Название | Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch |
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Автор произведения | Walther Kabel |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788075835246 |
Ethel Murray fieberte vor Aufregung bei alledem. Sie wurde blaß und rot, – sie jubelte, winkte Dingo zu, schwenkte ihre Jacke …
„Oh, ich freue mich so, Herr Abelsen … Nun haben Sie durch mich keine Ungelegenheiten. Ich werde mich sofort von Ihnen trennen und landeinwärts wandern und zusehen, was ich für Paloma tun kann, die doch sicherlich wieder in Marcadari oder in Burketown eingekerkert ist …“
Das war sehr selbstlos von ihr. Aber wenig klug. Die australische Wildnis ist keine Kurpromenade, und ein Mensch ohne Pferd und ohne die nötige Ausrüstung ist in diesen wasserarmen Einöden verloren.
„Darüber sprechen wir später,“ sagte ich. „Dingo erklettert dort die Kuppe und hält Ausschau. Sehr verständig von ihm …“
Als der Schwarze dann wieder vor uns stand, meinte er kleinlaut: „Ai ai – keine Gefahr mehr … Nur …“ – und sein Kopf senkte sich noch mehr – „nur … fünf Gräber drüben, fünf Grabhügel und fünf Kreuze aus Kistenbrettern mit aufgepinselten Namen.“
Ethel schrie atemlos:
„Meine Schwester – tot?!“
„Ai ai, – nicht Schwester,“ beruhigte Dingo sie mit rauhem Mitgefühl. „Nur fünf tote Buschklepper da begraben sein … Tot aus nächtlichem Kampf von gestern …“
Ethel hatte sich matt an mich gelehnt. „Ich … war … so … in … Angst,“ flüsterte sie unter Tränen.
Bell Dingo schielte zu ihr empor. „Ai ai, – keine Angst … Schwester leben … Nur fünf Gräber … fünf Kreuze … Schwester gefangen oder entflohen, – das feststellen, – wenn gefangen, dann befreien, – Mussu doch auch so denken?“
„Genau so,“ versicherte ich und schüttelte ihm die Hand. „Bist ein braver Kerl, mein lieber schöner Dingo, bist eine echte schwarze Perle. Nur für Zigarren und Mundwasser hast du kein Verständnis.“
Wir ruderten hinüber, wie stiegen das Steilufer hinan bis zu der Mulde, wo die Polizisten ihre Pferde stehen gehabt hatten. Hier lagen die fünf Hügel in einer Reihe. Ich entzifferte die Namen, und schluchzend bestätigte Ethel, daß diese fünf Palomas treueste Verbündete gewesen.
Stehlen und rauben – vielleicht auch nur ein Sport, vielleicht auch nur ein Erwerb … abseits vom Alltagswege. Mein Coy hatte mit viel Geschick Pferde „eingetauscht“, mein Coy hatte sehr primitive Begriffe von Dein und Mein. Diese fünf Toten hatten gebüßt. Friede ihrer Asche.
Bell Dingo zeigte für die Gräber wenig Interesse. Er betrachtete den zertretenen Sandboden, er verfolgte die Fährten, er fand auch dicht am Ufer mehrere mit Blut getränkte Stellen.
Ethel hatte sich auf einen Felsblock gesetzt und den Kopf in die Hand gestützt. Sie ließ meine Fragen und Vorschläge unbeantwortet, sie war so in ihre trüben Gedanken versunken, daß selbst Dingos wildes Gebrüll und seine tollen Freudensprünge sie völlig kalt ließen. Er war ein Stück landeinwärts gelaufen bis zu einem Wäldchen, und dort vollführte er diesen Indianertanz, warf sich plötzlich zu Boden, schnellte wieder hoch und kam wie ein Pfeil herbeigeflogen, schwang in der Linken ein unförmiges Stück Holz, an dem grobe Schnitzereien angebracht waren.
„Mussu – – Mussu, – hier sein meine Heimat, – hier sein Dingo als Kind gewesen, – hier dies sein Totensäule von Grab von mein Vater …“
Er war wie von Sinnen. Seine Freude rührte mich. Aber Ethel Murray hob nicht einmal den Kopf. Nachdem Dingo sich wieder beruhigt hatte, nachdem er die Grabsäule an Ort und Stelle zurückgebracht und dann wieder bei uns erschien, suchte ich die Frau ihrem dumpfen Schmerz um das ungewisse Schicksal ihrer Schwester zu entreißen.
„Sie müssen sich aufraffen, Frau Murray!!“ Der energische Ton ließ sie zusammenschrecken. Sie blickte mich an, und ich las in ihren dunklen Augen etwas ganz anderes als Verzweiflung, ich möchte sagen: Schuldbewußtsein und Reue.
„Ich verdiene Ihre Güte nicht,“ murmelte sie beklommen. „Ich habe kein Anrecht auf irgendwelche Rücksichtnahme …“
Ich verstand sie nicht. Ihr sprunghaftes Denken entbehrte jeder Logik.
