Das Passagen-Werk. Walter Benjamin

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Название Das Passagen-Werk
Автор произведения Walter Benjamin
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9788026829706



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daß Alt- und Neustadt nicht wie sonst überall gegeneinanderstehen, sondern in eins zusammengezogen sind. Sobald man irgendwo aus den alten Gassen in eine der Haußmannstraßen tritt, ist man mit diesem neuen Paris, dem Paris der letzten drei Jahrhunderte, in Fühlung. Denn nicht nur die Form der Avenue und des Boulevards hat er von der Residenzstadt übernommen, wie sie Ludwig XIV. angelegt hatte, sondern auch die Form des Hauses. Erst dadurch können seine Straßen diese Funktion erfüllen, die Stadt zu einer sinnfälligen Einheit zu machen. Nein, er hat Paris nicht zerstört, sondern vollendet … Daß muß man sagen, auch wenn man … weiß, wie viel Schönheit geopfert worden ist … Sicher war Haußmann ein Besessener: aber seine Leistung konnte auch nur ein Besessener vollbringen.« Fritz Stahl: Paris Eine Stadt als Kunstwerk Berlin p 173/174 [E 14 a]

      Eisenkonstruktion

      »Chaque époque rêve la suivante.«

Michelet: Avenir! Avenir! (Europe 73 p-6)

      Dialektische Ableitung der Eisenkonstruktion; sie wird gegen den griechischen Steinbau (Balkendecke) und den mittelalterlichen (Bogendecke) abgehoben. »Eine andere Kunst, in der ein anderes statisches Prinzip den Grundton angibt, der noch viel herrlicher klingt, denn der jener beiden, wird sich aus dem Schoße der Zeit losringen und Leben gewinnen … Ein neues, noch nicht dagewesenes Deckensystem, das natürlich auch sogleich ein neues Reich der Kunstformen nach sich ziehen wird, kann … nur in die Erscheinung treten, sobald ein bis dahin nicht sowohl ungekanntes, als vielmehr nur für eine solche Anwendung noch nicht als leitendes Prinzip genutztes Material beginnt Aufnahme zu finden … Ein solches Material aber ist … das Eisen, mit dessen Nutzung in diesem Sinne unser Jahrhundert bereits begonnen hat. Es ist das Eisen bestimmt, mit der steigenden Prüfung und Erkenntnis seiner statischen Eigenschaften in der Bauweise der kommenden Zeit als Grundlage des Deckensystemes zu dienen und dasselbe, statisch gefaßt, einmal so weit über das hellenische und mittelalterliche zu erheben, als das Bogen-Deckensystem das Mittelalter über das monolithe Steinbalkensystem der alten Welt erhob … Wird also vom Bogenbaue das statische Kraftprinzip entlehnt und zu einem ganz neuen ungekannten Systeme gestaltet, so wird auf der anderen Seite hinsichtlich der Kunstformen des neuen Systemes das Formenprinzip der hellenischen Weise aufgenommen werden müssen.« Zum hundertjährigen Geburtstag Karl Böttichers Berlin 1906 p 42, 44-46 (Das Prinzip der hellenischen und germanischen Bauweise hinsichtlich der Übertragung in die Bauweise unserer Tage) [F 1, 1]

      Zu früh gekommenes Glas, zu frühes Eisen. In den Passagen ist das sprödeste und das stärkste Material gebrochen, gewissermaßen geschändet worden. Mitte vorigen Jahrhunderts wußte man noch nicht, wie mit Glas und Eisen gebaut werden muß. Darum ist der Tag so schmutzig und trübe, der durch die Scheiben zwischen eisernen Trägern von oben hereinfällt. [F 1, 2]

      »In der Mitte der dreißiger Jahre kommen die eisernen Möbel auf, als Bettstellen, Stühle, Gueridons, Jardinièren, und es ist sehr bezeichnend für die Zeit, daß ihnen als besonderer Vorzug nachgerühmt wird: sie ließen sich in jeder Holzart täuschend nachahmen. Kurz nach 1840 erscheinen die französischen ganz überpolsterten Möbel und mit ihnen gelangt der Tapezierstil zu ausschließlicher Herrschaft.« Max von Boehn: Die Mode im XIX. Jahrhundert II München 1907 p 131 [F 1, 3]

      Die beiden großen Errungenschaften der Technik: G⁠〈l)as und Gußeisen gehen zusammen. »Sans compter la quantité innombrable de lumières entretenues par les marchands, ces galeries sont éclairées le soir par trente-quatre becs de gaz hydrogène portés par des enroulements en fonte fixés sur les pilastres.« Vermutlich ist von der Galerie de l’Opéra die Rede. J. A. Dulaure: Histoire de Paris … depuis 1821 jusqu’à nos jours II 〈Paris 1835 p 29〉 [F 1, 4]

      »Der Postwagen sprengt am Seinequai hinauf. Ein Blitzstrahl zuckt über den Pont d’Austerlitz. Der Bleistift ruhe!« Karl Gutzkow: Briefe aus Paris II 〈Leipzig 1842〉 p 234 Der pont d’Austerlitz war eine der ersten Eisenkonstruktionen in Paris. Mit dem Blitzstrahl darüber wird er zum Emblem des hereinbrechenden technischen Zeitalters. Daneben der Postwagen mit seinen Rappen unter deren Hufen der romantische Funke hervorsprüht. Und der Bleistift des deutschen Autors, der sie nachzeichnet: eine großartige Vignette im Stile Grandvilles. [F 1, 5]

