Название | Die Klinik am See Staffel 1 – Arztroman |
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Автор произведения | Britta Winckler |
Жанр | Языкознание |
Серия | Die Klinik am See Staffel |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783740912307 |
»Aber Liebling, was hast du denn?« fragte Norbert, dessen weinselige Stimmung sich anscheinend verflüchtigt hatte. »Kannst du dir nicht denken, daß ich mich nach tagelanger Abwesenheit nach dir gesehnt habe? Du hast doch bestimmt auch Sehnsucht nach mir gehabt. Oder?«
»Ja, natürlich«, gab Irmgard leise zurück.
»Na also…« Norbert versuchte sich an Irmgards Körper anzuschmiegen.
Irmgard versuchte den Mann an ihrer Seite abzuwehren. Sie hatte plötzlich das Gefühl, als ob Norbert statt zwei Händen drei, vier oder gar fünf hatte. »Nein, Norbert, ich will nicht«, rief sie und rutschte weiter zur Seite. »Ich… ich… bin müde, verstehst du das denn nicht?!«
»Nein.« Es klang wie das Knurren eines gereizten Tieres. Unwille der schon an Zorn grenzte, machte sich bei Norbert bemerkbar. »Was zum Teufel ist los mit dir?« fragte er. »Warum bist du plötzlich so abweisend? Da stimmt doch etwas nicht. Hast du vielleicht einen anderen Mann gefunden und bist deshalb…?«
»Hör auf, Norbert!« fiel Irmgard dem Mann heftig ins Wort. »Du solltest eigentlich wissen, daß es für mich nur dich gibt.«
»Danach sieht es aber gar nicht aus«, stieß Norbert hervor.
Irmgard zuckte zusammen. Ich muß es ihm sagen, jetzt gleich, ging es ihr durch den Sinn, sonst denkt er wirklich, daß er einen Nebenbuhler hat. »Norbert«, setzte sie zum Reden an, wurde aber sofort unterbrochen.
»Laß nur«, stieß Norbert bitter hervor. »Ich will jetzt nichts hören. Mir ist ohnehin die Lust vergangen.« Trotzig klangen seine Worte. »Etwas, was mir nicht gern gegeben wird, will ich gar nicht haben.« Beleidigt drehte er sich um.
*
Punkt acht Uhr morgens war es, als Chefarzt Dr. Lindau in der Klinik am See eintraf. »Einen schönen guten Morgen wünsche ich«, grüßte er seine Sekretärin, die schon seit einer halben Stunde hinter ihrem Schreibtisch saß und an irgendwelchen Krankenkarteien arbeitete.
Marga Stäuber gab den Gruß zurück. »Sie sind heute ja in besonders guter Stimmung, Herr Doktor«, fügte sie lächelnd hinzu.
»So? Merkt man das?« gab Dr. Lindau fragend zurück und schmunzelte. »Ich habe ja auch allen Grund dazu.«
»Ja, natürlich – heute kommt ja Astrid aus Indien zurück«, entgegnete die Sekretärin.
»Eben«, bestätigte der Klinikleiter. »Erinnern Sie mich auf jeden Fall daran, daß ich rechtzeitig nach München fahren muß – falls ich es vergessen sollte bei der Arbeit!« bat er.
»Schon notiert, Herr Doktor«, sagte die Sekretärin. »Sie können sich auf mich verlassen, Herr Doktor.«
»Das weiß ich«, anerkannte Dr. Lindau. »Jedenfalls muß ich kurz nach halb zwei am Flughafen sein.«
»Sie müssen also allerspätestens um ein Uhr von hier wegfahren, Herr Doktor.«
»Woher wissen Sie das so genau, Frau Stäuber?« fragte Dr. Lindau leicht erstaunt.
»Ich habe es mir ausgerechnet«, erklärte die Sekretärin.
»Na, dann wird es schon stimmen«, meinte Dr. Lindau lächelnd. »Ich werde also Viertel vor eins von hier wegfahren. So…«, er wurde sachlich, »… was haben wir nun? Sprechzimmerpatienten?«
»Vorläufig noch keine«, antwortete Marga Stäuber. »Aber eine Frau Gerlach hat angerufen und um eine Besprechung mit Ihnen gebeten.«
»Als Patientin?« wollte Dr. Lindau wissen.
»Das ist anzunehmen, denn sie sagte, daß sie Ihren Rat benötige, weil ihre Ehe auf dem Spiel stehe«, erklärte Marga Stäuber.
»Das hört sich ja ziemlich tragisch an«, sagte der Chefarzt. »Etwas genauer hat sich diese Dame nicht ausgedrückt?« fragte er.
