Название | Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek |
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Автор произведения | Peter Schrenk |
Жанр | Зарубежные детективы |
Серия | |
Издательство | Зарубежные детективы |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783745212532 |
»Ich mache Kaffee!«
Das Weib duldet keinen Widerspruch.
»Nehmen Sie Milch oder Zucker?«
»Ja, gerne, Frau Helbig.«
»Was? Zucker? Oder Milch?«
»Beides, Frau Helbig!«, sagt der Beamte fest.
Der Kaffee ist erstaunlich gut, und die Frau ist auch im Sitzen noch ein Monument. Ganser sucht er nach einem passenden Ausdruck für diese Art Frau. Stramm, das ist es, eine stramme Person: in der grünen Bluse große, straff gehaltene Brüste, die Schultern aufrecht nach hinten gedrückt. An den Wänden hängen viele Pferdebilder; gemalte Köpfe und Fotografien, Reiterstandbilder. Vielleicht passt der Begriff Herrenreiterin noch besser. Fehlen nur noch Stiefel und Reitgerte. Aber sie hat ein Laster, das verbindet: die gleiche Zigarettenmarke. Erleichtert legt er seine angebrochene HB-Packung vor sich auf den Glastisch.
Und es verbindet wirklich. Die Frau in der grünen Bluse zündet sich mit einem silbernen Tischfeuerzeug eine Zigarette an und inhaliert den ersten Zug tief ein. Dann schiebt sie mit einer kleinen, fast schon intimen Geste Ganser das Feuerzeug hinüber.
»Wie ist Ihr Name?« Mal keine Anordnung.
»Ganser. Erstes Kommissariat.«
»Ich dachte, die Sache wäre erledigt!?«
Halb Feststellung, halb Abtasten.
»Warum?«
»Ich habe dem Polizisten gesagt, dass mein Sohn hier war. Bei mir! Und ein Sexualverbrecher ... ist mein Sohn schon gar nicht!«
Ganser sagt nichts.
Frau Helbig drückt die Zigarette hart im Zinnteller aus, fährt sich mit der ringlosen Rechten durch das streng gescheitelte Kastanienhaar und legt die kräftigen Beine übereinander. Als der dunkle Rock den großen Flecken verbrannter Haut freilegt, stellt sie die Beine hastig wieder nebeneinander auf den Boden.
»Trägt Ihr Sohn einen Ring? Einen großen mit einem bunten Stein?« In einem der Berichte hatte er so etwas gelesen.
»Wieso?«
»Ich würde ihn gerne selbst sprechen«, sagt Ganser sanft.
Die schwere Frau steht auf und stellt sich ans Fenster. Ein starkes, herbes Profil. Dunkle Haut, klare Konturen, festes Kinn unter gerader Nase. Ein Standbild.
»Er ist nicht da!«
»Ich werde auf ihn warten.«
Die geraden Schultern in der grünen Bluse fallen leicht herunter. Ob sie wohl Leberflecken hat? Was ist das für ein rotes Mal an ihrem Bein? Ständig ist sie bemüht, es zu verbergen.
»Das kann dauern. Er ist bei irgendwelchen Computerfreunden. Da kommt er immer erst spät nachts zurück!«
»Ihr Sohn ist nie da, wenn wir mit ihm sprechen wollen.« Eine bewusste Lüge. Nur einmal ist Dunklenbroich dagewesen. »Vielleicht schicke ich ihm eine Vorladung ins Präsidium!«
Erleichterung? Die Frau am Fenster wendet ihr Gesicht zu ihm. »Ja, tun Sie das!«
»Oder sollte ich lieber nachts kommen?«
Die roten Lippen formen einen dünnen Strich.
»Wo lebt Ihr Sohn?«
»Hier im Haus natürlich! Wo sonst?«
Nie eine einfache Antwort. Immer eine Gegenfrage.
»Kann ich mal sein Zimmer sehen? Ich habe keinen Durchsuchungsbefehl!«
Zögernd sagt Frau Helbig: »Kommen Sie!«
Wieder Stufen. Ein Zimmer unter dem Dach. Sehr aufgeräumt. Ein Bett mit einer bunten Decke. Blaue und gelbe Bärchen. Eine Regenbogenbettwurst. Schlittschuhe am Nagel. Farbige Poster von Filmen, an die sich Ganser kaum erinnern kann. Ein Stapel Perry-Rhodan-Hefte. Plattenspieler. Stapelweise Singles. Kinderbücher in einem Holzregal. Alles sehr ordentlich. Jedenfalls ist es nicht das Zimmer eines dreißigjährigen Mannes!