      »Nous ne connaissons pas, en réalité, de beaux théâtres, de belles gares de chemins de fer, de belles expositions universelles, de beaux casinos, c’est-à-dire de beaux édifices industriels ou futiles.« Maurice Talmeyr: La cité du sang Paris 1908 p 277 [F 1, 6]

      Gußeisenzauber: »Hahblle put se convaincre alors que l’anneau de cette planète n’était autre chose qu’un balcon circulaire sur lequel les Saturniens viennent le soir prendre le frais.« Grandville: Un autre monde Paris 〈1844〉 p 139 □ Haschisch □ [F 1, 7]

      Bei Erwähnung der im Wohnhausstil erbauten Fabriken etc. ist die folgende Parallele aus der Geschichte der Architektur heranzuziehen: »Ich habe früher gesagt, daß in der Periode der Empfindsamkeit Tempel der Freundschaft und Zärtlichkeit errichtet wurden; als dann der antikisirte Geschmack kam, da tauchten alsbald in den Gärten, in den Parks, auf den Höhen Tempel oder tempelartige Gebäude in Menge auf, nicht bloß den Grazien oder Apoll und Musen gewidmet, sondern auch die Wirtschaftsgebäude, die Scheunen und Viehställe wurden im Tempelstil gebaut.« Jacob Falke: Geschichte des modernen Geschmacks Lpz 1866 p 373/374 Es gibt also Masken der Architektur und in solcher Maskierung steigt die Architektur um 1800, wie zu einem bal paré⁠〈,〉 geisterhaft an den Sonntagen überall um Berlin herum auf. [F 1 a, 1]

      »Ein jeder Gewerbsmann imitirte des anderen Stoff und Weise und glaubte ein Wunder von Geschmack gethan zu haben, wenn er Porzellantassen wie vom Faßbinder gemacht, Gläser gleich Porzellan, Goldschmuck gleich Lederriemen, Eisentische von Rohrstäben u. s. w. zu Stande gebracht hatte. Auf diesem Gebiete schwang sich auch der Conditor, das Reich und den Prüfstein seines Geschmacks gänzlich vergessend, zum Bildhauer und Architekten empor.« Jacob Falke: Geschichte des modernen Geschmacks p 380 Diese Ratlosigkeit entsprang zum Teil dem Überreichtum technischer Verfahren und neuer Stoffe, mit denen man über Nacht war beschenkt worden. Wie man sie tiefer sich anzueignen trachtete, kam es zu Mißgriffen und verfehlten Versuchen. Von einer andern Seite aber sind diese Versuche echteste Zeugnisse dafür, wie traumbefangen die technische Produktion in ihren Anfängen war. (Auch die Technik, nicht nur die Architektur, ist in gewissen Stadien Zeugnis eines Kollektivtraums). [F 1 a, 2]

      »Dans un genre secondaire il est vrai, la construction en fer un art nouveau se révélait. La gare du chemin de fer de l’Est, due à Duquesnay, a mérité à cet égard l’attention des architectes. L’emploi du fer a augmenté beaucoup à cette époque, grâce aux combinaisons nouvelles auxquelles il s’est prêté. Deux œuvres remarquables à des titres divers, la bibliothèque Sainte-Geneviève et les Halles centrales sont à mentionner tout d’abord en ce genre. Les Halles sont … un véritable type, qui plusieurs fois reproduit à Paris et dans d’autres villes, commença alors, comme jadis le gothique de nos cathédrales, à faire le tour de la France … Dans les détails, on remarqua de notables améliorations. La plomberie monumentale devint riche et élégante; les grilles, les candélabres, les pavés en mosaïque témoignèrent d’une recherche souvent heureuse du beau. Le progrès de l’industrie permit de cuivrer la fonte, procédé dont il ne faut pas abuser; le progrès du luxe conduisit avec plus de bonheur à substituer à la fonte le bronze, qui a fait des candélabres de quelques places publiques des objets d’art.« □ Gas □ Anmerkung zu dieser Stelle: »A Paris, en 1848, il est entré 5,763 tonnes de fer; en 1854, 11,771; en 1862, 41,666; en 1867, 61,572.« E. Levasseur: Histoire des classes ouvrières et de l’industrie en France de 1789 à 1870 II Paris 1904 p 531/532 [F 1 a, 3]

      »Henri Labrouste, artiste d’un talent sobre et sévère, inaugura avec succès l’emploi ornamental du fer dans la construction de la bibliothèque Sainte-Geneviève et de la Bibliothèque nationale.« Levasseur ebd p 197 [F 1 a, 4]

      Erster Bau der Hallen nach einem Projekt, das Napoleon 1811 angenommen hatte⁠〈,〉 1851 begonnen. Es mißfiel allgemein. Man nannte diese Steinkonstruktion le fort de la Halle. »L’essai était malheureux, on ne le renouvela pas …, et l’on chercha un genre de construction mieux approprié au but qu’on s’était proposé. La partie vitrée de la gare