Die Erbschaft. Elisa Scheer

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Название Die Erbschaft
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737555173



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Sie hat aus privaten Gründen fristlos gekündigt wird zu Sie musste uns aus privaten Gründen kurzfristig verlassen; wir bedauern ihr Ausscheiden sehr und wünschen ihr weiterhin viel Erfolg. So macht man das, du Pfeife! So, und das druckst du jetzt schön zweimal aus und schickst es umgehend hierher, mit Kurier. In einer Stunde ist es da! Ach, übrigens, ich höre, man darf dir gratulieren, Papi?“

      Sie legte auf und sah mich triumphierend an. „So macht man das – der hatte die Hosen gestrichen voll. Weißt du, er könnte ja nie beweisen, dass wir ihm seine Kunden vergrault, seine Computer lahm gelegt und ihm die Steuerfahndung auf den Hals gehetzt haben, aber das würde ihn total ruinieren. Und du kannst mir nicht erzählen, dass er das Finanzamt nicht irgendwo bescheißt, wo er glaubt, man kommt ihm nicht drauf. In einer Stunde haben wir ein besseres Zeugnis.“

      Ich schüttelte wie benommen den Kopf. „Was war denn an dem alten Zeugnis so schlecht? Ich fand es ganz normal.“

      „Das sieht nur so aus, die Formulierungen hätten jedem anderen Arbeitgeber einiges verraten.“ Sie hob die Hand und begann an den Fingern herzuzählen:

      „Erstens hast du nur untergeordnete Arbeiten verrichtet. Zweitens ist es dir nicht gelungen, deinen Chef zufrieden zu stellen – das sagt das „bemüht“, – drittens musste man dir alles sagen, damit du es machst, vor allem Ablagekram und Kaffeekochen, und viertens hast du deinen Chef wegen irgendwelcher Weiberzickereien von heute auf morgen mit der Arbeit hängen gelassen. Damit hätte dich niemand mehr eingestellt.“

      „Unglaublich! Wie hast du das alles erkannt?“

      „Ich hab mich mal damit befasst, welche Geheimcodes die Chefs in den Zeugnissen verwenden. Oberste Regel: Ein gutes Zeugnis strotzt vor Superlativen und weist auf selbständiges und kompetentes Arbeiten hin. Na, jetzt steht es ja drin!“

      „So eine Ratte! Nicht genug, dass er mich total ausgebeutet und dann noch betrogen und abserviert hat, jetzt wollte er auch noch verhindern, dass ich jemals wieder einen neuen Job kriege.“

      „Wahrscheinlich wollte er nur sicher gehen, dass du nicht mehr in der gleichen Branche arbeitest, das wäre ihm wohl doch zu peinlich geworden.“

      „Trotzdem! Will er sich jetzt rächen, damit ich mein Leben lang irgendwo die Ablage machen muss? Bloß, weil ich unter diesen Umständen nicht mehr für ihn arbeiten konnte?“

      „Ich weiß es auch nicht. Traust du ihm das zu?“

      „Ich weiß nicht mehr, was ich ihm zutrauen kann und was nicht. Diese miese Laus!“

      Cora drückte mir einen Porzellanhund in die Hand. „Was soll ich damit?“

      „Wirf ihn aus dem Fenster auf die Straße, das befreit. Aber guck vorher, ob jemand kommt!“ Ich stellte mir vor, es sei kein Hund, sondern eine Ratte namens Christian, und schleuderte das hässliche Ding nach einem hastigen Blick nach links und rechts auf den Bürgersteig, wo es mit einem Knall zerschellte. Ha! Danach ging es mir tatsächlich besser, aber nur einige Minuten lang, dann heulte ich wieder – weil Christian so gemein war, weil ich ein dummes Huhn war, das diese Gemeinheit jahrelang gar nicht bemerkt hatte, weil ich nicht wusste, was jetzt werden sollte, weil ich mir furchtbar leid tat, weil... und überhaupt. „Vielleicht war er vorher gar nicht so gemein“, antwortete Cora nachdenklich, als sie mein Geschluchze schließlich deuten konnte. „Manche Leute werden doch erst so, wenn etwas nicht so läuft, wie sie es gerne hätten, und vorher verstecken sie ihre miese Art sehr raffiniert. Das konntest du wohl gar nicht merken. Du bist kein dummes Huhn!“

      „Doch“, heulte ich, „ich hab doch überhaupt keine Menschenkenntnis. Ich hätte es merken müssen, wie er mich ausgenutzt hat!“

      „Das merkt man doch immer erst, wenn die Liebe zum Teufel geht“, murmelte Cora und fuhr sich ratlos durch ihren schwarzen Pagenkopf. Wahrscheinlich ging ihr mein Geflenne allmählich furchtbar auf die Nerven! Ich schluchzte noch einmal auf und putzte mir dann energisch die Nase. „Wollen wir kochen?“

      „So ist es brav, meine tapfere Sarah!“

      Ich hatte gerade begonnen, Zwiebeln zu hacken, als es klingelte und ein Fahrradkurier einen Umschlag vorbeibrachte. Cora öffnete den Umschlag und überflog den Inhalt, dann nickte sie und bestätigte den Empfang.