»Na ja, sie ließ nur durchblicken, daß die gerne Kinder haben möchte, aber keine bekommen könne«, entgegnete die Sekretärin. »Ich habe ihr einen Termin für Montag elf Uhr gegeben. Ich hoffe, daß Ihnen das recht ist.«
»Das muß es mir wohl, nachdem Sie die Dame schon herbestellt haben«, erwiderte Dr. Lindau. »Ist diese Frau Gerlach aus der Nähe?«
Marga Stäuber warf einen raschen Blick in ihr Merkbuch. »Sie wohnt in Grünwald«, sagte sie.
»Grünwald?« wiederholte Dr. Lindau verwundert. »Weshalb sucht sie mit ihrem Problem nicht das Klinikum in München auf? Das liegt ihr doch gewissermaßen vor der Haustür.«
Marga Stäuber zuckte mit den Schultern. »Das habe ich ihr so ähnlich auch gesagt«, erklärte sie, »aber sie wollte partout zu Ihnen. Da können Sie mal sehen, wie bekannt Sie schon sind, Herr Doktor, daß die Frauen von weither zu…«
»Geschenkt, Frau Stäuber«, unterbrach Dr. Lindau die Sekretärin und wandte sich seinem Zimmer zu.
»Ach ja – Frau Dr. Westphal wollte mit Ihnen sprechen, sobald Sie im Hause sind«, rief Marga Stäuber ihrem Chef nach.
»In Ordnung – bitten Sie sie zu mir!« gab Dr. Lindau zurück und drückte die Tür hinter sich zu.
Minutenlang beschäftigte er sich dann mit dem Rapportbuch und gab der ebenfalls schon anwesenden Bettina Sieber einige Anweisungen für ein paar Laboruntersuchungen.
*
Schweigend saßen sich Irmgard und Norbert am Frühstückstisch gegenüber. Seitens des letzteren hatte es beim Aufstehen gerade zu einem mürrischen Morgengruß gereicht, obwohl es diesmal Irmgard gewesen war, die sich nach dem Bad und nach dem Ankleiden von ihrer nettesten Seite gezeigt hatte.
»Norbert, bitte, sei doch nicht so griesgrämig«, ergriff Irmgard jetzt wieder das Wort. »Was ist denn schon geschehen?«
»Das ist es ja«, fuhr Norbert auf. »Eben weil nichts geschehen ist und ich mich in meinem Stolz getroffen fühle, weil…«
»Nun hör aber auf!« warf Irmgard dazwischen. »Ich wollte dir in der Nacht ja noch erklären…«
»Das kannst du jetzt«, fiel Norbert seiner Lebensgefährtin brummig ins Wort. Sein Zorn über Irmgards nächtliches Verhalten hatte sich etwas gelegt. Geblieben war aber eine sonderbare innere Unruhe. Sein Grübeln vor dem Einschlafen und auch jetzt nach dem Aufstehen hatte ihm lediglich die Vermutung genommen, daß er einen Nebenbuhler haben könnte. Was aber konnte sonst der Grund sein für Irmgards merkwürdige Aversion gegenüber seinen Wünschen? Diese Frage ließ ihn nicht los. Er ließ sich Irmgard gegenüber aber nicht anmerken, wie sehr er auf eine Erklärung wartete. Schließlich war sie es gewesen, die ihn zurückgewiesen und seinen männlichen Stolz verletzt hatte. Also lag es doch an ihr, den ersten Schritt zu tun und ihn von seiner inneren Unruhe zu befreien.
»Also dann hör jetzt gut zu«, ging Irmgard auf Norberts Aufforderung ein. »Nimm aber bitte zuerst zur Kenntnis, daß sich meine Gefühle dir gegenüber nicht im geringsten verändert haben! Das mußt du mir glauben.«
»Das möchte ich ja gern«, erwiderte Norbert. Ein wenig hilflos sah er Irmgard an.
Die holte tief Atem und sagte dann leise: »Ich konnte nicht anders, Norbert, denn ich bin krank.«
Norbert bekam einen Schreck. Hinter seiner Stirn überschlugen sich die Gedanken. Was für eine Krankheit konnte das sein? Mißtrauen meldete sich in seinen Blicken.
Ehe er aber etwas sagen oder fragen konnte, ergriff Irmgard wieder das Wort. »Ich war zwei Tage in der Klinik am See«, erklärte sie mit ruhiger Stimme. Sie hatte inzwischen ihre Hemmungen verloren und war sich bewußt geworden, daß es ja kindisch war, dem Mann, den man liebte und von dem man sich wieder geliebt wußte, ihr Leiden zu verheimlichen.
»In der Klinik?« stieß Norbert verblüfft hervor. »Das wird ja immer besser. Weshalb zum Teufel?«
»Fluch bitte nicht!« bat Irmgard und berichtete, was mit ihr geschehen