Название | Darcian |
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Автор произведения | Julia Lindenmair |
Жанр | |
Серия | |
Издательство | |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783946843887 |
Mit einem eleganten Flügelschlag lande ich neben Agatha, ziehe ihre rechte Hand an meine Lippen und hauche ihr als Begrüßung einen zärtlichen Kuss auf den Handrücken.
»Du weißt, wie man einer Frau imponiert«, sagt sie mit einem breiten, verlegenen Lächeln.
Sie liebt meine charmante Art und ist ihr sichtlich verfallen.
Ich ziehe die Augenbrauen nach oben, während ich gleichzeitig in die Gesichter einiger männlicher Seelen blicke, die vor Neid nahezu hochgehen. Neben mir steigen vereinzelte Portale aus dem Krater auf, die mit einem dumpfen Knall zerplatzen und ein Feuerwerk aus Farben zurücklassen. Ausgewählte Seelen warten darauf, in eins der Portale zu springen, das sie in die nächste Zone bringen wird.
»Hat dich Mox etwa schon wieder eingeteilt, um die Erwählten auszusortieren?«
Agatha nickt seufzend. »Schon das dritte Mal diese Woche, und die Schlange scheint heute kein Ende zu finden. Langsam beginne ich zu glauben, er hat was gegen mich.«
»Wir wissen doch beide, dass dies nicht der Fall ist. Wer könnte gegen solch eine Schönheit schon was haben«, sage ich keck und zwinkere ihr zu.
Agatha senkt verlegen den Blick, doch ich hebe ihr Kinn leicht an, damit sie mich ansehen kann. Ich blicke ihr tief in die Augen, die violett sind – wie die aller Engel. Sie sind nichts Besonderes, trotzdem beglückt mich dieses gewisse Funkeln immer wieder, das meine Gegenwart in ihnen hervorruft.
»Ihr Todesengel seid alle gleich. Hauptsache ihr habt Spaß daran, unsinniges Zeug von euch zu geben.« Ihr Gesichtsausdruck lässt sie eingeschnappt wirken, aber ich weiß, dass sie unseren Flirt richtig genießt. Schon immer funkte es zwischen uns. Obwohl der ganze Himmel weiß, dass Agatha eine Schwäche für Todesengel hat, benehme ich mich immer möglichst zurückhaltend und charmant, das kurbelt ihren Trieb jedoch nur noch mehr an. Irgendwann habe ich sie so weit, dass sie mir völlig aus der Hand frisst – das wird ein schöner Spaß.
Mir Agathas lechzendem Blicks vollkommen bewusst, spreize ich meine Flügel und steige mit einem Ruck wieder auf.
»Willst du schon weg?« Sie klingt betont gleichgültig, doch ich weiß, dass sie gedanklich an meinen Lippen klebt.
Im Flug drehe ich mich um und begegne ihrem frustrierten Blick. »Ich muss, sonst killt Lady mich!«
»Wann kommst du wieder?«
»Sobald ich Zeit finde!« Mit den Lippen berühre ich meine Fingerspitzen und werfe ihr einen Kuss zu. Mit einer lächerlichen Geste greift sie danach, als würde sie eine Mücke fangen, und schließt ihre Hand zu einer Faust.
Nach diesem kleinen Abstecher mache mich auf den Weg in den Himmel, zum Elysium, um mir dort die Akte der nächsten frischen Seele abzuholen. Dafür entscheide ich mich immer für den längsten Weg, durch verschiedene Portale und Zonen des Jenseits hindurch, um, wenn ich Glück habe, andere Todesengel anzutreffen. Mich mit meinen Gleichgesinnten auszutauschen tut mir gut, weil wir genau wissen, wovon wir sprechen. Wir erzählen uns meist die schrägsten Geschichten über frische Seelen. Genau heute hätte ich eine ganz spezielle auf Lager – über eine reiche Adelige, die mich ernsthaft mit Geld bestechen wollte, damit ich sie nicht mitnehme. Jedoch scheine ich kein Glück zu haben. Weder an der Bucht der Paradieswächter noch im Zentrum des Lichts kann ich einen der Todesengel finden. Heute gibt es wohl viel zu tun auf der Erde, ich muss mich also sputen und meine Flügel in die Hand nehmen, bevor ich mir wieder eine Predigt von Mox anhören kann, wie unglaublich lahm und ungesittet ich doch bin. Allein diese Vorstellung macht mir Feuer unterm Hintern, obwohl ich es genieße, ihn aufzuziehen und ihn bis an die Grenzen seiner Wut zu bringen.
