Quellentexte zur jüdischen Geschichte und Literatur. Julius Hoxter

Читать онлайн.
Название Quellentexte zur jüdischen Geschichte und Literatur
Автор произведения Julius Hoxter
Жанр Документальная литература
Серия Judaika
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783843800242



Скачать книгу

sie kein Opfer dar, weil sie heiligere Reinigungsmittel zu besitzen vorgeben. Aus diesem Grunde ist ihnen der Zutritt zum gemeinsamen Heiligtum nicht gestattet, und sie verrichten demgemäß ihren Gottesdienst besonders. Übrigens sind es Menschen von vortrefflichen Sitten, und sie beschäftigen sich nur mit Ackerbau. Ganz besonders bewunderungswürdig und lobenswert aber sind sie wegen einer bei den Griechen und den anderen Völkern völlig unbekannten, bei ihnen jedoch nicht etwa erst seit kurzer Zeit, sondern schon seit vielen Jahren herrschenden ausgleichenden Gerechtigkeit, infolge deren sie vollkommene Gütergemeinschaft haben und dem Reichen nicht mehr Genuss von seinen Gütern lassen wie dem Armen. Nach dieser Lehre leben über viertausend Menschen. Sie heiraten ebensowenig, als sie Knechte halten, da sie das Letztere für Unrecht, das Erstere aber für die Quelle alles Streites halten.

      Auf eine eigentümliche Art verehren sie die Gottheit. Bevor nämlich die Sonne aufgeht, sprechen sie kein unheiliges Wort, sondern sie richten an das Gestirn gewisse altherkömmliche Gebete, als wollten sie seinen Aufgang erflehen. Hierauf werden sie von den Vorstehern zu dem Tagewerk entlassen, auf das ein jeder von ihnen sich versteht. Wenn sie sodann bis zur fünften Stunde fleißig gearbeitet haben, kommen sie wieder an einem bestimmten Ort zusammen, schürzen ein linnenes Tuch um und waschen sich den Leib in kaltem Wasser. Nach dieser Reinigung begeben sie sich in ein besonderes Gebäude, das kein Angehöriger einer anderen Sekte betreten darf, und versammeln sich hier, gereinigt, als ginge es in ein Heiligtum, im Speisesaal. Dort setzen sie sich in aller Ruhe nieder, und es legt alsdann der Bäcker ihnen der Reihe nach Brote vor, während der Koch jedem eine Schüssel mit einem einzigen Gericht aufträgt. Ehe das Mahl beginnt, spricht der Priester ein Gebet, und vor dem Gebet darf niemand etwas verzehren. Nach dem Mahle betet er wiederum, so dass zu Anfang und zu Ende desselben Gott als der Spender der Nahrung geehrt wird. Nachdem sie sodann ihre gleichsam heiligen Kleider abgelegt, begeben sie sich wieder an ihre Arbeit bis zur Abenddämmerung. Hierauf kehren sie zurück und speisen auf dieselbe Weise; sind zufällig Fremde da, so nehmen diese am Mahle teil. Weder Geschrei noch sonstiger Lärm entweiht je das Haus, sondern ein jeder lässt den andern reden, wie ihn die Reihe trifft.

      (Aus Plinius, Historia naturalis V, 17.)

      »Die Essener (Essäer) leben am westlichen Ufer des Asphaltsees (des Toten Meeres) abseits vom See, um seiner schädlichen Wirkung zu entgehen. Es ist dies ein Volk, das einzig in der Welt dasteht, ein sonderbares Volk, ohne Weiber, das sich von Venus losgesagt hat, das kein Geld gebraucht und nur in der Gesellschaft von Palmen lebt. Es wird durch ständigen Zufluss von Ankömmlingen erneuert, die in großer Zahl dorthin kommen, von jenen Lebensmüden (vita fessos), die sich nach schweren Schicksalsschlägen von der Lebensweise dieses Volkes angezogen fühlen. So … lebt ein ewiges Volk, in dem niemand geboren wird; so vermehrt es sich allein dadurch, dass andere mit dem Leben unzufrieden sind …«

      (Aus »Die Psalmen Salomos« 4, 1–8, einer pseudepigraphischen Dichtung: »Ein Gedicht Salomos gegen die Menschenknechte«. Vermutlich richtet sich die Anklage gegen den Hasmonäerfürsten Alexander Jannai, der als das Haupt der Sadduzäer und wegen seines gottlosen Lebenswandels von den Pharisäern gehasst wurde.)

      Was sitzest du, Unheiliger, im Rate der Frommen,

      da doch dein Herz weitab ist vom Herrn,

      (und) du mit Übertretungen den Gott Israels reizest?

      An Worten und an Gebärden alle (andern) überragend,

      (ist er) mit harten Worten (bereit), die Schuldigen im Gericht zu verurteilen.

      Er ist voran, Hand an ihn zu legen wie im (frommen) Eifer,

      während er doch selbst in vielfache Sünde und Unreinheit verstrickt ist.

