Название | Die Klinik am See Staffel 2 – Arztroman |
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Автор произведения | Britta Winckler |
Жанр | Языкознание |
Серия | Die Klinik am See Staffel |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783740939724 |
»Nein«, erwiderte Dr. Bernau. »So weit habe ich es noch nicht gebracht.« Zwingend sah er die junge Frau an. »Aber bitte sagen Sie doch nicht immer Herr Doktor zu mir!« bat er. »Das klingt so steif und so fremd.«
Vera Solbach lächelte ein geheimnisvolles Lächeln. »Aber Sie sind doch nun mal Arzt«, gab sie zurück.
»In der Klinik – ja«, entgegnete Dr. Bernau. »Jetzt aber bin ich Privatmann, der es genießt, mit einer attraktiven jungen Dame den Abend zu verbringen.«
»Das ist natürlich richtig«, räumte die junge Frau ein. »Dennoch – wie sollte ich Sie denn sonst anreden?« fragte sie mit verhaltener Stimme. In ihren Augen war ein feines Glitzern.
Dr. Bernau entging das nicht, und es signalisierte ihm, daß seine Chancen bei dieser Frau keineswegs schlecht standen. Das wiederum machte ihm Mut. Er wurde direkt. »Ganz einfach«, beantwortete er die letzte Frage der Vermessungstechnikerin. »Nennen Sie mich Werner!« stieß er hervor. Gespannt wartete er auf die Reaktion.
Sinnend sah Vera Solbach den Arzt an. Sie gestand sich ein, daß er ihr ausnehmend gut gefiel. Er war charmant und verstand es, unterhaltsam zu plaudern und drückte sich dabei aber auch gewählt aus. Auf eine ganz bestimmte Weise freute sie sich sogar, ihn überhaupt kennengelernt zu haben.
»Ist das nicht etwas zu vertraut, wenn ich Sie beim Vornamen nenne?« fragte sie dann aber mit leiser Stimme. »Wir kennen uns doch erst seit heute mittag.«
Dr. Bernau lächelte fein. »Wissen Sie denn, wie lange das ist?« fragte er. »Ich will es Ihnen sagen – das sind immerhin…«, er warf einen kurzen Blick auf seine Uhr, »… Augenblick, gleich habe ich’s…« Hinter seiner Stirn arbeitete es sekundenlang. Dann blitzte es in seinen Augen auf. »Ja, es stimmt«, stieß er hervor. »Wir kennen uns bereits fast acht Stunden. Das sind – vierhundertfünfundsechzig Minuten oder siebenundzwanzigtausendneunhundert… also fast achtundzwanzigtausend Sekunden. Ist das nicht eine enorm lange Zeitspanne? Und mit jeder Sekunde und jeder Minute…«
»Hören Sie auf!« Die junge Frau lachte. »Das macht einen ja ganz verwirrt. »Also schön – Sie haben gewonnen, Werner! Bei einer so langen Bekanntschaft könnte man wirklich steifklingende Anreden weglassen.« Vergnügt funkelte es in ihren Augen. »Daß ich Vera heiße, wissen Sie inzwischen ja auch.«
Dr. Bernau nickte. »Ein hübscher Name, den man gar nicht vergessen kann«, gab er betont zurück. »Ich jedenfalls werde ihn in meinen persönlichen Wortschatz aufnehmen.« Ein jungenhaftes herzliches Lachen kam über seine Lippen.
Vera konnte nicht anders – sie mußte ebenfalls lachen. »Also dann, Werner…« Sie hob ihr Glas. »Zum Wohl…«
Dr. Bernau folgte ihrem Beispiel. »Zum Wohl, Vera – ich freue mich, Ihnen über den Weg gelaufen zu sein.«
»Ich freue mich auch«, gab Vera zurück, und das meinte sie auch wirklich so. Seit langer Zeit fühlte sie sich wieder einmal so richtig beschwingt.
»In ein paar Tagen werde ich mit meiner Arbeit fertig sein«, sagte sie, »und wieder nach München zurückkehren.« Es klang ein wenig bedauernd. »Eigentlich schade«, setzte sie flüsternd hinzu.
»Dann bleiben Sie doch noch einige Zeit hier«, hakte Dr. Bernau sofort nach.
»Hm, das ließe sich eventuell einrichten«, kam es verhalten zurück. Fragend sah die junge Frau den Arzt an.
Dessen Gedanken befaßten sich aber schon mit etwas anderem. »Was vermessen Sie denn da unten am See?« fragte er. »Sind Sie von der Gemeinde Auefelden beauftragt worden, der das Gelände gehört?«
»Nein, der Auftrag wurde von dem Münchener Baulöwen Strasser vergeben«, erklärte Vera bedenkenlos. »So viel mir bekannt ist, will er dort ein Feriencenter errichten – Campingplatz, Ferienhäuser, Bootsverleih und ähnliches mehr.«
»Ein Feriencenter?« Verblüfft sah Dr. Bernau die junge Frau an. »Soll das heißen, daß Auefelden das ganze Gelände da unten an einen Bauunternehmer aus München verkaufen will?«
»So sieht es aus«, bestätigte Vera. »Ich kann natürlich nicht sagen, ob ein solcher Verkauf schon rechtskräftig ist, aber auf jeden Fall hat Herr Strasser ein ziemlich großes Projekt vor.«
»Interessant«, murmelte Dr. Bernau. Seine vorher noch lächelnde Miene wurde ernst. »Das… das… können die doch nicht machen«, stieß er hervor.
