Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek. Peter Schrenk

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Название Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek
Автор произведения Peter Schrenk
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783745212532



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meinten, dass dies ja wohl der schlüssige Beweis für Benrath als Ziel des SASU sei. Captain Hart schüttelte besserwisserisch seinen Kopf und machte im Verein mit seinem Belfaster Kollegen auf eine gewisse Unlogik aufmerksam. »Die SASU-Leute mussten doch davon ausgehen, dass das gesamte Gebäude nach Sprengsätzen abgesucht wird und dass Hunde eingesetzt werden. Auch vor dem Besuch von Mitterand!«

      Der Hauptkommissar stimmte dem zwar nicht direkt zu, war sich aber danach seiner Position nicht mehr ganz so sicher. Eine Erleichterung wollte sich jedenfalls nach der Aufspürung des Sprengsatzes nicht einstellen.

      Die Generalprobe lief dann ohne Probleme. Auch der Polizeipräsident bedankte sich anschließend bei den versammelten Einsatzkräften. Der Hubschrauber mit dem Staatsgast landete kurz vor zwölf auf den Rheinwiesen. Fahrt im Mercedes 600 zur Staatskanzlei, dann um 13 Uhr Essen auf Schloss Benrath. Defilee der Ehrengäste. Landesgalerie für die Kunst. Flughafen. Um 17 Uhr war der ganze Spuk vorbei. Die Zusammenarbeit von uniformierten und zivilen Sicherheitsbeamten nach Maßgabe der Polizeidienstvorschrift 130 hatte den Umständen entsprechend ordentlich funktioniert.

      Nachdem Benedict noch das Anschalten der Kameras auf den Positionen angeordnet hatte, belohnte er sich selbst mit einer Wasch- und Ruhepause in häuslicher Umgebung, Was für ein Glück, dass sie seit Montag wenigstens nicht mehr ständig von diesem lästigen Menschen aus dem Bundeskanzleramt genervt wurden.

      Diese Telefonanrufe gehen einem wirklich auf die Nerven ...

      »Tut mir leid, Junkchen, aber der Tee ist fertig!«

      14

      »Guten Morgen! Schöner Tag heute!« Der junge Posten am Eingang des Bundeskanzleramtes knallt die Hacken zusammen.

      Ministerialdirektor Riechmann hat alles fest im Griff. Seit Montagmorgen ist er fast jeden Tag der erste Früharbeiter im Amt, erstaunt beäugt von den jungen Männern in den dunkelgrünen Bundesgrenzschutzuniformen. Heute, am vierten Tag der Woche, kann er mit Befriedigung feststellen, dass auch die Planung für die Erfüllung des zweiten Teiles der IRA-Bedingungen angelaufen ist. Alles klappt.

      Eine Stunde später weiß Ministerialdirektor Riechmann wieder einmal um die tiefe Wahrheit so schöner alter Volksweisheiten, wie »Morgenstund' ist aller Laster Anfang« oder »Frühen Vogel frisst die Katz«. Um diese Zeit muss er nämlich davon ausgehen, dass irgendetwas nicht planmäßig abläuft. Mr. Philipps konnte am Telefon kaum seine Besorgnis verbergen. »Bitte, seien Sie um 11 Uhr in der Flughafen-Cafeteria! Ich muss Sie dort dringend sprechen!« Dann brach die Verbindung ab.

      Um 12 Uhr ist Johann Riechmann, der Sonderbeauftragte der Bundesregierung, über das gesamte Ausmaß einer möglicherweise katastrophalen Entwicklung informiert, die ihm der TWC-Unterhändler in knappen Worten geschildert hat.

      »Noch am Sonntagabend, nach Abschluss der gemeinsam getroffenen Vereinbarungen, suchte ein Sonderkurier unserer irischen Geschäftspartner den Stützpunkt der betroffenen Einheit in der Nähe von Düsseldorf auf. Die Einheit erhielt den Befehl zum Abbruch der Operation mündlich sowie schriftlich mit der entsprechenden Kennung übermittelt. Für das Kommando konnte also keinerlei Zweifel an der Echtheit des Befehls bestehen. Bitte beachten Sie diesen Umstand! Dazu erging die Anweisung, in dem Stützpunkt Spuren zu beseitigen und die Waffen zu deponieren. Der Schlussteil des Armeerat-Befehls forderte das Kommando auf, sich im Laufe des Dienstags, aber spätestens bis gestrigen Mittwoch 12 Uhr bei einer angegebenen Kontaktadresse in Nordirland zu melden. Bis heute am Donnerstag ist niemand von den Leuten an dieser Adresse aufgetaucht! - Ein Verbindungsmann, der noch gestern alarmiert wurde, suchte die Basiswohnung auf und stellte fest, dass sie offensichtlich geräumt worden war. Nach seinen Angaben waren keine Anzeichen überstürzter Flucht zu entdecken. Auch für eine Enttarnung der Wohnung durch die deutsche Polizei gibt es keine Anhaltspunkte. Stellen, die üblicherweise für die Grenzausschleusung gefährdeter IRA-Mitglieder zuständig sind, wurden bis heute nicht kontaktiert. Von Festnahmen in Westdeutschland oder in angrenzenden Ländern ist nichts bekannt. Das Kommando ist verschollen!«

