, was Sie von Dr. Bernau erfahren hatte und von dessen Richtigkeit sie sich vor einer halben Stunde mit einem Blick durchs Fenster hatte überzeugen können. »Ich finde es jedenfalls von den dafür Verantwortlichen gelinde gesagt unvernünftig, in direkter Nähe der Klinik ein Feriencenter zu errichten und damit die Ruhe von kranken Menschen zu stören. Was sagen Sie dazu, meine Herren?« fragte sie. »Ihre Meinung würde mich interessieren.« Auffordernd blickte sie in die Runde.

      »Ich finde, daß das eine Frechheit ist«, stieß Dr. Hoff hervor. »Das mindeste wäre doch gewesen, wenn sich der oder die dafür Verantwortlichen erst einmal mit uns… hm… mit der Klinikleitung in Verbindung gesetzt hätten.«

      »Das ist auch meine Meinung«, pflichtete Dr. Reichel dem Chirurgen bei. »Wer hat sich das denn überhaupt ausgedacht?«

      »Unser Herr Bürgermeister«, meldete sich Dr. Bernau zu Wort. »Er ist es ja, der entscheidet, ob das gemeindeeigene Gelände da unten am See verkauft wird oder nicht. Ohne seine Einwilligung beziehungsweise die des Gemeinderates zum Landverkauf kann auch jener Bauunternehmer aus München kein Feriencenter errichten.«

      Mit dieser Ansicht stand er nicht allein da. Alle waren sich einig, daß man versuchen sollte, dieses geplante Projekt zu unterbinden.

      »Schade, daß mein Schwiegervater nicht hier ist«, meldete sich Dr. Alexander Mertens zu Wort.

      »Aber ich bin da, und als Stellvertreter von Dr. Lindau fühle ich mich verpflichtet, die Interessen der Klinik wahrzunehmen.« Dr. Anja Westphal straffte sich. »Ich werde mit dem Bürgermeister ein paar ernste Worte reden, wenn Sie alle damit einverstanden sind«, erklärte sie energisch. Mit Genugtuung nahm sie zur Kenntnis, daß dazu keine Einwände erfolgten.

      »Leicht wird das nicht sein, Frau Doktor«, bemerkte Dr. Bernau. »Der Bürgermeister wird sicher wirtschaftliche Vorteile für Auefelden als Begründung für den Verkauf des Geländes am südlichen Seeufer in die Waagschale werfen.«

      »Nun, unsere Gegenargumente haben auch Hand und Fuß«, meinte die Frauenärztin. »Wir müssen sie nur mit dem nötigen Nachdruck vorbringen. Ich kann mir eigentlich schwer vorstellen, daß der Bürgermeister, der ja als fortschrittlicher Politiker bekannt sein soll, sich unseren Gründen verschließt.«

      »Wenn Sie sich da nicht irren«, gab Dr. Hoff zu bedenken.

      »Ich lasse es darauf ankommen«, erklärte Anja Westphal. »Versucht muß es jedenfalls werden. Morgen schon werde ich beim Bürgermeister vorsprechen.« Sie blickte auf die Uhr. »So, dann wäre also alles besprochen und klar.« Sie erhob sich. »Ich danke Ihnen, meine Herren«, rief sie den Anwesenden zu und verließ das Besprechungszimmer.

      Nacheinander begaben sich wenig später auch die anderen zu ihren Stationen zurück, auf denen dann noch eine ganze Weile über die Neuigkeit diskutiert wurde. Es war erstaunlich, wie rasch es sich herumsprach, daß in unmittelbarer Nähe der Klinik ein großes Feriencenter entstehen sollte. Die Schwestern erfuhren es von den Ärzten und die wiederum gaben es an einige Patientinnen weiter, die dann auch nichts Eiligeres zu tun hatten, als die anderen Mitkranken zu informieren.

      Dr. Anja Westphal war nicht wenig erstaunt, als sie am Nachmittag ihren gewohnten Kontrollgang durch die Krankenzimmer machte und von allen Seiten zu hören bekam, daß es eine Rücksichtslosigkeit sei, die wohltuende Ruhe der Klinik durch ein derartiges Projekt zu stören.

      »Das muß man sich mal vorstellen – Kindergeschrei und lärmende, vielleicht sogar angetrunkene Urlauber… na, ich danke.«

      »Spektakel von den Autos…«

      »Na, und die Auspuffgase, die ja die Luft vergiften…«

      »Wir sind schließlich krank und brauchen Ruhe und Erholung, um wieder gesund zu werden…«

      So und in ähnlicher Tonart klang es der Ärztin in den Ohren, als sie durch die Zimmer ging. Was die Klinikleitung dagegen zu unternehmen gedachte, wurde sie nicht nur einmal gefragt. Manche verlangten sehr energisch Gegenmaßnahmen.

