Die Erbschaft. Elisa Scheer

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Название Die Erbschaft
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737555173



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zu machen, erschien mir dann doch leicht übertrieben, so etwas fand außer Christian bestimmt niemand gut. Mit meiner großen Tüte schaute ich dann doch noch einmal bei meiner künftigen Wohnung vorbei. Die Fenster müsste man mal putzen, stellte ich fest und betrachtete die hübsch gegliederte Fassade, aber die Fensterrahmen sahen neu aus. Kunststoff in Holzoptik? Oder wirkliches Holz? Holz war authentischer, aber es musste eben immer wieder mal gestrichen werden.

      Sechs Zimmer – wie sollte ich jemals sechs Zimmer bewohnen? Na gut, fünf, eines hatte ja dieser Untermieter. Seit Jahren hatte ich überhaupt kein eigenes Zimmer mehr gehabt; Cora hatte ganz recht, ich war Aschenputtel, das seinen Laptop scheu nach dem Kochen und Abspülen in der Küche aufklappte und peinlich genau darauf achtete, nicht mehr als ein Schrankabteil zu belegen, damit die schicken Anzüge des hohen Herrn nicht verknitterten. Schön blöd!

      Ein Mann trat aus der Tür zum Treppenhaus und trug zwei volle Plastiktüten in Richtung Hinterhaus. Dort standen wohl die Müllcontainer? Ich studierte das Klingelschild, um festzustellen, wie viele Parteien überhaupt in diesem Haus wohnten. Im Vorderhaus offenbar acht, je zwei pro Etage. Im zweiten Stock ein Rechtsanwalt, der die Wohnung neben seiner als Kanzlei nutzte, im dritten Stock eine WG und ein Professor, im vierten Stück links ein Paar, den beiden Namen nach, und rechts jemand namens Krzywalski. Ob das der Typ von eben war?

      Jetzt kam er wieder, eine finstere Gestalt, ganz in schwarz, groß, schmal, wirre Haare und ein schwarzer Vollbart. Ich hasste Vollbärte, damit sahen die Männer so waldschratmäßig aus und man konnte ihr Mienenspiel nicht erkennen. Und durch das schwarze Gestrüpp im Gesicht sah der Kerl noch bedrohlicher aus – dem wollte ich nicht so gerne nachts auf der Straße begegnen. Mein Gesicht musste meine Gefühle wohl allzu deutlich ausgedrückt haben, jedenfalls kam der Finsterling auf mich zu. „Kann ich Ihnen helfen?“

      Ich schüttelte den Kopf. „Nein.“ Ich hatte gequiekt! Räuspern, noch mal! „Nein, danke. Ich habe mir nur das Haus angeschaut. Es ist sehr schön.“

      „Ja.“ Was sollte er auch groß sagen? Er betrachtete mich einen Moment lang unschlüssig, dann schloss er die Haustür auf, passierte sie und zog sie hinter sich demonstrativ ins Schloss. Für Trickdiebinnen und andere verdächtige Frauenzimmer ist hier kein Platz! Deutlicher hätte er es nicht machen können. Und diese tiefe Stimme – das musste ein Bass sein. Aber singen konnte der bestimmt nicht, die Stimme hatte reichlich rau geklungen. Vielleicht war er erkältet? Und vielleicht verblödete ich jetzt restlos, warum machte ich mir Sorgen um die Gesundheit von Krzywalski oder wie immer der hieß?

      Im ersten Stock stand Ulitz/Waldmann. Äh, das klang ja auch wie ein Pärchen! Egal. Die Miete zu kassieren war sicher nicht schlecht. Und daneben CRS Design. Büros waren gut als Nachbarn, sie heizten ordentlich und waren nachts nicht da, um Krach zu machen oder sich über anderer Leute Krach zu beschweren. In diesem Haus konnte man es sicher aushalten, mal abgesehen von dieser finsteren Gestalt, aber der wohnte schließlich im vierten Stock. Sportlich – in den vierten Stock zu Fuß?

      Ich kehrte in Coras Wohnung zurück und putzte die Küche, um mich wenigstens irgendwie für die Gastfreundschaft zu revanchieren. Cora ließ immer noch nicht erkennen, dass ich ihr auf die Nerven ging, und wenn ich im Gästezimmer blieb, um ihr nicht dauernd auf der Pelle zu sitzen, dann kam sie mich holen. Nur, wenn Freddy da war, schien sie nicht allzu traurig zu sein, wenn ich mit einem ihrer zahlreichen Frau–rächt–sich-an-bösem–Exfreund-Schmöker auf dem Bett lag und fasziniert verfolgte, wie andere Frauen einen Kerl so richtig elegant fertigmachten. So was konnte ich leider nicht, ich konnte Christian ja nicht einmal nachspionieren, um einen Blick auf meine so viel stilvollere Nachfolgerin zu werfen. Viel zu peinlich! Wenn er es merkte, würde er nur glauben, ich sei von ihm besessen. Entweder alarmierte er dann die Nervenklinik oder er musterte sich stolz im Spiegel: Wie schön ich doch bin, die Weiber laufen mir in Scharen nach, egal wie schlecht ich sie behandle. Wirklich nicht!

