Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek. Peter Schrenk

Читать онлайн.
Название Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek
Автор произведения Peter Schrenk
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783745212532



Скачать книгу

zur Bereitschaft eingeteilt, nimmt den Kuriersack und trägt ihn in das neue ISAT-II-Büro. Als er nach kurzer Zeit wieder herauskommt, weht mit ihm ein leicht säuerlicher Geruch heraus. Auch in den folgenden Nächten wird der Motorradkurier seine Lieferungen in das > Weiße Haus< fortsetzen. Immer pünktlich um 21 Uhr 30.

      »In Ordnung. Anfängen!«

      In dem abgedunkelten Raum riecht es streng.

      Das liegt nicht ausschließlich daran, dass sich einige der Anwesenden während der vergangenen Tage nur unzureichend mit Körperhygiene befassen konnten.

      »Noch eins«, sagt eine Stimme aus der Finsternis, »es hat sich ja inzwischen immerhin Material von sechs Tagen angesammelt. Wir haben also versucht, das Verfahren ein wenig zu straffen, im Interesse aller Beteiligten!«

      »Position 1«, ertönt eine weitere Stimme vom hinteren Teil des Raumes. Gleichzeitig mit einem einsetzenden Summton taucht ein grelles Lichtbündel sieben sitzende Personen in seinen Strahlenrand und bringt zwei Gesichter auf eine Leinwand.

      »Linkes Bild«, schließt die Stimme aus dem Hintergrund eine Erklärung an, »zeigt unbekannte Person bei Zutritt Position 1. Rechtes Bild zeigt identische Person bei Verlassen des Objektes über Position 5.«

      Das linke Dia zeigt eine schon ältere Frau mit grauen Dauerwellen aus einer seitlichen Perspektive. Dia rechts zeigt die gleiche Frau, wie sie diesmal allerdings fast auf die Kameraposition zuzugehen scheint.

      »Wir haben diese Vorabzusammenstellung in aller Eile noch gemacht. Kann also passiert sein, dass wir uns da mal vertan haben!«

      Die Müdigkeit in der Stimme ist niemandem im Raum entgangen.

      »Ist schon gut, Mensch. Vielen Dank. Macht weiter!«

      »Position 2. Brücke A!«

      »Position 3. Brücke B!«

      Bild um Bild.

      »Position 4. Bauplatz!«

      Die Augen brennen, fangen an zu tränen.

      »Position 5!«

      »Stopp. Stopp! Gebt mir das letzte Bild noch mal ran!«

      Plötzlich ist alles hellwach. Überanstrengte Hirne verzeichnen neue Energiezufuhr. Adrenalin schießt in Blutbahnen. Rückenmuskulaturen spannen sich.

      Dann Entwarnung. »Danke. War nichts. Weiter!«

      »Position 6! Position 7! Position 8! Position 9!«

      Einige tausend Wanddias später stehen die Männer von ihren harten Stühlen auf, strecken für wenige Minuten ihre malträtierten Wirbelsäulen und schlenkern eingeschlafene Gliedmaßen. Das alles schweigend. Längst hat der durchdringende Säuregeruch aus den Entwicklungsbehältern ihre Lippen verätzt.

      »Machen wir also weiter.«

      Auf der Leinwand zur Abwechslung mal Videofilme. Wieder zwei nebeneinander.

      »Links, Position A. Rechts, Position B!«

      Eine belebte Straße im Bildvordergrund. Eine Straßenbahn. Mal von links, mal von rechts. Dahinter ein breiter Fußgängerweg. Ein Rasenstück. Der Rand eines Gewässers. Die Filme jetzt im Schnelldurchlauf. Tag. Nacht. Tag. Viel Verkehr. Abflauend. Fast ruhig. Ansteigend. Hektisch. Autos im Scheinwerferlicht. Regenspiegelnder Asphalt. Menschen mit Modellbooten unter dem Arm setzen ihre Boote auf dem Gewässer aus, bewegen kleine Hebel an ihren Fernsteuerungen, gehen mit den Booten wieder weg. Regen. Sonne. Regen. Nacht. Tag. Nacht.

      »Das war's. - Wohl nichts dabei gewesen, oder?«

      Der Stimme ist vorweggenommene Enttäuschung anzumerken.

      Die Männer, die den dunklen Raum verlassen, sind zu übernächtigt, um noch zu antworten. Sie reiben sich schabend über ihre Bartstoppeln und zwinkern erstaunt in das graue Licht des beginnenden Tages.