„Ich wüßte nicht, daß ich an Sie allzu viel Güte verschwendet hätte,“ meinte ich hart. „Was Sie mit Güte bezeichnen, liegt mir nicht. Ich bin so ziemlich der schamloseste Egoist, den ich kenne, freilich keiner von denen, die andere durch ihre Selbstsucht schädigen. Ich traue Ihnen immer noch nicht ganz. Ich vermute hinter Ihren bleichen Zügen irgendein Geheimnis besonderer Art. Sie werden es sich gefallen lassen müssen, daß ich dieses Geheimnis gegen Ihren Willen ergründe. – Folgen Sie uns … Die Insel muß anderswo versenkt werden.“
Sie zuckte merklich zusammen, und flammende Röte kam und ging auf ihrem schönen Gesicht. Ihr Blick wurde fast lauernd, und die Falten auf der Stirn und die geschürzten Lippen standen durchaus in Einklang mit ihren rasch und schroff hervorgestoßenen Worten: „Sie wollen dieses Wunderwerk versenken?! Das wäre Frevel, das … dulde ich nicht!“
Und sie erhob sich und schaute hinüber zu den grauen Bimssteinfelsen meines Heims, das da vor uns auf dem leicht bewegten Wasser schwamm. „Niemals, niemals!“ wiederholte sie und stampfte leicht mit dem rechten Fuße auf. Es war, als ob ein Vorhang von ihren Zügen herabglitte: Ihr Antlitz war wie aus Erz gegossen, jede Linie schien verändert, redete eine klare eindeutige Sprache von ungeheuerer Willenskraft. „Es wäre ein Frevel, auf ein so sicheres Versteck zu verzichten!“ fügte sie etwas beherrschter hinzu, und allmählich wandelte sich der Ausdruck ihres Gesichts wieder zu maskenhafter Undurchdringlichkeit. „Herr Abelsen, ich muß Sie mißverstanden haben,“ lautete ihr milder Nachsatz, und verwirrt wandte sie den Kopf zur Seite.
Seltsames Weib! Kind eines Landes der unbegrenzten Möglichkeiten, Kind eines Kontinents, der in den weniger denn hundert Jahren den Kulturstaaten Europas Konkurrenz machte und doch weit mehr der dunkle Erdteil geblieben war, als es Afrika heute ist.
Ein stiller, aufmerksamer Zuschauer mischte sich ein: Bell Dingo, der sich etwas abseits gehalten hatte, weil er sich fraglos seines Rückfalls in den naturwüchsigen Freudentaumel beglückenden Heimatgefühls geschämt hatte. „Ai ai, – Mussu meinen mit Versenken ganz anders, – ich verstehen!“ Er kam näher, und er hielt die Augen im Sonnenglast halb geschlossen und blinzelte Ethel leicht grinsend zu. „Dort drüben sein Sandbarre und dahinter kreisende Strömung mit Treibholz und Seetang und andere Pflanzen… Dort Insel tauchen lassen, bis Falltür bei Ebbe freiliegt … Inselklippen mit Seetang bedecken, – sein dort auch natürliche Klippen, also niemandem auffallen …“
„Freund Dingo, du hast den Nagel auf den Kopf getroffen …“ – und wiederum wunderte ich mich über die Klugheit dieses Schwarzen, der so viel Widersprüche in seinem Wesen vereinte.
Ethel lächelte mit einem Male. „Oh, wie töricht war ich nur! Ja – beeilen wir uns, verbergen wir die Insel …“ Sie lief zum Strande herab. Sie trug wieder ihre inzwischen getrockneten derben und doch zierlichen Schuhe. Sie war flink wie eine Gazelle, ihre Bewegungen blieben harmonisch selbst in der Hast langer Sprünge – ein Prachtweib!
Wir ruderten dorthin, wo die eine Stahltrosse schräg in die Tiefe tauchte. Wir holten einen mittelgroßen Anker vom sandigen Grunde hoch, – auch den zweiten, und dann begann die fast übermenschliche Arbeit, die Insel hinter die Sandbarre zu schleppen. Bell Dingo hatte alle Oberkleider bis zum Gürtel abgeworfen und ließ seine prachtvolle Muskulatur spielen. Unbarmherzig brannte die Sonne auf uns herab. Ethel stand am Inselrand und überwachte die beiden Schlepptaue. Es war eine Arbeit, die wir erst nach Stunden glücklich zu Ende führten. Meine Hände hatten dicke Blasen, die Arme schmerzten mich, ich war steif und wie gelähmt, als ich mich im Boote erhob.
Ein Blick auf die Flutmarken des Festlandstrandes zeigte mir, daß der tiefste Stand der Ebbe in einer halben Stunde zu erwarten war. Die Anker wurden versenkt, die Trossen gekürzt, und