Die Klinik am See Staffel 1 – Arztroman. Britta Winckler

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Название Die Klinik am See Staffel 1 – Arztroman
Автор произведения Britta Winckler
Жанр Языкознание
Серия Die Klinik am See Staffel
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740912307



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Ich meine mit deiner… deiner… Prüderie? Gestern schon nach meiner Rückkehr und dann in der Nacht – ich verstehe das nicht ganz.«

      »Du bist eben ein Mann«, gab Irmgard leise zurück. »Männer aber denken nicht an die Probleme einer Frau, wenn sie zu ihren sogenannten Rechten kommen wollen.« Mit verhaltener Stimme versuchte sie, Norbert ihr abweisendes Verhalten zu erklären. Sie gebrauchte fast die gleichen Worte, wie Frau Dr. Westphal sie gesagt hatte. »Verstehst du mich jetzt?« fragte sie. »Wenn wir erst verheiratet sind, dann möchten wir doch auch Kinder haben. Soll ich das Risiko eingehen, niemals Mutter zu werden, nur weil ich meine Gefühle und – wenn du so willst – auch meine Sehnsucht, die gleich, wie du sie hast, nicht zügeln kann? Wegen nur einer Woche, vielleicht auch zwei Wochen Enthaltsamkeit?« Bittend, ja, beinahe flehend sah sie Norbert an.

      In dessen Zügen arbeitete es. Zwei Wochen, dachte er, das ist eine verdammt lange Zeit. Er bemühte sich, für Irmgards Situation Verständnis aufzubringen. So recht gelang ihm das aber nicht. Eine andere plötzlich aufgekommene Regung verhinderte das – nämlich ein Unwille gegen jene Ärztin. »Diese Frau Doktor… Doktor…«

      »Westphal heißt sie«, half Irmgard.

      »… hat dir als verboten, mit mir zu schlafen«, stieß Norbert aufgebracht hervor.

      »Sie hat es mir nur dringend nahegelegt«, berichtete Irmgard.

      »Wenn die Ärzte einem schon etwas dringend nahelegen oder anraten, dann ist das mit einem Verbot vergleichbar«, regte sich Norbert auf. »Das ist doch ein Eingriff in die Intimsphäre zweier Menschen«, fügte er betont hinzu.

      »Das siehst du falsch«, widersprach Irmgard. »Von einem Verbot war nicht die Rede. Frau Dr. Westphal hat mir nur im Interesse meiner Gesundheit und meines Wohlbefindens einen guten Rat gegeben. Den akzeptiere ich, und das solltest du auch.«

      »An mein Wohlbefinden hat die Dame dabei wohl nicht gedacht, wie?« brauste Norbert auf. Sein Unwille auf die Ärztin steigerte sich mehr und mehr zum Zorn. Der würde er etwas erzählen, wenn er sie zu sehen bekam. Ja, das würde er tun. Dieser Gedanke ließ ihn nicht mehr los und wurde innerhalb weniger Sekunden direkt zu einer fixen Idee. Irmgard gegenüber aber verschwieg er diesen Gedankengang.

      »Norbert, sei du nun auch ein wenig vernünftig!« bat die junge Frau. »Ich bin es ja auch. Wir müssen es sein, damit es schnell wieder so wie früher wird mit uns beiden.«

      Norbert erhob sich.

      »Wo willst du hin?« fragte Irmgard verwundert.

      »Ich fahre ein Weilchen durch die Gegend«, erwiderte Norbert, »um mich zu beruhigen.« Daß er vorhatte, in jene Klinik am See zu fahren und mit der Ärztin ein paar energische Worte zu reden, behielt er für sich.

      »Ich habe leider noch zu arbeiten, sonst würde ich dich gern begleiten«, entgegnete Irmgard und stand auch vom Tisch auf.

      »Bleib ruhig hier und beschäftige dich mit deinen Bildern«, brummte Norbert.

      »Wann bist du wieder zurück?« wollte Irmgard wissen.

      Norbert zuckte mit den Schultern. »In einer Stunde«, erwiderte er. »Vielleicht auch erst in zwei…« Er trat auf Irmgard zu. »Hat dir die Ärztin wenigstens erlaubt, mir einen Kuß zu geben?« fragte er mit einem Sarkasmus, der Irmgard direkt weh tat.

      »Natürlich bekommst du einen Kuß von mir, du Dummer, denn ich liebe dich doch«, antwortete Irmgard lächelnd, legte ihre Arme um Norberts Nacken und preßte ihre Lippen auf seinen Mund.

      Abrupt löste sich Norbert aus der Umarmung. »Bis später«, murmelte er und ging.

      Irmgard hörte ihn Sekunden später davonfahren. Am Fenster stehend sah sie dem entschwindenden Fahrzeug nach.