      Die Küche funkelte geradezu, als Cora aus der Arbeit kam. Etwas zu kochen, hatte ich mich nicht getraut, denn ich wusste nicht, worauf sie Appetit hatte. Sie lachte, als ich sie fragte. „Wir kochen später zusammen, ja? Im Moment hab ich noch gar keinen Hunger, Sybille hat Canapés und Prosecco ausgegeben, weil sie befördert worden ist. Ich hab direkt einen sitzen!“ Sie schleuderte ihre Schuhe von sich und ließ sich auf eins der Sofas fallen. „Magst du etwas trinken?“, fragte ich besorgt.

      „Och.. ja, ein Cola. Haben wir noch welches?“

      „Klar!“ Ich hatte am Morgen ein bisschen eingekauft, schließlich wohnte ich hier ja umsonst. Cora trank ihr Glas mit wenigen großen Schlucken leer und ließ sich wieder zurückfallen. Dann öffnete sie ein Auge. „Und? War irgendwas Spannendes?“ Ich zeigte ihr meine Neuerwerbungen und die Karte von meiner Cousine.

      „Wie bist du an die gekommen?“, fragte sie. „Die Adresse ist doch noch die alte, oder?“

      „Ach ja, Christian hat sie weitergeleitet, samt Lohnsteuerkarte und Zeugnis. Alles in Ordnung.“

      „Zeig mir mal das Zeugnis! Ich weiß, worauf man da achten muss.“

      Ich gab es ihr. „Klingt doch ganz freundlich, oder?“

      Cora las und schnaufte. „Ganz freundlich? Das Zeugnis ist eine einzige Unverschämtheit. So kann das nicht bleiben! Damit kriegst du nie wieder einen Job.“

      „Wieso?“

      „Pass auf, du wirst es gleich sehen!“

      Sie tippte die Nummer aus dem Briefkopf ein und wartete. Ich lauschte neugierig.

      „Ja, hier ist Cora. Dieses Zeugnis ist doch wohl nicht dein Ernst, oder?

      - Weil das das mieseste Zeugnis ist, das ich jemals gesehen habe!

      - Freundchen, ich weiß, was solche Wendungen wirklich aussagen sollen. Du hast sie jahrelang für einen Hungerlohn schuften lassen, sie als kostenlose Haushälterin missbraucht, sie Knall auf Fall abserviert und schreibst ihr so ein Zeugnis? Pass auf, erinnerst du dich an Freddy?

      - Genau, und er kennt noch sehr viel mehr Anwälte. Er ist gut in seinem Job und sehr beliebt. Soll er mal einige Gerüchte über dich streuen? Das können wir ganz dezent erledigen, du wirst nie genau erfahren, auf welchen Wegen deine Klienten überredet wurden, sich einen anderen Steuerberater zu suchen.

      - Das ist keine Drohung. Ich weise nur auf mögliche Konsequenzen hin. Wann hattest du eigentlich die letzte Steuerprüfung?

      - Interessant, dann wird´s ja bald mal Zeit... Ein gutes Virenschutzprogramm hast du hoffentlich?

      - Aber nein, ich mache mir doch nur Sorgen um dich. Du wirkst so planlos in letzter Zeit!

      - Hast du irgendwelche Beweise?

      - Dachte ich mir. Pass auf, ich bin sicher, dass dir überhaupt nichts zustoßen wird, wenn du dich richtig absicherst.

      - Ganz einfach. Nimm dir einen Stift und dein Exemplar von diesem beschissenen Zeugnis.

      - Himmel, dann druck es dir noch mal aus! Kann ja wohl so schwer nicht sein.“

      Cora verdrehte die Augen zum Himmel! Ich rührte mich nicht, dazu war ich viel zu verblüfft. Cora hörte sich an wie eine erstklassige Gangsterbraut. Woher hatte sie nur diese fiese Art? Schien aber auf sehr erfreuliche Weise ihren Zweck zu erfüllen.

      „Fertig? Los geht´s! Erster Satz: Statt Sarah Ulitz hat seit 1998 in unserem Steuerbüro gearbeitet schreibst du natürlich Sarah Ulitz hat seit der Gründung 1998 unser Steuerbüro organisiert. Klar?

      - Wieso, so war´s doch!

      - Hast du eigentlich eine Website?

      - Warum nicht gleich so? Zweiter Satz: Aus Sie hat sich immer bemüht, zu unserer Zufriedenheit zu arbeiten wird sofort Sie hat stets zu unserer vollsten Zufriedenheit gearbeitet. Hast du das?

      - Dritter Satz. Sie wurde in den Bereichen Buchhaltung, Mandantenbetreuung und Ablage eingesetzt ist natürlich unmöglich. Das heißt Sie hat die gesamte Buchführung, die Mandantenbetreuung und alle anfallenden Sekretariatsarbeiten stets eigenverantwortlich