Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch. Walther Kabel

Читать онлайн.
Название Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch
Автор произведения Walther Kabel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075835246



Скачать книгу

des Baumes benutzt. Ich hatte kein Beil, ich hatte nur meine Pistole.

      Es blieb mir nichts anderes übrig als zu rufen. Dabei hätte [ich] Bell Dingo so gern belauscht.

      Ein anderer belauschte mich, einer, der die australische Wildnis besser kannte als ich.

      Lautlos war Kolonel Bluß in meinen Rücken gelangt. Ich fühlte eine Hand auf meiner Schulter, fuhr herum, und die Pistolenmündung drohte und Arthur Bluß lächelte ironisch.

      „Da wären wir,“ sagte er leise. Seine grauen Stahlaugen blickten in freundlichem Spott, sein Gesicht verriet mehr liebenswürdige Nachsicht als Triumph, mich überrascht zu haben. Es waren die edlen, offenen Züge eines Gentleman. Vorhin im Zelt hatte ich sie doch wohl unrichtig gedeutet.

      Drei Monate Einsamkeit und Verweichlichung lagen hinter mir. Ein einziger Tag hatte all das wieder zum Leben erweckt, was mir Mutter Natur mitgegeben und Coy weiter ausgebildet hatte.

      „Sie sind ein unleidlicher Schwätzer, Kolonel,“ sagte ich ebenso gedämpft. „Sie hätten heute lernen sollen …!“

      Ich schwatzte selbst, aber mein blitzschneller Fausthieb von unten her und ein gut berechneter Tritt waren der erfolgreiche Nachsatz.

      Oberst Arthur Bluß von der berittenen Polizei Nord-Queensland, flog meterweit in die Kasuarinen, und ich flog eine Sekunde darauf in die Krone der Buche, erwischte einen Ast, turnte abwärts und ließ mich dann auf gut Glück vom tiefsten Ast, der unter meinem Gewicht sich nach unten bog, auf den Grasboden der Schlucht fallen und nahm hinter einem überhängenden Steine Deckung.

      Oben hörte ich Bluß’ kernige Flüche und andere laute Stimmen.

      Das Lagerfeuer brannte noch. Bell Dingo und die Negerin waren verschwunden.

      Vor mir im Grase bemerkte ich niedergedrückt Stellen. Ob es die Fährte eines Tieres war – vermutlich. Ich sah die Löcher von Krallen und die Eindrücke von Ballen.

      Oben brüllte der Kolonel: „Ergeben Sie sich!! Ich verspreche Ihnen Straffreiheit, ich will nur Ethel Murray haben. – Sie sind mir gleichgültig!“

      „Sie auch!! Und der erste, der das Tal betritt, – dem ist für alle Zeit alles gleichgültig!“ Ich entsicherte meine Pistole.

      Hinter mir aber sagte da ein krächzender Baß mit kühlster Selbstverständlichkeit:

      „Mussu fein springen … Hier gerade richtiger Platz …“

      Mein lieber Ai Ai stand tief gebückt in einem Loche der Felswand, das vorher nicht vorhanden gewesen war. Er winkte grinsend. „Etwas eng sein, nachher breiter, Mussu … Sein Wohnhöhle von Eltern meinige …“ Er strahlte … „Mutter noch leben hier … Mussu, aber Mutter bleiben besser fern … Mutter haben böse Kamu-Beulen, sehr ansteckend das für Weißen …“

      Oben brüllte Bluß abermals sein zweckloses Sprüchlein. Hier unten schob mein Ai Ai einen riesigen Stein vor das Loch und stützte einen Pfahl dagegen.

      „Kolonel Bluß können lange suchen,“ sagte er. „Keine Spur im Gras verraten uns … Ich sein auf Händen hierhergegangen, und Mutter sitzen mir auf Bauch …“

      Das also war die Tierfährte!! Bell Dingo war doch ein ganz gerissener Kunde.

      Im schwachen Dämmerlicht, das durch einige Ritzen in den Höhlengang hineinfiel, folgte ich meinem Ai Ai ziemlich steil aufwärts, bis heller Sonnenschein mich eine geräumige Grotte erkennen ließ, in der eine Hütte aus Flechtwerk dicht am Eingang lehnte, vor dem sich undurchdringliches Gestrüpp erhob.

      Ich drückte Dingo stumm die Hand.

      „Wo ist Frau Murray?“

      Er zog die Schultern bis zu den Ohren hoch. „Nicht wissen … Nachher erzählen …“

      „Und deine Mutter?“

      „In Hütte da, Mussu … Sehr krank, Mussu … Sein Gesicht wurde tieftraurig. „Mutter haben nur von Bunga-Bunga gelebt … Das sein schuld an Kamu-Beulen.“

      Was die Eingeborenen mit Kamu bezeichnen, ist in der Tat ein böser Hautausschlag, dessen braune eitrige Borken einen fürchterlichen Gestank verbreiten.

