Mia und der Erbe des Highlanders. Morag McAdams

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Название Mia und der Erbe des Highlanders
Автор произведения Morag McAdams
Жанр Языкознание
Серия Ian McLaren - der Berserker
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783958131972



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      »Mary hilft mir, obwohl sie gar nicht merkt, wie sehr ich mich auf sie verlassen muss. Das Schultertuch hat sie mir geliehen.« Ihr eigenes, das zu dem gelben Kleid gehörte, war irgendwo zwischen den Zeiten verloren gegangen. Mia drückte die Hand in den schmerzenden Rücken, bevor sie sich wieder aufrichtete und ihre nun aufgeschnürten Stiefel mit Hilfe des jeweils anderen Fußes vom Spann schob.

      »Ich habe auch Teile von Emmas Erinnerungen«, ergänzte sie. »Leider lässt mich dieses Wissen immer dann im Stich, wenn ich es wirklich bräuchte.«

      »Mit der Zeit wirst du immer mehr verstehen. Das passiert selten und ist ein Geschenk der Magie. Nicht alle Zeitwanderer nehmen den Platz eines anderen Menschen ein, sie müssen sich ein ganz neues Leben aufbauen.«

      Mia biss sich auf die Zunge. Sie wolle die Hilfsbereitschaft der Alten nicht aufs Spiel setzen, also behielt sie für sich, dass auch sie lernen musste, ein vollkommen neues Leben zu führen.

      Sybilla kniete sich hin und stellte Mias Füße auf ihre Oberschenkel. Mit den Handflächen berührte sie sanft die aufgescheuerten Stellen. Dann schienen sie mit einem gelben Licht zu leuchten und Mia konnte die Wärme spüren.

      »Was tust du da?«

      Sybillas fester Griff verhinderte, dass sie zurückzuckte.

      »Ich wirke Magie. Halt still.«

      Wieder gehorchte sie. Was immer Sybilla gerade tat, es fühlte sich gut an ihrer geschundenen Haut an. Sie seufzte leise, als sie schließlich losließ, und begutachtete das Ergebnis. Die Fersen ihrer Füße waren noch leicht gerötet, doch die Haut war unversehrt.

      »Bist du«, sie räusperte sich, um weitersprechen zu können. »Bist du eine Hexe?«

      Sybilla nickte langsam und rieb sich über die Arme, als fröre sie.

      »Dann beherrschst du die Magie?« Mia konnte nicht verhindern, dass ein winziger Hoffnungsfunken aufglomm, sogar als die Alte den Kopf schüttelte.

      »Magie ist wie ein Fluss. Du kannst dir etwas von dem Wasser schöpfen, aber das große Ganze wird immer den Weg nehmen, den es will.«

      »Dann kannst du mich nicht zurück durch das Steintor schicken?«

      Sybilla seufzte tief und stand auf. Mit der rechten Hand schob sie eine lockere Haarsträhne wieder in ihre Frisur.

      »Nein.«

      Der Funken war erloschen und Mia hatte lange wachgelegen. Sie hatte an die Zukunft gedacht, die sie mit Fred hätte haben können, und daran, was ihr in dieser fremden Zeit bevorstand. Wie würde ihr Leben aussehen? Würde sie so enden wie Frances, alt und verbraucht? Würde sie einsam und traurig sein wie Sybilla? Oder würde sie jemanden heiraten, vielleicht heiraten müssen? War sie nicht bereits zu alt, um für einen Mann in diesem Jahrhundert attraktiv zu sein? Und wie sollte sie jemanden, der nicht Fred war, lieben können? Sie hatte statt Antworten nur weitere Fragen gefunden und sich in den Schlaf geweint.

      Als sie sich am Morgen frisch machte, griff sie, innerlich mit den Schultern zuckend, nach der Zahnbürste. Eigentlich konnte ihr alles egal sein. Sie sah keinen Grund, sich um irgendetwas zu kümmern. Am besten betäubte sie ihre Gefühle und begrub sie tief in sich. Hoffnung zu haben riss die Wunden immer wieder auf. Es war an der Zeit, sich damit abzufinden, dass ihr Leben nicht so verlief, wie sie es sich gewünscht hatte.

      Sie ließ sich von Mary in das gelbe Kleid helfen, denn ihre Dienstkleidung sollte sie an ihren freien Tagen nicht tragen. Dunkel erinnerte sie sich an die Zeit, nachdem ihr Vater die Diagnose Morbus Alzheimer bekommen hatte. Damals hatte sie Ähnliches gefühlt, doch jetzt war es schlimmer. Ihre Welt war auf jede erdenkliche Weise zusammengebrochen. Hoffentlich kümmerte Fred sich um ihren Vater, für den es keinen Unterschied machte, wer ihn besuchen kam. Die Hauptsache war, dass sich jemand Zeit für ihn nahm.

