Als Jakob vom Himmel fiel. Peter Fuhl

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Название Als Jakob vom Himmel fiel
Автор произведения Peter Fuhl
Жанр Контркультура
Серия
Издательство Контркультура
Год выпуска 0
isbn 9783347114470



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laut. Obwohl es ganz ruhig war und ihn alle ansahen.

      „Sie haben jetzt die Gelegenheit, einen Vertrauensmann zu wählen, der Ihre Interessen als Rekruten wahrnimmt und sich bei eventuellen Problemen direkt an die Vorgesetzten wenden kann. Dabei kann er auch Hierarchien überspringen. Außerdem trifft er sich ab und zu mit dem Kompanieführer, also dem Hauptmann, um sich auszutauschen. Wir lassen Sie jetzt allein, um sich in Ruhe abzusprechen und Vorschläge zu machen. In dreißig Minuten wird dann gewählt.“

      Sprach‘s und machte Anstalten zusammen mit den Unteroffizieren, die zuvor die Rekruten in den Saal geführt hatten, diesen wieder zu verlassen.

      Aber dazu kam es nicht mehr, weil Harry plötzlich anfing zu brüllen.

      „JAKOB! JAKOB!“

      Lt Scholz stimmte sofort mit ein, dann der Rest der Stube. Die Rufe breiteten sich schnell aus und schließlich riefen alle „JAKOB! JAKOB!“

      „Wer ist Jakob?“, fragte der Leutnant.

      Jakob meldete sich.

      „Gibt es Gegenvorschläge?“

      Gab es nicht.

      „Nehmen Sie die Wahl an?“

      Jakob sah sich um. Alle sahen Jakob an. Außer den Leuten aus seiner Gruppe, die alle -inklusive Pickelgesicht und Vollbart -mit einem Grinsen im Gesicht auf ihren Stühlen saßen, kannte er niemanden. Lt Scholz flüsterte Harry etwas ins Ohr und beide kicherten.

      „Nehmen Sie die Wahl an?“, fragte der Leutnant nochmal.

      „Ja“, sagte Jakob so leise, dass man es gerade noch hören konnte und Harry und Lt Scholz fingen wieder an „JAKOB!“ zu rufen. Sie wurden aber mit einer Handbewegung schnell abgewürgt.

      „Es muss auch noch ein Stellvertreter gewählt werden“, fuhr der Leutnant fort. „Gibt es Vorschläge? Will sich jemand zur Wahl stellen?“

      „GÜNTER! GÜNTER!“-Rufe waren von hinten zu hören. Das Beispiel hatte Schule gemacht. Günter stand auf.

      „Gibt es noch andere Vorschläge?“

      Niemand meldete sich.

      „Günter, rauchst du?“, unterbrach Harry die Stille.

      „Ja, warum?“, antwortete Günter verdutzt.

      Und sofort brüllte Harry in voller Lautstärke „GÜNTER! GÜNTER!“ und alle -außer Vollbart -brüllten mit.

      Als auch der Leutnant brüllte, wurde es schlagartig ruhig.

      „Gut, dann wäre das erledigt“, sagte er kopfschüttelnd und wandte sich an die anwesenden Unteroffiziere. „Lassen Sie vor der Waffenkammer antreten und beginnen Sie mit der Waffenausbildung!“

      Bevor jedoch das neue Arbeitsgerät begutachtet werden konnte, bekam jeder am Eingang des Schulungssaales noch seine Empfangsberechtigungs-Karte ausgehändigt, die unterschrieben werden musste. Erst danach ging es geschlossen zur Waffenkammer, vor der man in langer olivfarbener Reihe weitere zwanzig Minuten wartete, bis die Waffenausgabe endlich begann. Die Reihe wurde kürzer, das Fenster der Waffenausgabe größer und schließlich hielt auch Jakob ein G3 mit ausfahrbarer Schulterstütze in den Händen.

      Schwer, hart, kalt. Deutscher Stahl. Heckler & Koch. Keine Liebe auf den ersten Blick, aber eine fremdartige Faszination ausstrahlend. Als Zugabe gab es noch ein leeres Magazin und ein paar Platzpatronen obendrauf.

      Wie hypnotisiert starrte Jakob auf das Gewehr in seinen Händen, sodass er auf dem Weg zurück zur Stube fast auf der Treppe stürzte, weil er nicht auf die Stufen geachtet hatte.

      Auf der Stube angekommen, nahm Lt Scholz sofort eine Kamera aus dem Spind und ließ sich mit Waffe fotografieren. Schneidig blickte er ins Objektiv.

