Название | Darcian |
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Автор произведения | Julia Lindenmair |
Жанр | |
Серия | |
Издательство | |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783946843887 |
Ich sehe sie überrascht an und nehme ein tiefes Schnaufen wahr. »Gib mir einen Moment, um mich von meiner Schwester zu verabschieden, ja?«
Mit schweren Schritten schleppt sie sich auf die alte Weide zu, während ich ihr verwundert hinterher starre.
Von Weitem beobachte ich, wie sich die beiden Schwestern in die Arme fallen und nach längerem Warten steht White schlussendlich wieder vor mir. Ihr Blick drückt Entschlossenheit aus.
»Ich bin bereit, herauszufinden, was mit mir nicht stimmt«, gibt sie kurz und bündig zu verstehen. Ich schwinge meine Hand und das Portal öffnet sich. Durch einen einzigen Sprung hindurch erreichen wir direkt die Pforte ins Elysium. Diesen Weg wähle ich eigentlich selten, aber diesmal muss ich schnellstens mit dem Rat sprechen. Es gibt nur einen winzigen Haken: Das Elysium befindet sich auf einer schwebenden Wolke. Da White weder schweben noch fliegen kann, schlage ich ihr eine andere Option vor.
»Ich soll ernsthaft huckepack auf dir mitfliegen? Auf deinem nackten Rücken?«
Ich zucke mit den Schultern und bücke mich. »Ein fliegendes Auto gibt es bei uns nun mal nicht.«
»Das gibt es auch nur in Fantasy-Filmen.«
»In was?«
White ignoriert meine Frage und nimmt mit einem lauten Seufzer auf meinem Rücken Platz. Weder ist sie sonderlich schwer noch bin ich schwach, dennoch muss ich mich erst an den zusätzlichen Ballast gewöhnen. Lady war bisher die einzige, die auf meinem Rücken mitgeflogen ist. Daher starte ich eher mit schwankenden Bewegungen, ehe ich den richtigen Dreh raus habe und wie gewohnt geradeaus fliege.
In der Luft spüre ich, wie meine Flügel bei jedem Schlag Whites Körper streifen. Diese Berührung löst ein eigenartiges Kribbeln in mir aus. Immerhin scheint mir das mehr auszumachen als ihr, denn sie beschwert sich kein einziges Mal. Als ich die Umgebung betrachte, merke ich sofort, dass etwas nicht stimmt. Die Gegend ist so ausgestorben wie das Universum vor dem Urknall. Normalerweise herrscht hier um diese Zeit reges Treiben, doch heute erblicke ich keinen einzigen Himmelsbewohner.
Als das zyklopisch große, weiße Haus vor uns auftaucht, krallt mir White ihre Fingernägel in die Schultern. Ihre schmale Taille drückt sich dicht an mein Gesäß, sodass mir plötzlich ganz heiß wird. Irgendwie scheint sie es geschafft zu haben, ihre Furcht auf mich zu übertragen.
»Das ist das Elysium, auch besser bekannt als der Sitz des Rates.«
»Sagt mir gar nichts.« Sie spricht kühl, um ihre Angst zu verbergen.
»Wie sollte es auch?« Etwas gestelzt lache ich auf.
»Ich dachte, Gott würde im Olymp auf uns warten?«
Ich grinse in mich hinein. »Gott und Olymp sind im Himmel wie der Osterhase und der Weihnachtsmann auf der Erde. Also nicht real«, fasse ich mich kurz, weil ich jetzt keine Zeit habe, ihr alles im Detail zu erklären.
»Ach? Den Weihnachtsmann und den Osterhasen kennst du also?«, bemerkt White verwundert.
»Ich kenne sogar die Zahnfee«, gebe ich mit einem verschmitzten Grinsen zu.
»Die ist ja auch die Wichtigste«, murmelt sie kaum hörbar – ich könnte schwören, einen Hauch Sarkasmus in ihrer Stimme erkannt zu haben.
»Weißt du«, beginne ich zögerlich, »ich bin zwar oft auf der Erde unterwegs, allerdings interessieren mich die Sitten und Brauchtümer der Menschen nicht. Was ihr da unten treibt, mit eurem Peter Pan und eurem Herkules, ist mir schnurzpiepegal. Das ist eure Welt, nicht meine.«
White entgegnet nichts, aber ich glaube, ein kurzes Prusten hinter mir zu hören.
Im selben Moment erblicke ich Lucien, der bereits vor dem Tor auf uns wartet und so schnell im Kreis umhergeht, als würde er ein Loch in den Boden laufen wollen.
