Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek. Peter Schrenk

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Название Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek
Автор произведения Peter Schrenk
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783745212532



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      Aus dem Hörer kommt nur noch ein leises Schnarren.

      Der Platz ist gut gewählt. Völlig überlaufen. Angeblich die besten Fish and Chips der Welt soll es da geben. Ständig parken sogar Porsches und Mercedesse vor dem Geschäft.

      Der Negotiator weiß, warum Joe Austin selbst hier in Dublin solche Plätze wählt. Auch das Dubliner Büro der Sinn Féin wird ständig überwacht. Von Engländern und Iren.

      Wieder ist der Mann vom Vorstand der Sinn Féin dann vorsichtig. »Im Falle, dass jemand eine solche Aktion planen würde, hätte sie eine eminent große Bedeutung für diese Leute!«

      Der Negotiator nickt dazu nur und stochert in seinen Kartoffelchips. Klar, dass Austin den Preis hochtreiben will.

      Eine halbe Stunde später kennt der TWC-Verhandler die Vorstellungen seiner Geschäftspartner. Am gleichen Samstagnachmittag wird er mit einem TWC-Jet von London aus nach Bonn fliegen und das Angebot unterbreiten.

      *

      Max ist tot.

      Zwei Tage liegt das weiße Tier schon mit ausgestreckten Krallenpfoten auf dem Boden des Käfigs. Moritz, der in dem quietschenden Drahtrad immer noch unermüdlich weiterläuft, wird seinem Bruder sicher bald folgen. In zwei Tagen, in einer Woche. Vielleicht sogar erst in einem Monat.

      Die Nikotinversuche mit den Ratten gab der Mann schon vor einer Woche auf. Sie waren ihm keine aufregende Abwechslung mehr, seit er diese Meldungen in den Zeitungen gelesen hatte.

      Noch fester dichtete er danach die Fenster ab. Die einzige Tür verbarrikadierte er mit den wenigen Möbeln von innen. Er achtete nicht auf die immer besorgteren Blicke der Mutter, wenn sie ihm die wenigen Mahlzeiten durch den schmalen Türspalt reichte.

      Notgedrungen konnte er wieder nur Programme einlegen. Fade!

      Er versuchte sich gegen die kreischenden Stimmen der Nachtweiber durch das Überstülpen von Kopfhörern und schrille Heavy-Metal-Musik abzuschirmen.

      Und irgendwann weiß er es dann. Die da, die seine zwei Brüder heimtückisch überfallen haben, sie sind es, die ihn Nacht für Nacht, Tag um Tag beobachten, mit Drohungen verfolgen. Sie haben seine Brüder der Lächerlichkeit preisgegeben und der Öffentlichkeit ausgeliefert. Das ist schlimmer als der Tod.

      Ja. Die sind seine Gegner. Seine Blutfeinde.

      Bald. Bald würde er ihnen entgegentreten im Glanze seiner Waffen. Zum alles entscheidenden, vernichtenden Kampf! Er würde die gemeinen Kreaturen auf die Knie zwingen, ihnen heimzahlen, was sie ihm und seinen Brüdern angetan haben. Winselnd sollten sie vor ihm in ihrem Schmutz liegen, um ihr unnützes Leben bettelnd. Mit ihren nackten Brüsten würden sie seinen Leib berührend um Gnade bitten, seine Füße mit ihren Zungen lecken. Wie Hündinnen würde er sie nehmen. Und dann ...

      Während der Mann in der Gartenlaube sich unter den dröhnenden Klängen schwerer Musik seinen euphorischen Fantasien hingibt, zerrt draußen ein nächtlicher Herbststurm heftig an den Fensterläden, prasseln losgerissene Äste auf das hölzerne Dach, fegt hochgewirbeltes Laub raschelnd gegen dünne Wände.

      Drüben, im Haus der Mutter, brennt ein unruhiges Licht.

      *

      Bonn. Sonntagnacht. 2 Uhr 30. 18. Oktober.

      Staatssekretär Hunold und Ministerialdirektor Riechmann sitzen seit vier Stunden in dem fensterlosen Raum des Bundeskanzleramtes, der >Käfig< genannt wird. Angeblich soll dieser Raum völlig abhörsicher sein. Der Negotiator ist um 22 Uhr wieder gegangen und ließ sie mit einer Reihe von Problemen zurück. Er würde bis 10 Uhr vormittags in seinem Kölner Hotel ihren definitiven Bescheid erwarten. Erfolgt dieser nicht ... nun, dann ist das Geschäft als abgehakt anzusehen und er würde sich neuen Aufgaben widmen.

      »Die 10 Millionen Dollar sind sicher ein harter Brocken ...«

      »Aber kein Vergleich mehr mit den anfangs geforderten 25 Millionen US-Dollar!«, unterbricht Johann Riechmann den Staatssekretär bestimmt.