      Seine Augen sind auf jedes Weib ohne Unterschied gerichtet,

      seine Zunge lügt (selbst) beim eidlichen Vertrage.

      Des Nachts und insgeheim sündigt er, weil er sich ungesehen glaubt;

      durch die Augen hält er mit jedem Weibe sündige Verabredung.

      Hurtig dringt er in jedes Haus ein – harmlos, als täte er nichts Arges.

      Rotte, Gott, aus, die in Heuchelei leben unter den Frommen,

      durch siechen Leib und Armut (raffe weg) ihr Leben!

      Gott, decke auf die Werke der Menschenknechte!

      Zu Gelächter und Gespötte (müssen werden) ihre Taten,

      so, dass die Frommen ihres Gottes Gericht anerkennen,

      wann die Sünder den Gerechten aus den Augen hinweggetan werden,

      die Menschenknechte, die trügerisch fromm reden.

      (Měgillat Taanit = Fastenrolle, kalendarisches Verzeichnis meist freudiger Gedenktage, an denen nicht gefastet werden durfte, entstanden um 65 n. im Kreise von Eleasar ben Chananja, dem Haupt der Zeloten; mit Erklärungen der Gedenktage, deren heutige Fassung bis ins 7. Jahrhundert hinunterreicht. Nach Měgillat Taanit Kap. 4 haben die Pharisäer den Tag des 14. Tammus, an dem die Ansicht der Sadduzäer, dass »Auge um Auge, Zahn um Zahn« u. a. m. wörtlich zu verstehen sei, verworfen wurde, zum Festtag gemacht.)

      Am 28. Tebet wurde das Synhedrion wieder nach Gesetz und Recht gebildet. Als die Sadduzäer, unter denen sich auch der König (Alexander) Jannai und seine Gemahlin Salome (Alexandra) befanden, die Sitze im Synhedrion inne hatten, war außer Simon ben Schetach nicht einer von den Israeliten (Pharisäern) dabei. Man stellte Fragen und behandelte gesetzliche Entscheidungen; doch niemand war imstande, seine Meinung aus der Tora zu begründen. Da sprach Simon ben Schetach zu ihnen: »Wer seine Ansicht aus der Tora zu beweisen vermag, ist würdig, Mitglied des Synhedrions zu sein, wer es nicht versteht, ist dessen unwürdig.« Einmal nun kam eine Sache bei ihnen zur Verhandlung, für die niemand aus der Tora einen Beweis erbringen konnte. Nur ein Greis fühlte sich zum Sprechen genötigt und erbat sich von Simon ben Schetach Zeit zur Antwort bis zum folgenden Tage. Nachdem er sich lange hin und her besonnen und eingesehen hatte, dass er nicht aus der Tora zu beweisen verstand, schämte er sich, seinen Sitz im großen Synhedrion wieder einzunehmen. Darauf setzte Simon ben Schetach einen seiner Schüler an dessen Stelle, weil das Synhedrion nicht weniger als 71 Mitglieder haben dürfe. So machte er es jeden Tag, bis alle (Sadduzäer) entfernt waren und ein Synhedrion nach seinem Sinne gebildet war. Den Tag aber, an welchem das sadduzäische Synhedrion ganz durch ein pharisäisches ersetzt war, machte man zu einem Festtag.

      1. Darbringung der Erstlingsfrüchte in Jerusalem. (9)

      (Aus der Mischna, Traktat Bikkurim = Erstlinge, III. Abschn. 2–8. Mischna.)

      In welcher Weise brachte man die Erstlingsfrüchte (nach Jerusalem)? – Alle Bewohner der Orte, die zu einem Standbezirke gehörten1, versammelten sich in der Stadt des Standältesten und übernachteten auf dem freien Platze der Stadt, ohne die Häuser zu betreten. Morgens in der Frühe redete der Vorsteher sie mit den Worten an: »Auf, lasst uns nach Zion hinaufziehen zum Hause des Ewigen, unseres Gottes.« (Jes. 2, 3.) Die in der Nähe (Jerusalems) Wohnenden brachten (frische) Feigen und Weintrauben, die Entfernteren dürre Feigen und Rosinen. Der (zum Freudenopfer bestimmte) Stier ging vor ihnen her, die Hörner mit Gold belegt, einen Kranz aus Ölbaumzweigen auf dem Kopfe; die Flöte ertönte vor ihnen her, bis sie nahe vor Jerusalem anlangten. Sobald sie dort ankamen, sandten sie Boten vorauf und bekränzten ihre Erstlinge. Die Stellvertreter der Priester sowie der Leviten und die Schatzmeister kamen ihnen entgegen, und zwar kamen so viele, als die Achtung vor den Ankommenden erheischte. Und alle Handwerker in Jerusalem standen vor ihnen auf und begrüßten sie mit den Worten: »Brüder, Männer aus dem und dem Orte, seid uns willkommen!«

      Die Flöte ertönte weiter vor ihnen her, bis