      Ich verzichtete darauf, Frau Dingo zu begrüßen.

      Ai Ai schleppte einen Baumklotz herbei.

      „Setzen, Mussu … Ich beobachten Polizei.“

      8. Kapitel

       Bell Dingo wird gehängt

       Inhaltsverzeichnis

      Ich war nicht recht zur Besinnung gekommen in den letzten zehn Minuten. Drängt sich mannigfaches Erleben in einer so kurzen Zeitspanne zusammen, wird stets nur das Eindrucksvollste als besonders klare Erinnerung sich herausheben. Merkwürdigerweise war dies hier in meinem Falle ein prägnanter Männerkopf und ein feines, liebenswürdig-spöttisches Lächeln: Kolonel Arthur Bluß, der Menschenfänger!

      Ich war noch etwas außer Atem, aber als ich nun hier allein im grellen Lichte des Höhleneingangs saß und zerstreut meinen arg ramponierten Anzug beobachtete, dem der Sprung in die Baumkrone herzlich schlecht bekommen war, sah ich noch immer dieses tiefgebräunte Gesicht vor mir, dem der breite Schlapphut etwas ungeheuer Verwegenes verlieh. Manch’ denkwürdige Menschenblüte wucherte an meinen entlegenen Wegen. Nur bei einem Manne hatte ich dieses Lächeln in den Augen wahrgenommen, und dieser Mann hatte seine Verachtung jeglicher Gefahr und seine zermürbte Seele hinter wohlfeilem Zynismus verborgen. Ich traf ihn dort unten im südlichsten Südamerika, wo die Natur sich den Scherz geleistet hat, ein Labyrinth wunderlicher Inseln zu schaffen und diese Inseln einmal mit eisigen Hagelschauern, dann wieder mit sengendem Glutatem des Pazifik zu überschütten.

      Es war sonderbar, aber nicht wegzuleugnen: Arthur Bluß war mein Feind, und doch empfand ich Sympathie für ihn. Er redete nur zu viel, und er mochte ein guter Fährtenleser sein, ein Schüler Coys war er nicht.

      Mein Blick streifte die Hütte aus Flechtwerk, und meine Gedanken sprangen auf Bell Dingos Mutter über. Ich hörte in der Hütte nicht das geringste Geräusch.

      Die Pfosten der Hütte waren uralt, das sah ich. Sie waren reich geschnitzt, ganz nach Art der primitiven Bildhauerkunst der Australneger, und sie endeten oben in weißlichen, rundlichen Kugeln: Totenschädeln!

      Sie maß etwa fünf Meter vorn, und mochte vier Meter tief sein und ebenso hoch. Die Tür, auch aus dichtem Flechtwerk, lag in der Mitte der Vorderseite. Das Dach war nach hinten leicht geneigt und hier eigentlich ganz überflüssig, da die Höhlendecke genügend Schutz gegen Regen bot.

      Eins fiel mir auf: Das Flechtwerk war ganz neu. Die Schnittflächen der Zweige leuchteten noch hell. Aber ich machte mir hierüber weiter keine Gedanken.

      Ich betrachtete die Umgebung. Ich sah eine Feuerstelle aus geschwärzten Steinen. Darüber hing an einem in den Fels gebohrten Eisenhaken ein fast blanker Aluminiumkessel. Die Kultur schien selbst bis zu Bell Dingos Mutter vorgedrungen zu sein. – In einer Wandnische standen noch verschiedene andere Gegenstände, die mich in Erstaunen setzten: Konservenbüchsen, eine kleine Kaffeemühle, Blechteller, Kannen und drei große Pakete. Diese in Segelleinen gehüllten Pakete kamen mir bekannt vor. Wenn ich mich nicht irrte, waren es die Proviantvorräte, die wir von meiner Insel mitgenommen hatten. Aber nicht hierher. Dingo schien also verschiedenes gerettet zu haben.

      Mein Holzklotz war auf die Dauer kein Korbsessel. Ich erhob mich, um draußen einmal Umschau zu halten. Durch die grüne Hecke des unwegsamen Gestrüpps, das den Eingang verdeckte, lief ein schmaler gewundener Pfad. Auch hier hatte ein Messer allzu hinderliche Schößlinge frisch entfernt. Tief gebückt verfolgte ich diesen Pfad und sah mich plötzlich im Freien, warf mich schnell zu Boden, denn tief unter mir erblickte ich die Bucht und die lange Sandbank und gerade dort, wo meine Insel nun bei hohem Wasser in der Tiefe ruhte, auch ein Motorboot, das soeben dem Ufer zuhielt.

      Ich