      »Gut, gut. Es ist ja inzwischen klar, aus welchen Etattöpfen wir das unauffällig abzapfen können, ohne dass uns das jemand rausschnüffelt!« Damit hatten sie den überwiegenden Teil der vergangenen Stunden zugebracht. Der geforderte Betrag musste unbedingt an den dafür zuständigen parlamentarischen Kontrollgremien vorbei bereitgestellt werden.

      Um drei Uhr morgens können die beiden Männer sich endlich mit der weitaus schwierigeren und politisch viel gefährlicheren zweiten Forderung des Sinn-Féin-Mannes aus Belfast befassen.

      Nachdem in letzter Zeit vermehrt Waffenlieferungen an die IRA abgefangen worden waren, das Aufbringen des Frachters Marita Ann war ein letzter, schwerer Schlag in dieser Kette, stimmte der Armeerat hauptsächlich wegen dieser zweiten Forderung einem möglichen Abbruch der Operation Berlin zu. Das italienische Frachtschiff Laura Venetia befindet sich gerade jetzt mit zehn Tonnen Waffen für die IRA auf dem Weg von Tripolis über Zypern nach Irland. Der Armeerat verfügt über die Information, dass eine Mitteilung über Schiff und Ladung vom israelischen Geheimdienst Mossad an die irische und die englische Regierung gegangen ist. Mit einem Aufbringen des Schiffes bei Erreichen der irischen Küste muss also gerechnet werden. Das würde schwerwiegende Folgen für alle künftigen IRA-Operationen haben, aber auch innerhalb der IRA selbst wäre mit erheblichem Unmut zu rechnen. Die sich daraus ableitende Forderung ist klar: Die Laura Venetia soll wegen einer plötzlich erforderlichen Notreparatur den Hamburger Hafen anlaufen. Im Schutze des Reparaturdocks soll die Ladung, die als Spinnereimaschinen deklariert ist, auf einen deutschen Frachter umgeladen werden. Container mit unverdächtigen Maschinenteilen sollen die abgeladene Waffentonnage auf der Laura Venetia ersetzen und normal mit dem Frachter nach Irland gehen, während gleichzeitig das deutsche Frachtschiff den Hamburger Hafen verlässt und die >Spinnereimaschinen< ordnungsgemäß und unentdeckt in Rosslare gelöscht werden.

      Beiden Männern im >Käfig< stehen die politischen Implikationen dieses Forderungsteils vor Augen. Johann Riechmanns Position in dieser Angelegenheit ist allerdings pragmatischer als die des Staatssekretärs mit seinem politischen Amt. Sollte dieser Teil der Abmachung auch nur ansatzweise in die Öffentlichkeit gelangen, hätte das außenpolitische Konsequenzen ohne Beispiel in der jüngeren Geschichte des Landes zur Folge. Von den innenpolitischen Erschütterungen ganz zu schweigen. Die Gefahren liegen dabei hauptsächlich in der Einbeziehung sehr vieler unterschiedlicher Personen, Dienststellen und Organisationen. BGS, Zoll, Hafenbehörden, Schiffseigner, Schauerleute.

      Dennoch ist die Entscheidung bereits vorhin gefallen.

      Um 6 Uhr 30 haben die beiden Regierungsmänner das Ende des Tunnels im >Käfig< erreicht. Jetzt wissen sie, wie sie auch diesen Teil der Belfaster Forderungen akzeptieren können.

      »Maggie Thatcher röstet uns bei lebendigem Leibe, wenn sie davon was erfährt!«, sagt Staatssekretär Hunold, als Riechmann endlich zum Telefon greift.

      Am morgigen Montag würde Ministerialdirektor Riechmann mit einem Diplomatenkoffer nach Zürich fliegen und den Koffer im Treuhandbüro Dr. Rappertswyl an der Bahnhofstraße übergeben. Die darin befindlichen 10 Millionen Dollar wird Dr. Rappertswyl in dem Moment auf ein Nummernkonto bei der Schweizer Nationalbank einzahlen, in dem Prince Charles und Lady Diana nach ihrem Staatsbesuch in der Bundesrepublik sicher auf englischem Boden gelandet sind.

      »Und was machen wir jetzt mit diesen ISAT-Leuten in Düsseldorf? Sollen wir die nach Hause schicken?«

      »Nein, warum?«, meint Riechmann locker, als sie das schwarze Gebäude gegen 7 Uhr endlich verlassen. »Würde doch sehr merkwürdig aussehen. Hat sich doch offiziell nichts an der Lage geändert. Die sollen ruhig weitermachen!«

      Jovial grüßt er den Wachposten vom Bundesgrenzschutz, der ihren Wagen am Schlagbaum herauslässt.

      Der