      „So, jetzt hast du ein Zeugnis nach Wunsch. Morgen machen wir Kopien, und nächste Woche geben wir eins bei JobTime ab. Wieder ein Schritt geschafft!“

      Während der Osterfeiertage ging ich viel spazieren, damit Cora und Freddy auch mal sturmfreie Bude hatten. Allzu viel Zeit hatte Freddy freilich nicht, weil seine Mutter fast einen Herzstillstand erlitten hätte, als er andeutete, bei Cora zum Osterfrühstück eingeladen zu sein.

      „Das Blöde ist, dass sie nie sagt, was sie gegen mich hat“, murrte Cora, „sie sagt immer nur, ich sei eine reizende junge Dame, und dann greift sie sich filmreif ans Herz. Irgendwann platzt Freddy der Kragen und er ignoriert es. Dann nippelt sie wahrscheinlich wirklich ab, und er macht sich ewige Vorwürfe. Scheißsituation!“

      Trotzdem schlenderte ich stundenlang durch die Straßen, erkundete die Umgebung meiner neuen Wohnung, dachte über Christian nach, vor allem darüber, an welchen Anzeichen ich schon viel früher hätte erkennen müssen, dass er eine Ratte war, kickte Kieselsteine vor mir her und schaute glücklichen Familien beim Osterspaziergang zu, bis ich mir wieder richtig Leid tat.

      Stolz und das Gefühl dafür, was man tat und was nicht, schrumpften angesichts des Selbstmitleids in sich zusammen – jetzt wollte ich doch wissen, wie meine Nachfolgerin aussah!

      Ich suchte mir eine Telefonzelle, in der tatsächlich ein vollständiges Telefonbuch hing, und schlug nach. Unter Rütensberger standen nur zwei Einträge, F.W. von Rütensberger im westlichen Waldburgviertel, und C. von Rütensberger im Univiertel, in der Carolinenstraße. O Gott, das war gar nicht weit weg von mir!

      Am Ostermontag stylte ich mich so auf, dass Christian mich nicht erkennen konnte (Jeans und Sweatshirt mussten reichen) und machte mir einen Pferdeschwanz, denn ich dann durch eine von Coras Baseballkappen steckte. Dazu eine Sonnenbrille (angesichts des wechselhaften Wetters nicht unbedingt notwendig) und ich war für Christian, der nur echte Damen wahrnahm, total unsichtbar – hoffte ich wenigstens.

      So angetan spazierte ich zwei Stunden durch das Univiertel und warf dabei mehr als einen Blick auf das Haus, in dem die stilvolle Charlotte – wenn das wirklich ihre Adresse war – wohnte. Nichts Auffälliges, ein renovierter Altbau wie überall im Viertel, im Erdgeschoss eine Kneipe und eine Reinigung. C. Rütensberger wohnte im Vordergebäude, im dritten Stock. Ich wechselte auf die andere Straßenseite und betrachtete mit mäßigem Interesse die Fenster einer Buchhandlung, die sich auf Filmbücher spezialisiert hatte, dann warf ich wieder einen Blick auf die Fassade. Im dritten Stock waren sämtliche Fenster schmierig. Da war wohl die Putzfrau krank geworden?

      Mehr war nicht festzustellen, und so groß war der Triumph auch nicht, dass die stilvolle Charlotte eine schlampigere Hausfrau war als ich. Ich hoffte nur, dass Christian nun alles selbst machen musste! Wenn ich hier schon herumstreifte, konnte ich auch noch durch die Philippinengasse schlendern. In Christians Wohnung waren die Fenster sauber – kein Wunder, ich hatte sie erst am Wochenende vor meinem Auszug geputzt, während der gnädige Herr auf dem Golfplatz war. Wahrscheinlich hatte er mit Charlotte gespielt, kein Wunder, dass sie keine Zeit hatte, die Fenster zu putzen!

      Ich kam mir allmählich vor wie eine manische Hausfrau. War es nicht eigentlich sehr positiv, wenn eine Frau lieber auf dem Golfplatz Geschäftskontakte knüpfte, als mit Superglanzspray ihre Fenster zu bearbeiten? Nur im Prinzip, beschloss ich finster, nicht, wenn es sich um meine Nachfolgerin handelte, die konnte nichts richtig machen. Hoffentlich ließ sie Christian in ungebügelten Hemden herumlaufen und bescherte ihm eine nette kleine Lebensmittelvergiftung!

      Oder sie sollte sich grundsätzlich weigern, seinen Haushalt zu machen, damit er hilflos im Chaos versank! Das war fast noch besser, obwohl mir klar war, dass er mich deshalb trotzdem nicht vermissen würde. Musste er auch nicht, ich wollte ihn schließlich nicht zurück, dazu hasste ich ihn viel zu sehr.

      Jedenfalls