Quellentexte zur jüdischen Geschichte und Literatur. Julius Hoxter

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Название Quellentexte zur jüdischen Geschichte und Literatur
Автор произведения Julius Hoxter
Жанр Документальная литература
Серия Judaika
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783843800242



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da anlangte, stimmten die Leviten den Gesang an (Psalm 30): »Ich erhebe dich, Gott, weil du mich aus der Tiefe gezogen hast, dass du nicht meine Feinde sich über mich freuen ließest.« Die Tauben, welche an den Körben hingen, wurden zu Brandopfern genommen, und was sie sonst in der Hand hielten, gaben sie den Priestern. Während man noch den Korb auf der Schulter hatte, las man aus den Worten der Schrift von: »Ich bezeuge heute vor dem Herrn, deinem Gotte« (Deuteron. 26, 3), bis zum Ende des ganzen Abschnittes. R. Jehuda sagt, bis: »Ein wandernder Aramäer war mein Vater« (a. a. O. V. 5). Bei diesen Worten aber nahm man den Korb von der Schulter, fasste ihn am Rande an, der Priester legte seine Hand darunter und schwenkte ihn, las dann ebenfalls von jenen Worten an bis zum Ende des Abschnittes, setzte den Korb an den Altar hin, warf sich zur Anbetung nieder und ging hinaus … Die Reichen brachten ihre Erstlinge in Körben von Silber und Gold; die Armen aber brachten sie in Zweigkörben aus abgeschälten Weidenruten; diese Körbe wurden mit den Erstlingen den Priestern gegeben.

      (Aus der Mischna, Traktat Sukka = Laubhütte, V. Abschn. 1–4. Mischna.)

      … Wer den Jubel von Bet Haschĕūba (vermutlich Ort des Wasserschöpfens, im Hinblick auf Jes. 12, 3) nicht gesehen, hat in seinem Leben noch keinen Jubel gesehen. Am Ausgange des ersten Feiertages des Festes stieg man in den Vorhof der Frauen hinab, um daselbst eine wichtige Einrichtung herzustellen. Dort waren goldene Leuchter mit je vier goldenen Schalen am oberen Ende. Vier Leitern standen vor jedem Leuchter, und vier Jünglinge aus der Blüte der Priesterschaft hielten Ölkrüge von insgesamt hundertundzwanzig Log (ungefähr 42 Liter; nach einer alten Überlieferung war das der Gesamtinhalt aller Krüge) in den Händen und füllten die einzelnen Schalen. Aus den abgetragenen Röcken der Priester und aus ihren Gürteln hatte man Dochte gemacht; diese zündete man an, und es war kein Hof in Jerusalem, der nicht vom Licht von Bet Haschĕūba widerstrahlte. Die Frommen und die »Männer der Tat« führten mit brennenden Fackeln in den Händen einen Tanz vor ihnen (den Zuschauern) auf und trugen ihnen Lieder und Gesänge vor. Zahllose Leviten spielten die Harfe, die Leier, die Zimbel, die Trompete und andere Instrumente auf den fünfzehn Stufen, die entsprechend den fünfzehn Stufenliedern des Psalters von der Halle der Israeliten nach der Frauenhalle hinabführten. Auf ihnen standen die Leviten mit Musikinstrumenten und sangen Lieder. Zuletzt treten zwei Priester in das obere Tor, das von dem Vorhof der Israeliten zum Vorhof der Frauen hinabführt. In den Händen halten sie zwei Trompeten, aus denen beim ersten Hahnenruf ein gedehnter, ein schmetternder und wieder ein gedehnter Ton erschallt. Man gelangt zur zehnten Stufe – ein gedehnter, ein schmetternder und wieder ein gedehnter Ton. Man gelangt zum Vorhof – ein gedehnter, ein schmetternder und wieder ein gedehnter Ton. Und so bliesen sie weiter, bis man an das nach Osten hinausführende Tor gelangte. Hatte man dieses erreicht, so wandte man das Antlitz nach Westen und sprach: »Unsere Väter kehrten, wenn sie an diesem Orte standen, dem Tempel des Ewigen den Rücken zu, ihr Gesicht aber dem Osten, und sie warfen sich ostwärts vor der Sonne nieder; wir aber, unsere Augen sind auf Gott gerichtet« …

      (Aus der Mischna, Traktat Taanit = Fasten, IV. Abschn. 8. Mischna.)

      Rabban Simon ben Gamliel berichtete: Es hat in Israel keine fröhlicheren Tage gegeben als den fünfzehnten Ab und den Versöhnungstag. Denn an ihnen zogen die Töchter Jerusalems in weißen Kleidern hinaus, und zwar in geborgten, um diejenigen, die keine besaßen, nicht zu beschämen, weshalb auch alle Kleider ein Reinigungsbad erforderten. Die Töchter Jerusalems zogen also hinaus und führten in den Weingärten Reigentänze auf. Und was sangen sie dabei? »Jüngling, erhebe die Augen und betrachte, was du dir wählst. Richte deinen Blick nicht auf Schönheit, richte deinen Blick auf Familie. Trügerisch ist Anmut und eitel ist Schönheit; eine gottesfürchtige Frau, nur sie ist lobenswert.« Und es heißt auch: »Gebet ihr von der Frucht ihrer Hände, es rühmen sie in den Toren ihre Werke.« (Spr. Sal. 31, 30–31.)