»Ist die Sache damit erledigt?!«
»Nein, Frau Helbig. Erst wenn ich mit Ihrem Sohn gesprochen habe!«
Draußen steigt Ganser in den Wagen. Oben am Fenster sieht er es grün schimmern. Hinter der Ecke, mehrere Häuser weiter, hält er den Wagen an und steigt wieder aus. Er geht auf dem schmalen Weg zwischen Bahngleisen und Gartenzäunen entlang, bis er hinter Bäumen das Dach des Helbigschen Hauses sehen kann. Über die sauber gestutzte Hecke hinweg sieht er zwischen Büschen und Obstbäumen ein gelbes Holzhäuschen stehen. Die Fensterläden sind vorgeklappt.
Er setzt sich auf die Böschung des Bahndamms, lässt sich ein paar Sonnenstrahlen auf die Nase scheinen und wartet. Fünf Zigaretten und sieben vorbeiratternde Züge später sieht er Frau Helbig mit einer Thermoskanne in der Hand durch den Garten gehen. Sie verschwindet im Sichtschatten des Holzhauses. Seine Position ist ungünstig. Die Tür zur Laube liegt auf der abgewandten Seite. Aber nach knapp drei Minuten kommt Mutter Helbig wieder aus dem Schatten der Laube heraus und verschwindet im Hintereingang des Vorderhauses. Ihre Hände sind leer.
Ganser steht leise pfeifend auf.
Die Nebel haben sich verzogen. Mittägliche Herbstsonne wärmt ihn durch die Windschutzscheibe, als er zurück ins Präsidium fährt.
*
»Ich dachte schon, Sie wären krank!«
Stocksauer knallt der Hauptkommissar den Hörer auf die Gabel. Da hat er sich wohl zu früh gefreut. Jetzt gingen die Anrufe aus dem Bundeskanzleramt doch wieder los.
Polizeihauptmeister Liszt starrt mit geistesabwesendem Blick zu ihm herüber. Er hört konzentriert den Funkbericht einer seiner Beobachtungsstationen ab. Seine linke Hand liegt direkt neben dem mattierten Schaft einer Maschinenpistole.
Heute morgen musste Captain Hart mit Alpträumen aufgewacht sein, was vielleicht an dem unbequemen Feldbett lag. Er wartete mit dem, was er zu sagen hatte, nicht mal bis nach dem Zähneputzen. Entsprechend roch die Idee des Engländers auch.
»Die RAFs haben doch sehr früh schon von sämtlichen Planungen in dieser Sache gewusst. Da sind doch Informationen auf höchster Ebene ausgetauscht worden. Wer sagt uns, dass nicht plötzlich McCann und Savage hier in der Tür stehen und uns einen schönen Gruß Splitterbomben hier reinschmeißen!«
Aus diesem Grund haben Liszt und Herrmann neben ihren normalen Dienstpistolen noch zwei Heckler & Koch mit Reservemagazinen auf ihren Arbeitstischen liegen. Die Haltung zum vorgeschlagenen Anlegen von gepanzerten Westen ist allgemein ablehnend gewesen, aber die Westen liegen zumindest seit zwei Stunden griffbereit auf den Schreibtischen. Auf dem Flur steht jetzt ein zusätzlicher Beamter Wache. Ausweiskontrolle. Auch die Leute von der Bildauswertung haben ihre Wagenburg aufgerüstet. Und Benedict hat sich widerstrebend seine Sig-Sauer aus dem Schreibtisch im Präsidium bringen lassen, den Lauf des Mechanismus geprüft und das knarrende Lederholster angelegt. Es ist nicht so, dass Benedict das Schießen oder Waffen allgemein verabscheuen würde. Nein, er gehört nicht zu den idealistischen Spinnern, die stolz mit ihrem Butterbrot in der Pistolentasche herumlaufen. Er schießt sogar gerne, wenn auch nicht besonders sicher. Sein Widerwillen gegen das Tragen und den Gebrauch der Dienstwaffe hat andere Ursachen: Sie ist schwer, unbequem, beult teure Kleidung aus und hinterlässt häufig schmierige Spuren von Waffenfett auf exklusiven Van-Laack-Hemden. Außerdem macht der Gebrauch im Ernstfall immer das umständliche Abfassen eines Berichtes notwendig, und nie ist man wirklich davor gefeit, selbst Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens zu werden.
O’Connell und McGrath sehen reichlich bekümmert drein, als ihnen Benedict das Tragen deutscher 9-mm-Polizeipistolen strikt abschlägt. »Dazu seid ihr hier nicht befugt. Bei Jerry ist das anders. Der gehört zur Special Investigation Branch, und die Engländer haben