      Anja Westphal konnte nur antworten, daß sie fest entschlossen war, so schnell wie möglich mit dem Bürgermeister von Auefelden darüber zu reden. Falls nötig, sei sie auch entschlossen, eine von der Klinikleitung, von den in der Klinik tätigen Ärzten, dem Pflegepersonal und den Patienten unterschriebene Resolution dem zuständigen Landrat zukommen zu lassen, erklärte sie allen, die es hören wollten. Auf jeden Fall aber freute sie sich, daß die meisten Frauen, die wegen irgendwelchen Leiden zur Zeit in der Klinik lagen, auf ihrer Seite standen und bereit waren, auf ihre Weise mitzuhelfen, weiterhin die Ruhe der Klinik am See zu sichern. Alles das bestärkte sie noch mehr in ihrem bereits gefaßten Entschluß, gleich am nächsten Tag ein ernstes Gespräch mit dem Bürgermeister von Auefelden zu führen. Sie glaubte jetzt sogar schon, daß dieses Gespräch zu ihrer Zufriedenheit, also im Interesse der Klinik und ihrer Patienten, zu einem positiven Ergebnis führen würde.

      Doch schon vierundzwanzig Stunden später sollte sie eines anderen belehrt werden und erfahren, daß Bürgermeister Hofstätter ein harter Brocken war, der sich nicht so einfach von einem schon gefaßten Entschluß abbringen ließ.

      *

      »Haben wir noch jemanden?« fragte Dr. Anja Westphal die Assistentin Dr. Lindaus, als die letzte von vier Wartezimmerpatientinnen abgefertigt war und mit einem Rezept das Sprechzimmer verlassen hatte.

      »Im Wartezimmer ist niemand mehr, Frau Doktor«, erwiderte Bettina Wendler und verstaute zwei mit Blut gefüllte Ampullen, um sie ins Labor zu schaffen.

      »Tja, dann ordnen Sie die Blutproben und den Abstrich und bringen Sie mir dann die Laborergebnisse nach oben.« Anja Westphal stand auf. »Ich bin nachher bei der Visite und an­schließend in meinem Zimmer.«

      »Ist gut, Frau Doktor.« Die Assistentin entfernte sich mit den Blutproben und dem Abstrich, während Anja Westphal hinaus ins Vorzimmer zu Frau Stäuber ging.

      »Rufen Sie doch bitte beim Bürgermeister an und melden Sie mich zu einer wichtigen und dringenden Unterredung an!« bat sie die Sekretärin.

      Marga Stäuber kam dieser Weisung sofort nach. Es dauerte nur wenige Sekunden, dann hatte sie das Bürgermeisteramt in der Leitung. »Ich möchte gern einen dringenden Termin für Frau Dr. Westphal von der Klinik am See… Wie bitte? Ja, natürlich – beim Herrn Bürgermeister… Wie bitte?« Marga Stäuber lauschte sekundenlang. »Danke, ich versuche es später noch einmal«, sagte sie und legte auf.

      »Was ist?« fragte die Ärztin.

      »Der Bürgermeister ist im Augenblick nicht zu erreichen«, erklärte die Sekretärin. »Er ist vor zehn Minuten mit seiner Frau weggefahren – hierher in die Klinik.«

      »Hierher?« stieß Anja Westphal erstaunt aus. In diesem Augenblick fiel ihr die Frau des Bürgermeisters ein, die sie ja untersucht und der sie zu einer Operation geraten hatte. »Richtig, Frau Hofstätter wollte ja in ein paar Tagen… hm, das trifft sich eigentlich ganz gut, wenn ihr Mann sie persönlich bei uns abliefert. So erspare ich mir den Weg nach Auefelden.« Ein schwaches Lächeln huschte um ihre Lippen. »Frau Stäuber«, wandte sie sich an die Sekretärin, »geben Sie bitte dem Pförtner Bescheid, daß Frau Hofstätter samt ihrem Mann sofort zu mir hinaufgebracht werden, wenn die beiden in der Klinik eintreffen!«

      »Was ist mit der Visite, Frau Doktor?« fragte Marga Stäuber.

      »Wird verschoben – ich sage dann Bescheid«, antwortete die Ärztin und verschwand. Sie hatte es jetzt eilig, denn der Bügermeister und seine Frau konnten jede Minute ankommen, wenn sie bereits vor zehn Minuten aus Auefelden