      Norbert drehte sich nicht um. Er fuhr aus Auefelden hinaus. Ein bestimmtes Ziel hatte er nicht. Er fuhr einfach durch die Gegend und entfernte sich immer mehr von Auefelden, fuhr am Tegernsee entlang und schlug dann den Weg nach München ein. Irgendwo kurz vor der Bayern-Metropole hielt er bei einem Gasthof an und genehmigte sich ein Bier. An die Zeit dachte er gar nicht und auch nicht daran, daß er bereits zwei Stunden unterwegs war. Erst als er nach einem Blick auf die Uhr feststellte, daß es schon langsam auf Mittag zuging, fiel ihm wieder ein, was er ja eigentlich vorgehabt hatte. Der Zorn auf jene Ärztin wallte erneut in ihm hoch. Entschlossen setzte er sich wieder hinter das Steuer und fuhr auf anderen Wegen zurück – nicht nach Auefelden hinein, sondern direkt zur Klinik am See. Es war schon fast Mittag, als er dort ankam und sich sofort nach Frau Dr. Westphal durchfragte.

      *

      Erstaunt, aber auch etwas unwillig blickte die hinter ihrem Schreibtisch sitzende Ärztin hoch, als plötzlich die Tür aufging und ein Mann ihr Dienstzimmer betrat. Hinter ihm kam eine ärgerlich dreinblickende Schwester.

      »Entschuldigen Sie, Frau Doktor, aber der Herr ließ sich nicht zurückhalten«, sagte sie. »Ich wollte ihn ja anmelden…«

      »Schon gut, Schwester.« Die Ärztin winkte ab, und die Schwester zog sich zurück. »Sie möchten mit mir sprechen, Herr…?« wandte sich Anja Westphal an den kräftig gebauten jungen Mann, der vor ihr stand.

      »Wichner ist mein Name, Norbert Wichner«, stellte sich der stürmische Besucher vor. Seine Stimme hatte einen rauhen Klang und in seinen Augen blitzte es zornig auf. »Sie sind Frau Doktor Westphal?«

      Die Ärztin bestätigte das und stand auf. Eine merkwürdige Art, mit mir reden zu wollen, dachte sie. Laut aber fragte sie: »Worum handelt es sich?«

      »Um meine Frau und um mich.«

      »Sie müssen schon deutlicher werden, Herr Wichner«, verlangte die Medizinerin. »Wer ist Ihre Frau?« fragte sie. »Ist sie Patientin in unserer Klinik?«

      »Das war sie zwei Tage lang, und Sie haben Ihr einen verdammten Floh ins Ohr gesetzt«, stieß Norbert Wichner erregt hervor. Mit jeder Sekunde und mit jedem Wort, das er sprach, steigerte sich eine Erregung.

      Die Ärztin versteifte sich. »Herr Wichner, wenn Sie mit mir sprechen wollen, so müssen Sie schon einen anderen Ton anschlagen«, gab sie ihrem Besucher in etwas scharfem Ton zu verstehen. »Also – wer ist Ihre Frau und wie kommen Sie zu Ihrer sonderbaren Anschuldigung?«

      »Irmgard Ehlers…«, stieß Norbert Wichner hervor. »Wie zum Teufel kommen Sie dazu, ihr zu verbieten, mit mir zu schlafen?« fragte er direkt.

      In den Augen der Ärztin blitzte es auf. Jetzt verstand sie. Natürlich erinnerte sie sich an diese junge Frau, die sie vor zwei Tagen noch in Behandlung gehabt hatte. Selbstverständlich wußte sie auch noch, was für einen Rat sie ihr bei der Entlassung mitgegeben hatte. »Zunächst einmal, Herr Wichner, möchte ich etwas klarstellen«, ergriff sie das Wort. »Verboten habe ich Ihrer Freun… hm… Ihrer Frau nichts. Ich habe ihr nur einen sehr begründeten ärztlichen Rat gegeben.«

      »Ach was – Rat oder Verbot«, entgegnete Norbert Wichner wütend. »Das kommt auf das gleich heraus. Tatsache ist aber, daß Irmgard vorläufig nichts von mir wissen will.«

      »Sehr vernünftig von Frau Ehlers, denn es geht um ihre Gesundheit und um ihr Wohlbefinden«, erklärte die Ärztin. Ihre Stimme wurde energisch. »Sie sollten darauf Rücksicht nehmen, Herr Wichner. Das kann doch nicht so unendlich schwer sein.«

      »O doch, Verehrteste«, stieß Norbert Wichner scharf hervor. Er merkte gar nicht, daß er mit erhöhter Lautstärke sprach. »Nicht nur für mich ist es schwer, sondern auch für meine Irmgard«, setzte er hinzu. »Wir lieben uns nämlich, falls Sie wissen, was das bedeutet.«

      »Natürlich weiß ich das«, gab die Ärztin zurück. Ihre Geduld ging langsam zu Ende. Leiser Zorn erfaßte sie auf ihren Besucher, auf dessen Unvernunft und Rücksichtslosigkeit der Frau gegenüber, die er zu lieben angab.

      »Das glaube ich nicht«, konterte Norbert Wichner, »sonst hätten Sie meiner Irmgard nicht so einen hirnverbrannten Rat gegeben. Wahrscheinlich sind Sie eine frustierte Frau, die nicht…«

      »Jetzt ist es genug, Herr Wichner!«