»Ich verstehe nicht, Werner«, entgegnete Vera. Verwundert registrierte sie den Stimmungsumschwung bei dem Arzt. »Was gibt Ihnen dabei so zu denken? Ein Feriencenter ist doch etwas, das einer Menge Menschen Freude und Erholung bietet.«
»Das will ich nicht abstreiten«, gab Dr. Bernau zurück. »Doch ich sehe eine Gefahr für unsere Klinik.«
»Inwiefern?«
»Ein Feriencenter dieser Art bringt Unruhe, Lärm und was weiß ich noch mit sich«, erwiderte Dr. Bernau. »Und das in unmittelbarer Nähe einer Klinik, in der Patienten liegen, deren Gesundung nicht zuletzt von der Ruhe der Umgebung abhängt. Wir haben auch kranke Kinder bei uns. Sehen Sie das doch einmal von diesem Blickwinkel aus!«
Vera war nachdenklich geworden. »Ich gestehe, daß ich mir darüber noch keine Gedanken gemacht habe«, räumte sie ein. »Jetzt allerdings…« Sie sprach nicht weiter. Die Argumente des Arztes hatten sie doch beeindruckt. Ob sie nun wollte oder nicht – sie mußte Dr. Bernau im Prinzip recht geben. Die unmittelbare Nähe eines solchen geplanten Feriencenters konnte sich wirklich in irgendeiner Form negativ auf die Gesundung von kranken Menschen auswirken. »Natürlich pflichte ich Ihnen bei, Werner«, begann sie wieder zu sprechen. »Aber was kann ich tun? Ich habe einen Auftrag, den ich gewissenhaft ausführen muß.«
»Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, Vera«, entgegnete Dr. Bernau. »Ich mache Ihnen keinen Vorwurf. Sie tun Ihre Arbeit, wie ich die meine tue. Als Arzt und vor allem als Mitarbeiter der Klinik am See fühle ich mich natürlich mitverantwortlich für das Wohlbefinden der in der Klinik befindlichen Patienten – der kranken Frauen und Kinder. Dieses Wohlbefinden wird nun aber durch dieses Ferienprojekt bedroht, und ich wäre kein guter Arzt, wenn ich dabei tatenlos beiseitestehen wurde.«
»Ich habe Ihre Worte auch gar nicht als persönlichen Vorwurf empfunden«, erklärte Vera. »Was aber könnten Sie dagegen tun? Ich meine, daß das eine Sache des Ortsvorstandes von Auefelden, des Bürgermeisters und seiner Gemeinde- oder Stadträte wäre. Wenn Auefelden das Gelände nicht verkauft, wird auch niemand dort ein Feriencenter errichten können.«
»Ich freue mich, daß Sie mir nicht kontra geben«, sagte Dr. Bernau.
»Weshalb sollte ich das?« Fragend sah Vera den Arzt an.
»Nun, immerhin würden Sie einen geldbringenden Auftrag verlieren, wenn dieses geplante Projekt nicht zustande käme«, meinte Dr. Bernau.
»Irrtum.« Verena lächelte schwach. »Der Auftrag zur Vermessung wurde gegeben und muß so oder so honoriert werden«, belehrte sie den Arzt. »Einen finanziellen Verlust hätte ich jedenfalls nicht – wenn Sie das meinen.«
»Hm, das beruhigt mich natürlich«, gab Dr. Bernau zurück. Er machte eine unbestimmte Handbewegung und setzte lächelnd hinzu: »Aber ich schlage vor, daß wir dieses Thema jetzt nicht mehr weiter verfolgen, sondern den so schön begonnenen Abend genießen. Das Beisammensein mit Ihnen ist mir zu wertvoll, als daß ich es durch ernste Diskussionen negativ beeinflussen möchte.«
In Veras Augen leuchtete es kurz auf. »Das haben Sie sehr nett gesagt, Werner, und ich danke Ihnen«, sagte sie.
Dabei blieb es dann auch. Weder Dr. Bernau noch Vera Solbach sprachen in den folgenden zwei Stunden, die sie noch plaudernd zusammensaßen, von den Ferienprojekt des Münchener Bauunternehmers.
*
Dr. Bernau konnte es sich am folgenden Morgen, als er seinen Dienst antrat, nicht versagen, kurz auf die Terrasse zu treten, bevor er sich auf seine Station begab. Was er jedoch dort zu sehen erhoffte, konnte er nicht entdecken. Vera