Mia und der Erbe des Highlanders. Morag McAdams

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Название Mia und der Erbe des Highlanders
Автор произведения Morag McAdams
Жанр Языкознание
Серия Ian McLaren - der Berserker
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783958131972



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eintrat.

      »Ich helfe dir.« Vor Erleichterung, wenigstens einen freundlichen Menschen in diesem Haus getroffen zu haben, traten ihr die Tränen in die Augen. Schnell drehte sie sich um, damit er es nicht bemerkte.

      »Mach dir nichts daraus, Emma.« Seine Finger waren rau und voller Schwielen, nicht kühl und geschickt wie Marys, und ganz anders als Freds zärtliche Hände. Mia schluckte die Tränen herunter.

      »Vater hat Geld geschickt, und als ich mein Lehrgeld davon genommen hatte, war noch genug übrig, um eine Flasche Rum zu kaufen.« Unbeholfen streichelte er ihre Schulter und Mia empfand Mitleid mit ihm. Ein Fünfzehnjähriger sollte nicht so nüchtern über seine alkoholkranke Mutter reden können.

      »Morgen ist sie wieder die Alte, Emma. Ganz bestimmt.«

      »Danke«, flüsterte sie, als er das Zimmer verlassen hatte. Sie legte das zerknitterte Gewand auf das Bett und holte ein schlichtes braunes Kleid aus dem Schrank. Der Stoff war steif und kratzte etwas, und sie konnte keinen Unterrock finden, wie sie ihn bei der Arbeit trug. Mit Hilfe eines schmucklosen Schultertuchs band sie ein Bündel aus dem gelben Kleid. Sie musste es mitnehmen, wenn sie ins Schloss zurückkehrte.

      Den Tag über ging Mia auf Zehenspitzen durch das Haus. Am späten Vormittag griff sie nach der Einkaufsliste, die Martha diktiert haben musste, als sie noch nüchtern war. Sie nahm etwas Geld und ging auf den Markt. Kurz vor Ende der Marktzeit war das Gemüse billiger, weil es oft braune Stellen oder andere kleine Makel hatte. Die Münzen fühlten sich vertraut in ihrer Hand an. Mia war erleichtert. Es hätte seltsam ausgesehen, wenn sie mühsam nach dem passenden Geldstück kramen müssen hätte.

      Auf dem Markt ließ sie sich Zeit, obwohl sie ein schlechtes Gewissen hatte, Benny so lange mit der betrunkenen Mutter allein zu lassen.

      Allerdings hatte der Junge wesentlich mehr Erfahrung, mit ihr umzugehen, als Mia. Er erlebte sie schließlich wesentlich häufiger als Emma, die nur an ihren freien Tagen nach Hause kam.

      Sie genoss es, sich mit der Menge treiben zu lassen. Sie konnte vorgeben, dazu zu gehören und nicht mehr Sorgen zu haben als die Menschen um sie herum. Doch irgendwann ließ sich die Rückkehr in Emmas Elternhaus nicht mehr hinauszögern und die Trostlosigkeit legte sich über sie wie ein schwerer schwarzer Schleier.

      Sie kehrte in das Fachwerkhaus zurück und begann, Brote für Benny und sich selbst zu richten. Sie erinnerte sich an die letzte Mahlzeit, die sie für sich und Fred gerichtet hatte. Sie sollte ihn vergessen, denn das war es, was Sybilla von ihr erwartete. Sie sah aus wie Emma, also sollte sie Emma sein. Das Brot war altbacken und schmeckte fad, und nach einigen Bissen schob Mia den Teller weg. Es wäre besser, wenn sie vollkommen in ihr neues Leben eintauchte. Es gehörte nicht länger der verschwundenen Emma. Es war ihr Bruder, der mit ihr am Tisch saß, und ihre Mutter, die den Rausch ausschlief. Emma hatte ihr dieses Leben überlassen, und vielleicht hatte Mia irgendwann die Kraft, das Beste daraus zu machen. Müde rieb sie sich über das Gesicht, bevor sie aufstand und den Kessel aufsetzte, um Tee zu kochen. Ihre Mutter bewegte sich unruhig im Schlaf.

      »Wo ist der Tee hin, Benny?« Auch nach längerem Suchen hatte Mia in keiner der Büchsen Teeblätter oder Kräuter gefunden.«

      »Leer, denke ich.« Auch ihr Bruder sah müde aus.

      »Dann geh schnell hinters Haus und hole mir Brennnesseln«, bat sie. Es war Emmas Wissen, auf das sie zurückgriff, denn sie selbst hatte keine Ahnung, woher der Gedanke kam und wie sie aus der stechenden Pflanze Tee zubereiten konnte. »Das kannst du doch, oder?«

      Benny sah sie genervt an, bevor er sich auf den Weg machte, das Gewünschte zu bringen.

      »Du musst mich das nicht jedes Mal fragen«, maulte er bei seiner Rückkehr. »Ich bin kein kleines Kind mehr.«

      »Tut mir leid.«

      Mia versuchte, nicht darüber nachzudenken, was sie tat. Sie überbrühte die Blätter kurz mit heißem Wasser, bevor sie den ersten Sud ausgoss, Wasser nachfüllte und den Tee ziehen ließ.