      Die Verabschiedung von ihrer Freundin war kurz, weil für Mary der Arbeitstag begann. Zögernd trat Mia durch das Tor, das den Hof vom Rest der Stadt trennte. Das Schloss lag im Sonnenschein, seine Wände strahlten in hellem Gelb und vor dem Eingang wehte die Fahne im leichten Wind. Der Ziergarten im Schlosshof, der sich wie ein Band um einen Brunnen wand, leuchtete nach dem Regen in Grün, Rot, Gelb und Weiß, und eine Welle des Glücks schwappte über Mia. Die Schönheit des Anblicks war Balsam für ihre Seele und sie atmete tief durch. Beschwingt drehte sie sich um. Der weite Rock ihres Kleides wippte im Takt ihrer Schritte, die sie an der Kirche vorbei und über den Marktplatz führten. Die Bauern und Kaufleute boten wie jeden Samstag ihre Waren an. Mia konnte die vielen verschiedenen Gerüche noch unterscheiden, als sie bereits zwei Straßenzüge weiter in den schmalen Weg einbog, der zu Emmas Elternhaus führte.

      Ein wenig befangen wurde sie langsamer. Sie wusste nicht, was sie erwartete. Emmas Mutter würde vielleicht etwas sehen, das sie von ihrer Tochter unterschied, und könnte sie verstoßen. Dabei brauchte sie gerade jetzt den Rückhalt einer Familie. Seit frühester Jugend war sie durch die Trennung ihrer Eltern und die sich einschleichende Krankheit ihres Vaters auf sich allein gestellt gewesen, bis sie in Fred Halt gefunden hatte. Nun war ihr auch das genommen worden.

      Emma hatte ihr keine Erinnerungen an ihr Heim hinterlassen, und so hoffte Mia auf das Beste, als sie sacht an die Tür klopfte und eintrat. Zwei Augenpaare starrten sie an.

      »Hallo Mutter«, grüßte sie steif die Frau, die am Tisch saß. Mia war durch die Eingangstür direkt in die Küche getreten. Einen Hausflur gab es nicht. Von der Frau mit den strähnigen grauen Haaren erhielt sie nur ein Nicken und Mia fühlte sich unbehaglich. Dann fiel ihr Blick auf ihren Bruder, dessen blaue Augen vor Freude strahlten. Mia lächelte.

      »Benny.«

      Ihr Vater hatte sein jüngstes Kind, den langersehnten Stammhalter, nach dem Sohn der McLarens benannt: Kendrick Beneficiary. »Wenn etwas schiefgeht«, hatte er seinen Töchtern damals erklärt, »haben wir immer noch einen Erben.« Emma hatte damals nicht verstanden, was ihr Vater gemeint hatte, doch sie und Jane hatten ihren Bruder nie anders als bei seinem Spitznamen gerufen, der aus seinem Beinamen entstanden war.

      Benny streckte ihr die Zunge heraus, was ihm einen Schlag auf den Hinterkopf von seiner Mutter einbrachte. Dann stemmte sich Martha am Tisch hoch. Mit unverhohlenem Zorn baute sie sich vor Mia auf. Ihre Schürze war fleckig und zerrissen, und auch das Kleid war beinahe ein Lumpen.

      »Du bist spät.«

      »Entschuldige, Mutter.« Sie wagte nicht, eine Ausrede vorzubringen. So hatte sie sich ihre Familie nicht vorgestellt. Emmas Mutter sah aus, als hätte ihr das Leben einmal zu oft auf die Füße getreten, und alles, was sie noch spüren könnte, war Wut.

      »Wie siehste überhaupt aus? Was haste da an?« Martha wurde nicht laut, doch ihre Stimme klang kalt und unbarmherzig.

      »Von wem haste dieses Kleid?« Die Ohrfeige traf Mia unvorbereitet. Sie wich zurück.

      »Du solls’ nich’ stehlen! Du wirs’ dieses Kleid zurückgeben, sonst zerr’ ich dich eigenhändig zum Gendarmen! Wie kannste es wagen, etwas zu nehmen, was dir nich’ zusteht?!« Der zweite Hieb war ebenso schmerzhaft, und unterhalb ihres Auges fühlte Mia eine Schwellung entstehen, als die zornige Frau noch einmal zuschlug.

      »Geh mir aus’n Augen. Zieh dir etwas Anständiges an.«

      Mit schlafwandlerischer Sicherheit fand Mia den Raum, den sich Emma bis vor einigen Monaten mit ihrer kleinen Schwester geteilt hatte. Sie ließ sich auf dem Bett nieder und versuchte zu begreifen, was gerade geschehen war. Emmas – ihre – Mutter hatte sie geschlagen und kleingemacht, ohne ihr eine Chance zu geben, sich zu rechtfertigen. Vorsichtig betastete Mia die Schwellung auf ihrer Wange. Sie hätte ohnehin nichts zu ihrer Verteidigung sagen können. »Mutter, ich bin nicht die Emma, die du kennst. Ich bin durch die Zeit gereist.« hätte ihr sicherlich noch mehr Prügel eingebracht. Martha entsprach ganz und gar nicht ihrer Vorstellung von einem fürsorglichen Elternteil. Da wäre ihr die eigene Mutter, die sie ihre Kränkung, weil sich Mia für ihren Vater als Hauptsorgeberechtigten entschieden hatte, noch immer spüren ließ, lieber.