Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch. Walther Kabel

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Название Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch
Автор произведения Walther Kabel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075835246



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wünschen, es wär’ so!“ zischt er und eilt davon.

      Ich hebe das Bündel auf, in dem es verdächtig klirrt und klappert. Es ist die weißbezogene Decke des blütenweißen Bettes aus der Hütte, und ihr Inhalt sind all die Toilettensachen und Fläschchen und Tuben. Eine Flasche Parfüm muß in die Brüche gegangen sein … Ich rieche es, aber ich habe keine Zeit so Nebensächliches zu beachten. Ich stolpere hinter Dingo drein, zuweilen sehe ich vor ihm den grauen Haarwust seiner Mutter und ihren bunten langen Kittel, zuweilen glaube ich noch eine fünfte Gestalt ganz vorn zu bemerken, aber ich habe mit dem abschüssigen Wege genug zu tun, – – ich stehe plötzlich im Freien im dichtesten Gestrüpp, und über mir blinken die Sterne des Südhimmels, und der Salzhauch des Meeres dringt erquickend in meine Lungen.

      „Mussu, hier warten!“ kommandiert Dingo flüsternd …

      Er entschwindet im Dunkel der Sträucher, kehrt erst nach zehn Minuten zurück …

      Ich habe die Taschenlampe längst ausgeschaltet. Von oben her, von irgendwo höre ich schrille Rufe.

      Dingo zieht mich vorwärts, hinab in ein schmales Tal, – wieder empor in dickstem grünen Unterholz, bis wir die Ebene erreichen. An einer einzelnen Kasuarine stehen drei gesattelte Pferde, am Boden liegt Kolonel Bluß mit nacktem Oberleib auf einer Wolldecke, – er ist bereits verbunden, auch sein Hund trägt am linken Hinterbein einen frischen Verband. Der scharfe Geruch von Jodoformgaze dringt mir in die Kehle, – Bell Dingo läßt mir keine Sekunde mich auf mich selbst zu besinnen. Ich muß helfen, – wir fertigen aus Ästen eine Schleife an, legen den Kolonel auf diesen improvisierten Wagen und traben in die Nacht hinaus.

      Hier auf der Hochebene weht der Wind mit Stärke acht. Die elenden Salzkräuter der Wüste werden dauernd vom feinen Sandregen gepeitscht. – Sand bedeckt unsere verräterische Fährte, und so geht’s immer gen Norden mit kurzen Pausen – stundenlang. –

      Wer Augen hat zu sehen, wer andere Steppen und Wüsten anderer Länder kennt, weiß genau: Auch hierin hat ein jeder Erdteil, eine jede Zone, ihr besonderes Gesicht. Als ich, gebürtiger Schwede mit deutschem Blut, von Mutterseite her in den Adern, in Deutschland meinen technischen Studien oblag, habe ich die Lüneburger Heide von Karthaus aus besucht. Das war lange vor der Riesenspekulation in Kolonien und Auslandsgeschäften, zumeist Weltkrieg genannt. Später führte mich mein Beruf nach Indien, Australien Südafrika, noch später ein blinder, aber gütiger Zufall nach dem südlichsten Südamerika.

      Die inneraustralische Wüste, deren Ausläufer sich sowohl nordwärts wie südwärts bis in die Küstengebiete vorschieben, ist mit keiner der anderen fremden unfruchtbaren, unbebaubaren Steppen auch nur im geringsten zu vergleichen. Ihr Gesicht ist so typisch australisch, wie’s die ungeheuren Schafherden für diesen Erdteil sind. Die entsetzliche Eintönigkeit völlig kahler Sanddünen, wie sie die Sahara oder die Kalahari aufweisen, fehlt hier vollkommen. Die Pflanzen- und Tierwelt Australiens scheint darauf eingestellt zu sein, sich auf erbärmlichstem Boden weiterzuhelfen. Wo dieser auch nur eine Spur von Feuchtigkeit besitzt, verwandelt sich die mit Büscheln harter Salzkräuter bedeckte Steppe in „Baumsawannen“ mit freundlichen grünen Inseln, zwischen denen wie Verbindungsbrücken in dichteren oder loseren Reihen Grasbäume, Riesenschachtelhalme und Eukalyptusarten mit vier bis sechs Meter langen Stengeln auftreten. Das monotone Landschaftsbild Südaustraliens mit den unendlichen Mallee-Scrubs fehlt im Norden gänzlich. –

      Wir hatten den Burke-Fluß mit Hilfe einer flachen Furt passiert. Bell Dingo hatte den Verwundeten in den Armen durch das nur hüfttiefe Wasser getragen. Der Kolonel war noch immer ohne Besinnung. Der Brustschuß saß schräg, und die Lunge war fraglos übel zugerichtet. Schaumiges Blut rann ihm immer wieder zum Kinn hinab. Der neue Tag war längst angebrochen. Freund Dingo hatte entschieden für seine Schweigsamkeit gute Gründe. Jeder Diplomat konnte von ihm lernen. Ich hatte das Fragen sehr bald aufgesteckt, denn Ai Ai’s Antworten waren so nichtssagend wie Parlamentsreden. Dafür biederte ich mich um so mehr mit Charlie an. Es war ein reinrassiger hochbeiniger Dobermann mit verblüffender Dressur. Das arme Tier hinkte stark, und meilenweit nahm ich ihn vor mich in den Sattel und freute mich, wenn er vor Blutverlust und Erschöpfung in meinen Armen einschlief.