      Ein paar unruhige Schlafstunden noch zwischen arbeitenden Kollegen auf quietschenden Provisorien. Dann normaler Dienst bis zur kommenden Nacht, bis zur nächsten Nachtvorführung.

      Jede kommende Nacht.

      Am Freitagnachmittag kommt Benedict endlich dazu, sich auch mal wieder um den Stand der SpriKo-Ermittlungen zu kümmern.

      Aber Ganser hat sich mit einer fiebrigen Grippe schon am Montag krank gemeldet, will aber am Wochenende seine Arbeit im Präsidium aufnehmen.

      »Habe versucht, dich zu erreichen, Chef. Aber bei euch ist ja wohl im Moment Hochbetrieb!«

      »Könntest du recht haben.«

      »Und ... wie kommt ihr voran?«

      Da legt der ISAT-Chef einfach den Hörer auf die Gabel.

      *

      »Room-Service. Good evening!«

      »Philipps. Kerry-Suite. Bringen Sie mir bitte einmal Atlantik-Seezunge und die Mille-Feuille-Torte. Und Kaffee, bitte!«

      Mr. Philipps ist gerade mit der Maschine aus London im Dubliner Hotel Shelbourne eingetroffen. Der grauhaarige Mann hat sich als Kaufmann in die Hotelanmeldung eingetragen. In seinem gedeckten Anzug und mit dem typischen Leichtgepäck des internationalen Business-Travellers fällt er in der Masse der ständig herumjettenden Geschäftsleute nicht weiter auf. Nur dass diese in der Regel keine der sündhaft teuren Suiten im besten Hotel am Platz bewohnen und dass sie normalerweise keine Aktenkoffer mit doppelt gesicherten Geheimböden bei sich tragen, in denen noch dazu französische, britische und deutsche Reisepässe mit anderen Namen, aber identischen Fotos liegen.

      Terence Philipps, wie er bei diesem Auftrag heißt, weiß die Annehmlichkeiten seiner Position zu schätzen. Aber er kennt auch sehr genau seinen eigenen Wert.

      Der Mann, der sich mühelos in vier Weltsprachen zu Hause fühlt, gehört zu einer Handvoll hochklassiger Spezialisten der TWC Inc., die weltweit nur die besten ihrer Klasse rekrutiert.

      Er ist ein Negotiator.

      Damit gehört er zu jener TWC-Elite, die die eigentlichen, immer heiklen Verhandlungen zwischen den unterschiedlichen Auftragsparteien zu führen hat, Konditionen verabredet, Vorbedingungen abschwächt, Sicherheiten bietet, Misstrauen beseitigt, für die akkurate Einhaltung der abgesprochenen Abläufe garantiert.

      Menschenkenntnis, Erfahrungen auf vielen Ebenen und unbedingte Integrität gegenüber den unterschiedlichen Parteien sind die Erfolgsgeheimnisse eines guten Negotiators in Diensten der TWC Inc.

      Philipps hat sich vor drei Tagen mit seinem Ansprechpartner von Sinn Féin in Belfast zu einer ersten Kontaktaufnahme getroffen. Dort, im Schatten des mächtigen Royal Victoria Hospitals, unterbreitete er während eines regnerischen Spaziergangs im Dunville Park dem rosagesichtigen Mann mit den Hasenzähnen das Verhandlungsangebot des deutschen Ministerialdirektors.

      Vorsichtig wie immer hatte der kleine Sinn-Féin-Mann aus der Falls Road reagiert.

      »Immer vorausgesetzt, solch eine Operation ist wirklich von diesen Leuten geplant, werde ich Ihr Angebot den möglicherweise interessierten Leuten übermitteln. Sollte dann von dieser Seite Interesse an weiteren Verhandlungen bestehen, treffen wir uns am Samstag zu einem neuen Gespräch. Drüben in Dublin.«

      »Gut«, hatte der Negotiatcr genickt.

      »Wo kann ich Sie erreichen?«

      »Im Shelbourne Hotel. Ab 8 Uhr abends.«

      Terence Philipps steht von seiner Seezunge auf, um das Fenster zu schließen. Ein feiner Regen prasselt an die Scheiben. Kaum dass die Umrisse der Bäume im gegenüberliegenden St. Stephens Green Park zu erkennen sind. Als er dann das erste Stück Torte in den Mund schieben will, läutet das Zimmertelefon.

      »Wir treffen uns morgen um 12 Uhr bei Burdock’s. Sie kennen das?«