      1. Die Verkündigung des Neumonds. (9)

      (Aus der Mischna, Traktat Rosch Haschana = Neujahrsfest, II. Abschn. 2–7. Mischna.)

      Anfangs wurden Feuerzeichen angewendet. Als die Samaritaner (durch falsche Feuerzeichen) Verwirrung anrichteten, verordnete man, dass Boten hinausziehen sollten. Wie wurden die Feuerzeichen hergestellt? Man schaffte lange Zedernzweige herbei nebst Rohr, Oleasterholz und Werg von Flachs, umwickelte alles mit einer Schnur und bestieg eine Bergspitze, wo man es in Brand setzte und so lange hin und her, aufwärts und abwärts schwenkte, bis man den Genossen auf der zweiten Bergspitze ebenso verfahren sah. Und so auch auf dem Gipfel des dritten Berges. Und von welchen Orten wurden die Feuerzeichen gegeben? Vom Ölberge nach Sarteba, von Sarteba nach Agrippina, von Agrippina nach Hauran, von Hauran nach Bet Baltin. In Bet Baltin rührte man sich nicht eher von der Stelle, schwenkte vielmehr hin und her und auf und ab, bis man die ganze Gola (das Exil, gemeint ist Babylonien, in erster Linie die Stadt Pumpedita) wie ein Flammenmeer vor sich sah.

      Ein großer Hof war in Jerusalem, der Bet Jasek genannt wurde. Dort versammelten sich alle Zeugen, und dort wurden sie vom Gerichtshof vernommen. Man bereitete ihnen große Mahlzeiten, damit sie einen Anreiz hätten zu kommen. Vormals durften sie sich den ganzen Tag von dort nicht entfernen. Rabban Gamliel der Ältere verordnete, dass sie zweitausend Ellen nach jeder Richtung gehen dürften.

      … Wie verhört man die Zeugen? Das zuerst erschienene Paar wird zuerst vernommen, indem man zunächst den älteren von beiden eintreten lässt und zu ihm spricht: »Sage, wie du den Mond gesehen hast. Vor der Sonne oder hinter der Sonne? Nördlich von ihr oder südlich von ihr? Wie hoch stand er, wohin neigte er und wie breit war er?« Sagt er: vor der Sonne, so ist seine Aussage nichtig. Hierauf lässt man den zweiten eintreten und verhört ihn. Werden ihre Worte in Übereinstimmung befunden, so ist ihr Zeugnis von Bestand. Man befragt die anderen Paare dann noch über einige Hauptpunkte; nicht als ob man ihrer bedürfe, sondern nur, damit sie nicht enttäuscht davongehen, vielmehr einen Anreiz haben, wiederzukommen. Der Vorsitzende des Gerichtshofes spricht: »Měkuddasch« (Geweiht!), und alles Volk stimmt nach ihm an: »Měkuddasch, Měkuddasch«.

      (Beschreibung eines angeblichen Augenzeugen, des »römischen Konsuls Marcus«. Der im Schebet Jehuda von Salomo ibn Verga eingeschaltete Bericht ist nach den Untersuchungen von Fritz Baer jüdischen Ursprungs und enthält vorwiegend Stellen aus Talmud und Midrasch und Auszüge aus der Schilderung des herodianischen Tempels bei Josippon.)

      Sieben Tage vor dem Versöhnungstage wurden in der Behausung des Hohenpriesters mehrere Stühle bereitgestellt, und zwar 1. für den Vorsitzenden des hohen Gerichts, 2. für den Nassi (Fürsten), 3. für den König, 4. für den Hohenpriester und 5. für dessen Stellvertreter. Außerdem wurden noch siebzig Sessel gestellt für die siebzig Mitglieder des hohen Gerichtshofes. Der älteste der Priester stand auf und hielt an den Hohenpriester eine ernst ermahnende Anrede: »Erwäge wohl«, sprach er zu ihm, »vor wen du hintrittst, und dass der geringste Verstoß in der Ausführung des Dienstes dich verantwortlich macht und die Versöhnung des Volkes beeinträchtigt, denke aber auch daran, dass die Blicke von ganz Israel auf dich gerichtet sind. Untersuche also deinen Wandel, ob er stets lauter war, denn auch die kleinste Sünde wiegt oft viele gute Taten auf. Dem Allwissenden allein ist solcher Fehler bekannt. Untersuche auch den Wandel deiner priesterlichen Amtsbrüder und bessere sie. Erwäge ferner, dass du vor dem König aller Könige erscheinst, der auf dem Richterstuhle sitzt und mit seinem Blick den Lasterhaften verschmäht! Wie darfst du dich ihm also zu nähern wagen, wenn dich der Feind, die Unlauterkeit, begleitet?« Hierauf erwiderte ihm der Hohepriester, dass er seinen Wandel bereits untersucht und wegen alles dessen, worin er gefehlt, aufrichtige Buße getan habe; auch habe er bereits seine Amtsbrüder in dem Vorhof des Tempels versammelt und sie dort bei Gott beschworen, dass jeder sowohl seine eigenen Sünden als auch die seiner Amtsgenossen bekenne, er ihnen aber für jedes Vergehen eine angemessene Bußübung vorschreiben