      »Hat Vater auch geschrieben?«

      Benny nickte und zog ein zusammengefaltetes Blatt Papier aus seiner Hosentasche.

      »An meine Familie. Ich verweile noch immer untätig in der Stadt Liverpool. Wir warten auf eine Lieferung für den Bau der Gleise. Ich bleibe nicht müßig. Die Bürger sind aufgeschlossen. Es kommen immer mehr Iren, die viele Ideen haben, die auch mich beschäftigen. W. McGregor.« Ihr Bruder ließ den Brief sinken. Er hatte die unpersönlichen Zeilen stockend und mit vielen Fehlern vorgelesen. Mia starrte ihn an. Neue Ideen zu haben bedeutete in dieser Zeit, dass es zu Aufständen kam. Sie war froh, dass der Vater weit weg von Donnahew Castle in Liverpool war. Ihr Bruder schien ihre Sorge nicht zu teilen. Er ging zum Holzofen und goss eine Tasse Tee ein. Mutter war aufgewacht und blickte mit fiebrigen Augen umher.

      »Was machst du eigentlich hier?«, herrschte sie ihren Sohn an, der ihr das Getränk reichte.

      »Der Meister ist krank und hat mir freigegeben.« Er sagte das nicht zum ersten Mal an diesem Tag.

      »Wird Zeit, dass der Gauner den Löffel abgibt«, brummte Mutter. »Dann kannst du die Schusterei übernehmen.«

      Benny sagte nichts. Mia wusste, dass er noch nicht ausgelernt hatte. Er brauchte seinen Meister noch. Ihre Mutter sah das vermutlich auch ein, wenn sie einen klaren Kopf hatte.

      Das Muhen der Kühe, die gemolken werden wollten, wurde vom Wind herangetragen. Gelangweilt und unsicher sah Mia aus dem kleinen Fenster, bis Benny sie heranwinkte und ihr ein Buch reichte. Die Mutter schimpfte leise vor sich hin.

      »Lies etwas vor, Emma«, bat er. »Du liest so schön. Es wird sie beruhigen.«

      Widerstrebend ließ Mia sich auf dem Sessel neben ihrer Mutter nieder. Der Stoffbezug war abgewetzt und speckig und das Polster durchgesessen. Das Buch wog schwer in ihrer Hand und sie blätterte darin, bis sie an einer Stelle stoppte und zu lesen begann:

      »Es war einmal vor gar nicht allzu langer Zeit ein König. Er hatte nur einen einzigen Sohn, den er liebte und hütete wie einen Schatz. Denn einst hatte eine böse Hexe Rache geschworen …«

      Benny hatte sich hinter seine Mutter gestellt und lauschte beinahe andächtig. Er sah aus wie der kleine Junge, der er gewesen war, als Mia und Jane sich an Stelle von Martha um ihn kümmern mussten. Mia schluckte und wandte sich wieder dem Buch zu.

      »… und der Prinz entkam der bösen Hexe mit viel Geschick. Er ritt hinaus zur Mühle, hob das schöne Mädchen auf sein Pferd und kehrte mit ihr ins Schloss zurück. Die schreckliche Alte aber, die dem Jüngling hatte schaden wollen, wurde ergriffen und in den höchsten Turm gesperrt. Bald darauf wurde Hochzeit gefeiert. Es gab ein Fest im ganzen Land mit Jubel und Musik und einem großen Mahl für alle. Und wenn sie nicht gestorben sind, so leben der Prinz und seine schöne Müllerstochter noch heute.«

      Mutter schnaubte verächtlich. »Als ob so etwas je passieren würd’. Schlag dir die Träume aus dem Kopf, Mädchen, solange du jung bis’!«

      »Natürlich, Mutter.« Die betrunkene Frau konnte zwischen Märchen und Wirklichkeit nicht unterscheiden. Mia träumte nicht von einem Prinzen. Ihren Traumprinzen hatte sie verloren.

      »Der Heath, der würd’ dich nehmen.« Mutter lächelte und sah beinahe freundlich aus. »Dem macht es nix aus, dass du schon so alt bis’. Ist’n guter Junge, Brown’s Heath.«

      Eine Erinnerung durchzuckte sie wie ein Blitz.

      »Nein!«, rief sie und sprang auf. Das schwere Buch polterte zu Boden. Ihr wurde heiß und kalt.

      »Entschuldigt mich«, stammelte sie und rannte in ihr Zimmer.

      Er hatte versucht, sie zu vergewaltigen. Heath Brown war der unheimliche Reiter und er hatte versucht, Emma zu vergewaltigen.

      Mia rollte sich zitternd auf der Strohmatratze zusammen, als sie die letzten Erinnerungen der anderen Frau durchlebte.

      Emma hatte den Auftrag, zum Forsthaus zu laufen und die Bestellung für das Wild aufzugeben, gerne