Von Weitem erblicke ich das Elysium, den Sitz des Rates, der mich immer wieder an das Weiße Haus auf der Erde erinnert. Nur etwas größer, höher und beeindruckender als das schmächtige Abbild im Diesseits.
Als ich am Seitenflügel der Südfront ankomme, und die knapp fünf Meter hohe Doppeltür aufschiebe, läuft mir Lady bereits entgegen. Ihr Auftreten verheißt mir nichts Gutes, denn sie ist Mox’ kleine, schwarze Katze und zugleich seine rechte Hand. Sie hat stets alles und jeden im Blick, ist punktgenau, durchdacht und für ein so niedliches Wesen ziemlich einschüchternd und impulsiv. Es ihr recht zu machen ist eine Aufgabe, der ich nicht gewachsen bin. Ich fliege auf sie zu und erblicke eine Taschenuhr in ihrem Maul. Mit der rechten Pfote schiebt sie die Akte der nächsten frischen Seele vor sich her. Als sie mich sieht, zucken ihre kleinen weißen Flügelchen auf dem Rücken kurz, bevor sie sich schräg nach oben aufstellen. Offensichtlich habe ich Lady mit meiner Verspätung wütender gemacht, als mir bewusst ist.
»Warum bringst du mir das?« Ich runzle meine Stirn, während mich Lady mit dem kältesten Blick straft, den sie in ihrer Position als vermeintlich süße Katze aufbringen kann.
Ich hebe die Akte auf. »Ich habe zwar nur zwei Beine, aber die genügen auch, um mir alles selbst zu holen.«
Lady spuckt mir die goldene Taschenuhr vor die Füße und blickt mich grimmig an. Gut, dass ich unsterblich bin, denn sonst würden mich ihre Blicke noch irgendwann ins Grab bringen.
»Weil du, verdammt noch mal, spät dran bist! Das Mädchen, das du abholen sollst, stirbt gleich und du hast nichts Besseres zu tun, als Agatha schöne Augen zu machen und wieder mal den längsten Weg ins Elysium zu wählen. Man sollte dir deine schwarzen Flügel rupfen!« Ihre grün gesprenkelten Raubkatzenaugen versuchen noch immer, mich zu killen.
»Außerdem hast du seit Stunden nichts gegessen. Du bestehst ja nur noch aus Haut und Muskeln, so geht das nicht«, schimpft sie fauchend.
»He, du hast mich beobachtet? Das gehört sich aber nicht für eine niedliche Katze«, beschwere ich mich, bevor ich die Unterlippe nach vorne schiebe.
»Mox hat dich beobachtet. Und seit wann bin ich bitteschön niedlich?« Gleich darauf verschwindet Lady hinter der Tür und kehrt eine Sekunde später mit einem Sandwich im Maul zurück.
Ich beende den Schmollmundmodus. »Du bist und bleibst die Beste«, merke ich an, während sich mein Magen mit einem lauten Knurren bedankt. Trotz unserer Unsterblichkeit brauchen wir Engel etwas Festes zwischen den Zähnen, das uns die nötige Energie gibt, unsere Arbeit zu verrichten. Als ich jedoch nach dem Sandwich greife, kratzt mir Lady über meine Finger. »Autsch!«
Sie legt das Sandwich vor ihren Pfoten ab. »Mox ist es langsam leid, dich immer wieder zu ermahnen. Ich wollte schon fast Glimm schicken, weil ich nicht mehr daran geglaubt habe, dass du heute noch hier auftauchst.«
Vor Schreck verziehe ich mein Gesicht. Wie kommt sie nur auf die absurde Idee, Glimm für mich einspringen zu lassen? Seine schwarzen Flügel sind so unausgereift, dass er eher einer Henne ähnelt als einem Todesengel. Wenn sie mich schon als Nichtsnutz bezeichnet, dann brauchen wir über diesen primitiven Versager erst gar nicht zu reden.
»Ja, ja. Willst du mir jetzt eine stundenlange Predigt halten wie Mox?«, erwidere ich eingeschnappt.
Lady rümpft ihr rosa Näschen, sodass ihre Schnurrhaare auf und ab wippen.
»Irgendwann wird dich Mox noch in die Unterwelt verbannen«, schnieft sie mürrisch. »Dort kannst du von mir aus tun, was du willst und Diabolus den letzten Nerv rauben.«
Ich nehme Lady auf dem Arm und kraule sie am Hals. Das liebt sie.
»Lass mich runter!« Sie sieht mich böse an, aber mir entgeht ihr leises Schnurren nicht.
»Ich bin trotz allem Mox’ bester Todesengel, das scheinst du vergessen zu haben, liebste Lady.« Mit einem kleinen Lächeln setze ich sie wieder auf dem Boden ab. »Er wird mich niemals so einfach