      Das Wenige, was Dingo mir mitzuteilen für gut befunden, mußte ich mir selbst ergänzen, um ein Gesamtbild über die Lage zu erhalten. – Dingos Mutter war vorausgeritten. Unser Ziel war ein „sicherer Ort“, wie Ai Ai sich ausgedrückt hatte. Ethel Murray würden wir dort vorfinden – sagte Dingo. Von Paloma Ruxa war nicht mehr die Rede. „Kruxa, große Räuberin, sein frei …“ hatte Dingo kurz erklärt. Er rechnete auch mit Verfolgern. „Polizei uns suchen werden, aber nie denken, wir so weit ins Innere reiten.“

      Nun gut, das mochte sein. Aber weshalb schleppten wir den todwunden Oberst mit uns?! Etwa als Geisel?! War Paloma doch noch in den Händen der Polizei? Gedachte Ethel den Kolonel gesund zu pflegen und ihn dann gegen Paloma auszutauschen? – Mein Ai Ai grinste zu diesen meinen Vermutungen nur sehr fragwürdig. Überhaupt: Er erschien mir immer seltsamer, dieser Schwarze mit den tadellosen Manieren, der erstaunlichen Sauberkeit und der Vielseitigkeit seiner Kenntnisse, die trotz seines mangelhaften Englisch geradezu mustergültig waren. Wenn seine Häßlichkeit, seine Krimmermütze, seine Kartoffelnase und Wulstlippen nicht so über jeglichen Zweifel hinaus echt gewesen wären, hätte ich vielleicht auf den Gedanken kommen können, Bell Dingo sei lediglich der verkleidete Verehrer Palomas, jener sagenhafte Lord.

      Morgens ein halb acht stießen wir auf die Reste einer Schmalspurbahn. Die Schienen und Schwellen waren zumeist vom Winde verweht, anderswo hatten Eingeborene die Eisenschienen „weggefunden“ und für ihren Hausbedarf benutzt.

      „Zehn Jahre lange Zeit,“ meinte Dingo und folgte nun dem Schienenwege.

      „Wer baute diese Bahn?“ erkundigte ich mich mäßig interessiert. Denn der Durst quälte mich. Das wenige Wasser unserer Feldflaschen hatten wir Arthur Bluß gespendet.

      Dingos Antwort pulverte mich auf.

      „Sennor Ruxa,“ sagte er gleichmütig.

      „Der Vater der Schwestern?“

      „Ai ai, Mussu: Sennor Alfonso Rodrigo Graf Ruxa.“

      Mir ging ein Licht auf.

      „Sind wir etwa unterwegs nach der früheren Ruxa-Farm?“

      „Ai ai, Mussu, – bald dort sein, noch eine Stunde …“

      Aber diese Stunde wurde zur Ewigkeit. Der Kolonel hatte starkes Wundfieber, schrie, sang, brüllte. Immer wieder mußten wir aus dem Sattel und warten, bis er wieder ruhiger geworden. Von einem blaßblauen Himmel stach die Sonne unbarmherzig herab. Immer wieder schaute Dingo spähend umher, bis er endlich auf einen einzelnen schlanken Baum mit olivgrünen langen Blättern zujagte.

      Der Gum-Tree, der Fieberbaum, ist in Nordaustralien selten. Im Süden trifft man ihn in ganzen Wäldern an.

      Ich lenkte die Schleife, vor die das dritte Pferd gespannt war, in die Talmulde hinab. Dingo säbelte schon mit dem Messer saftige Rindenstücke ab und … zerkaute sie, spuckte den Brei in einen Becher, nahm nachher sein Taschentuch und drückte den Saft aus dem Brei heraus und gab ihn Kolonel Bluß zum Trinken. Die Wirkung war überraschend. Nach zehn Minuten schwitzte Bluß aus allen Poren und atmete freier.

      Bell Dingo trennte sich hier von mir.

      „Mussu, du meiner Fährte leicht folgen können, – ich vorausreiten zur Vorsicht …“ bestimmte er wieder einmal.

      Er jagte davon. Er hatte es auffallend eilig. Reiten konnte er, – er konnte alles. Er schraubte Schildchen von einer Schalttafel ab, um sie zu putzen. Er fand sich hier in der Wildnis zurecht wie einer, der die Ruxa-Farm in all ihren Teilen kannte. Nur daß aufgebeulte Konservenbüchsen verdorben sind und spritzen, wußte er nicht.

      Ich folgte im gemächlichen Schritt. Die Wüste war hier bereits in den tiefen Tälern der Kultur erschlossen gewesen. Ich stieß auf endlose Stacheldrahtzäune, frühere Hürden, jetzt leer bis auf ein paar Riesenkänguruhs, die kaum den Kopf nach mir hoben. Es waren die ersten, die ich in Freiheit sah.

      Da mein Gaul