      Dann wurden Gruppenbilder gemacht. Harry und Jakob mit Zigarette im Mund, das G3 mit Lauf nach oben, Finger am Abzug. Nussknacker und Roland, jeder mit einem Fuß auf einem Stuhl, das G3 lässig auf dem Knie ruhend, den Finger am Abzug. Pickelgesicht und Vollbart die Gewehre stolz vor der Brust, den Finger am Abzug. Die Gesichter, die in die Kamera blickten, waren ernst, furchtlos und zu allem entschlossen.

      Eine angsteinflößende Truppe!

      „Achtung!“

      Fhj Berger kam wie immer ohne vorher anzuklopfen in die Stube hereingeschneit. Ausgerechnet jetzt. Vollbart machte schnell Meldung und Peinlichkeit breitete sich langsam in der Stube aus. Dabei hatte Fhj Berger kein einziges Wort gesagt. Sein Blick und sein Lächeln reichten völlig aus.

      „Rührt euch! Die Kippen aus, einen Poncho auf dem Tisch ausbreiten und mit den Waffen herantreten!“, unterbrach er endlich die Stille. Die Peinlichkeit verschwand aus der Stube.

      Dann nahm er das Gewehr von Lt Scholz und erklärte, wie die Waffe funktioniert.

      „Hier kann man Einzeloder Dauerfeuer einstellen und so wird die Waffe gesichert und entsichert. Das Magazin führt man folgendermaßen ein …“

      Es klickte.

      „Noch Fragen? Sehr gut. Dann probieren Sie es jetzt mal selbst. Danach werden wir die Waffen in ihre einzelnen Teile zerlegen und wieder zusammenbauen.“

      Ohne hinzusehen zog er das Magazin wieder heraus und gab das G3 wieder Lt Scholz zurück.

      „Entsicherte Waffen mit eingeführtem Magazin und ohne pseudo-martialische Verrenkungen sehen übrigens auf Fotos gefährlicher aus als umgekehrt“, schob er noch hinterher und schon war sie wieder in der Stube.

      Die Peinlichkeit.

       6. Rüsselkäfer

      „ABC-Alarm! Gummifotze raus!“

      Pickelgesicht setzte den Helm ab und fummelte wie wild an seiner ABC-Tasche herum. Schließlich riss er sie auf und stülpte die Gasmaske so hektisch über seine Pickel, dass er sich fast die Ohren abgerissen hätte. Sein G3 rutsche ihm dabei vom Knie und knallte auf den Boden. Den Helmverschluss konnte er anschließend nicht gleich schließen und als er sein G3 wieder in den Händen hatte, verhedderte er sich damit in seinem Poncho.

      Es sah nicht besonders elegant aus. Aber es war auch das erste Mal. Der Umgang mit der ABC-Ausrüstung musste geübt und die Gasmasken auf ihre Dichtigkeit geprüft werden. Am besten am lebenden Objekt.

      Fhj Berger schüttelte nur den Kopf.

      „Los jetzt! Marsch, Marsch! Hau endlich ab!“, brüllte er Pickelgesicht an, der taumelnd losrannte und nach wenigen Metern von gewaltigen Rauchschwaden verschluckt wurde.

      Um das Testen der ABC-Ausrüstung für alle Beteiligten so kurzweilig wie möglich zu gestalten, hatte man um ein großes Zelt herum einen Parcours errichtet, der mit Nebeltöpfen und Rauchgranaten garniert war. Der Parcours musste zweimal mit Gepäck und Waffe durchlaufen werden. Dann ging es in das Zelt, das ebenso mit Nebeltöpfen und Rauchgranaten gesegnet war und -sofern man den Ausgang fand -auf der anderen Seite des Zeltes wieder ins Freie.

      Dort verstaute man die ABC-Ausrüstung wieder ordentlich in seiner ABC-Tasche, lief zum Ausgangspunkt zurück und meldete seinem Vorgesetzten, dass es tierisch Spaß gemacht hat und man noch einmal losgeschickt werden möchte. Der Bitte wurde jedes Mal entsprochen.

      Die Unteroffiziere hatten außerdem die Aufgabe zu überprüfen, ob die ABC-Ausrüstung richtig angelegt war, bevor sie ihre Rekruten in das rauchende Inferno schickten und sie bei nachlassendem Eifer mit passenden Befehlen anfeuerten.

      Nur die beiden Sanitätssoldaten, die in einiger Entfernung in ihrem Sanka sitzend das Spektakel beobachteten, hatten nichts zu tun.

      Die Übung sollte so lange gehen, bis die beiden Sanitätssoldaten müde und abgekämpft waren.

      Als Nächster wurde Lt Scholz ins Rennen geschickt. Ohne das geringste Problem stülpte er die Maske über seinen Kopf, setzte den Stahlhelm auf und stürmte los. Er sah aus wie ein gigantischer graugrüner Rüsselkäfer, der auf Krawall aus war.

      Dass