      Schwierige Situationen hat der bundesdeutsche Regierungsbeamte schon oft in seiner abwechslungsreichen Laufbahn durchgestanden, aber jetzt, während er trübe auf die unberührte Kaffeetasse vor sich starrt, hat er erstmals das Gefühl einer wirklichen Niederlage. Die Schlussfolgerungen des Mannes von der New Yorker TWC, die dieser jetzt in bedächtigem Tonfall anfügt, verfestigen Riechmanns Befürchtungen.

      »Nach unserer Ansicht, und bei dieser Beurteilung stimmen die Auffassungen mit denen der IRA-Führung überein, bestehen nur zwei Möglichkeiten: Entweder musste das Kommando aus unvorhergesehenen Gründen abtauchen, weil Gefahr der Verhaftung drohte oder ...«, auch dem TWC-Mann scheint der nun folgende Satz Schwierigkeiten zu bereiten, »... das Kommando ist so fest konditioniert und fixiert auf diesen Auftrag, dass es sich ganz bewusst der Befehlsautorität des Belfaster Armeerats entzogen hat. Immerhin operieren diese Einheiten sehr selbständig!«

      »Und das heißt?«

      Der Bonner Beamte greift nun doch zu der Tasse mit dem bereits kalten Kaffee.

      »Das Kommando wird den geplanten Mordanschlag auf Ihre Gäste ausführen.«

      Nein, da fällt keine Tasse klirrend auf den Tisch. Riechmann hat sich nur noch die Bestätigung für seine eigene, sehr realistische Einschätzung der Situation geben lassen. Aus! Aber er ist ein Langstreckenläufer. »Sie sind unser Hauptvertragspartner. Auch Sie verlieren viel, wenn das Geschäft platzt! So oder so.«

      »Uns ist die Geschäftsbasis bekannt!«, betont der TWC-Negotiator ärgerlich. »Seit gestern Abend befindet sich in Düsseldorf ein sofort alarmiertes Expertenteam unserer Firma, um die Geschäftsbasis wiederherzustellen. Auch wir, werter Herr Riechmann, verlieren ungern Geld. Wir verlieren überhaupt sehr ungern!«

      *

      Benedicts kurze Ruhepause ist nur noch eine flüchtige Erinnerung in einem Mini-Universum quäkender Funkgeräte, schrillender Telefone, ungeduldiger Anweisungen und zu lang getragener Unterwäsche.

      Der Anruf kommt drüben vom Präsidium.

      »Passen Sie auf! Ich sag’s nur einmal! Sie suchen Leute! Hilden, Köbener Straße, zweiter Stock von Nummer neun, erster Block in der Straße! Ende!«

      Von wegen Müdigkeit! Der Regenschauer hat auf gehört. Zu viert stürzen sie sich in den braunen Passat. Nach zwanzig Minuten sind sie im Düsseldorfer Vorortbereich. Eine typische Umgebung. Typisch für solche Leute, würde Neuner vom BKA sagen. Dass ihr da nicht sofort drauf gekommen seid! Mehrere Autobahnauffahrten in Steinwurfnähe. Fluchtweg nach hinten. Autobahnkreuz Hilden, Auffahrt Düsseldorf-Süd und B 228. Eine Trafostation. Anonyme Wohnblocks in Fertigbauweise, eingeschachtelte Balkons mit traurigen Pflanzen, roh zusammengezimmerte Sandkästen, ein roter Gummiball in schmutzigem Spielsand, zwei vergammelte Holzbänke für Mütter, an der Ecke ein Lebensmittel-Supermarkt, eine gelbe Telefonzelle, grüne Abfallcontainer, eine Bushaltestelle, ein Bus der Linie 782 Richtung Solingen-Ohligs.

      Die Haustür bereitet keine Probleme. Der Schließmechanismus ist wahrscheinlich schon länger kaputt. Ein graues Gummibaumwrack vegetiert in dem nach Desinfektionsmitteln riechenden Hausflur dahin. Sie gehen zu Fuß in den zweiten Stock und horchen an einer der vier Wohnungen. Nichts zu hören. Dann siegt die Ungeduld. Bei der zweiten Klingel ein Erfolg. Vorsichtig öffnet