»Da seid ihr ja endlich!«, stöhnt er in die Luft, sobald er uns sieht. Als ich vor ihm anhalte, sehe ich die Schweißperlen auf seiner Stirn. »Ich habe eine Ewigkeit auf euch gewartet! Habt ihr noch schnell einen Abstecher ins Disneyland gemacht, oder was?«
»Disneyland?«, frage ich irritiert.
»Ein Ort voller Liebender, an dem ich gerne Pfeile … ach egal.« Er wischt sich mit dem Ärmel seiner Tunika über die Stirn und keucht. »Ihr kommt einfach viel zu spät. Der Rat ist in höchster Aufregung!«
Ich erstarre. »Das heißt, sie wissen bereits über White Bescheid?«
»Mehr als das. Der gesamte Himmel ist in Aufruhr. Mit Whites Eintreten ins Jenseits wurde Alarmstufe rot ausgerufen, die Himmelsbewohner sind dazu genötigt, in ihren Wolkenhäusern zu bleiben. Der Rat hat vorhin eine Sitzung einberufen, die in Kürze stattfinden wird.«
Bevor ich etwas dazu sagen kann, öffnet jemand die Flügeltür einen Spalt weit und darin erscheint zaghaft eine kleine Pfote. Es dauert einen Moment, bis Lady durch die Tür geschlüpft ist. Als sie zuerst mich und gleich darauf White entdeckt, öffnet sich ihr Mäulchen und ihre spitzen Zähne kommen zum Vorschein.
»Oh, eine süße Katze, wie niedlich!«, quietscht White neben mir auf und geht in die Hocke.
»Ist sie das?«, fragt Lady sichtlich erstaunt. Zustimmend nicke ich.
Schnell steht White wieder auf, während ihr ein undefinierbarer Laut entfährt. »Ähm … die Katze kann sprechen?«, fragt sie mit kratziger Stimme.
Ich ziehe eine Augenbraue nach oben. »Hättest du jetzt was anderes erwartet?«
»Hallo, mein liebes Mädchen«, begrüßt Lady White auf eine liebenswerte Art, die ich so von ihr nicht kenne. Ich hätte wirklich nichts dagegen, von Lady auch mal so begrüßt zu werden.
White ist angespannt und wortlos, woraufhin sich Lady zu mir dreht. »Du bist spät, wie immer«, faucht sie mich an.
Das war wohl nichts mit meinem Wunschdenken.
»Ich dachte schon, du hättest ausnahmsweise deine Krallen eingefahren.«, seufze ich mit vor der Brust verschränkten Armen.
»Ja ja, wir haben jetzt keine Zeit für eingeschnappte Kindsköpfe.«
Lady fokussiert White mit eindringlichem Blick. »Oh, es ist so überwältigend! Dieses Mädchen ist ein Phänomen, so etwas hat es noch nie gegeben. Es gibt keine Aufzeichnungen, keine Niederschriften, rein gar nichts. Wir müssen sofort handeln-«
»Hey, vergiss nicht zu atmen«, unterbricht Lucien die schnaufende Katze.
Sie spricht vor Aufregung so schnell, dass es mir schwer fällt ihr zu folgen.
»Kurz gesagt, damit ihr primitiven Dosenöffner es auch versteht, sie ist ein gottverdammtes Wunder! Jetzt gilt es nur noch herauszufinden, ob sie ein gutes oder ein schlechtes Wunder ist. Der Rat wartet bereits, trödelt nicht, folgt mir.«
White reißt ihre Augen auf und blickt so erschrocken auf den Boden, als würde keine Katze, sondern ein Drache vor ihr stehen.
»Keine Angst, so ist sie immer drauf, wenn sie einen guten Tag hat«, rechtfertige ich mich für Ladys eigensinniges Benehmen. White wirft mir ein schwaches, eingeschüchtertes Lächeln zu.
Während Lucien die schwere Doppeltür so weit öffnet, dass nicht nur Lady, sondern auch wir hindurch passen, zögert White einen Augenblick. Mit ihren klaren Augen fängt sie meinen Blick ein und hält ihn fest, bis mir eine unerträgliche Hitze ins Gesicht steigt, als würde ich mitten in einem Feuersturm stehen. Ich schlucke trocken und wende schnell den Blick ab. Was ist das? Was stimmt nicht mit mir?
White atmet tief ein und wieder aus, ich spüre ihre Anspannung, die ihren Körper offensichtlich eingenommen hat. Es ist wie ein Jucken in meinen Fingern, das mich dazu bringt, sie behutsam zur Eingangshalle hineinzuschieben. Hinter ihr puste ich, so leise es geht,