Die Erbschaft. Elisa Scheer

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Название Die Erbschaft
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737555173



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Betriebswirtin, aus guter Familie, stilvoll – und sie hat er immerzu gebumst, wenn er angeblich Mandanten angeworben hat. Von ihr will er ein Kind, von mir wollte er keins, wahrscheinlich war ihm meine Herkunft zu windig. Sicher hat sie auch die Superbeziehungen für sein Büro, die beiden werden zusammenarbeiten.“

      Ich begann zu heulen und kippte gleich das nächste Glas Rum. „Er wollte doch heute mit mir reden, und ich blöde Kuh dachte, er sagt, dass wir jetzt heiraten können. Oder ein Baby haben. Oder dass er mir wenigstens ab jetzt ein anständiges Gehalt zahlen kann! Und dann sagt er, er hat was Besseres gefunden. Jetzt hab ich alles verloren.“

      „Na, alles?“, sagte Cora, die mich wohl trösten wollte.

      „Sicher alles!“ Ich schenkte mir selbst noch einmal nach. „Ich hab keinen Mann mehr, kein Dach über dem Kopf und keinen Job mehr. Geld hab ich auch nicht, keinen Uniabschluss, kein gar nichts. Ich kann mich doch gleich unter eine Brücke verziehen, sobald ich eine Pappkiste gefunden habe. Die drei Taschen sind alles, was ich besitze!“ Ich schluchzte wieder los. „Sarah, das kann doch gar nicht sein“

      „Doch! Ich hab alles eingepackt, sogar die Schmutzwäsche, ich wollte doch keine Spuren hinterlassen. Lange genug habe ich seine Wohnung mit meiner stillosen Gegenwart entweiht.“ Ich schluchzte auf. „Jetzt wird mir das erst klar – es war immer seine Wohnung, nie unsere. Nichts war von mir, weil mein Kram nicht zu seinen eleganten Möbeln passte.“

      „Ich fand ihn ja immer schon etwas seltsam“, sagte Cora langsam, „aber dass er so diktatorisch war? Warum hast du nie protestiert?“

      „Er hatte immer überzeugende Argumente. Seine Möbel sind wirklich edel, die hat er ja geerbt. Und sein Geschmack ist besser als meiner. Und ich hatte ja ohnehin wenig Zeug, da reichte eine Schranktür und im Wohnzimmer ein verstecktes Regalfach. Was hätte ich sonst noch haben sollen? Meine Kindheit steckt in der Kiste in deinem Keller, in seinem wurde sie ja nicht geduldet.“

      „Ja, habt ihr denn nichts gemeinsam angeschafft?“

      „Doch“, murrte ich und warf ihr einen verschwommenen Blick zu. Dieser Rum zog ziemlich rein! „Aber das wollte ich jetzt auch nicht mehr haben, ich hab ihm nur mein Foto weggenommen, das braucht er jetzt ja nicht mehr. Soll er die stilvolle Charlotte in den Rahmen klemmen.“

      Cora stand auf. „Komm, jetzt richten wir dich ordentlich im Gästezimmer ein. Du musst ja auch mal deine Sachen wieder aufhängen, oder? Beim nächsten Job brauchst du deine Kostüme vielleicht wieder – oder hast du die auch dort gelassen?“

      „Nur das blaue, das er mir mal geschenkt hat, und den grauen Cocktailfetzen. Und den Schmuck natürlich. Gehörte mir ja alles nicht, war sozusagen Dienstkleidung. Dieses verlogene Schwein, er hat schon seit Wochen mit ihr rumgemacht, und mich schickt er seine Sachen aus der Reinigung holen!“

      „Komm jetzt mit. Du hast ja Recht, aber du bist ganz schön besoffen.“

      „Bin ich nicht. Soll ich meinen Kram wirklich auspacken? Stört es dich nicht, wenn meine Sachen herumliegen?“

      „Ich bin nicht so bescheuert wie dein verflossener Ästhetikpapst. Breite dich nur aus. Jetzt komm schon!“

      Während Cora mir das Gästebett bezog und die Kissen liebevoll zurechtklopfte, hängte ich meine zerdrückten Kostüme, Röcke und Blusen in den schmalen IKEA-Schrank, legte die Wäsche daneben, reihte die Schuhe ordentlich auf und stellte meine Bücher und den einzigen Ordner in ein weiteres Fach. Der Laptop kam auf das kleine Tischchen, der Morgenmantel über die Stuhllehne, die Schmutzwäsche auf den Schrankboden. Morgen würde ich Cora fragen, ob ich ihre Waschmaschine benutzen durfte. Ich stellte meinen Kulturbeutel auf den Schrank und faltete die Reisetaschen zusammen, bevor ich sie auch im Schrank verstaute. „Fertig!“

      Cora wandte sich von der Nachttischlampe ab, deren Funktionstüchtigkeit sie gerade getestet hatte. „Unglaublich – da hab ich ja mehr Kram dabei, wenn ich übers Wochenende verreise. Wieso hast du so wenige Klamotten?“

      Ich zuckte die Achseln und kehrte ins Wohnzimmer zurück. Cora folgte mir und sperrte den Rum mit energischen Bewegungen in ein Fach in der Schrankwand. „Jetzt kriegst du Tee ohne Rum und etwas zu essen!“

      „So spät noch? Dann kann ich nicht schlafen.“

      „Quatsch. Du hast hübsch einen sitzen, darauf kannst du allemal pennen. Aber du hast garantiert nicht viel zu Abend gegessen, stimmt´s? Oder hat er mit seinem geschmacklosen Geständnis gewartet, bis ihr mit dem Essen fertig wart?“

      „Er hat sogar gewartet, bis ich hinterher aufgeräumt hatte. Aber ich war so nervös, weil ich immerzu dachte, er fragt mich, ob ich ihn heiraten will, also hab ich wirklich fast nichts gegessen.“

      „Diese Schweinebacke! Du bleibst jetzt bitte ganz ruhig hier sitzen und schließt die Augen, ich hole Tee und etwas zu essen.“ Gehorsam lehnte ich den Kopf zurück und schloss die Augen. Coras Sofas entstammten vielleicht keiner eleganten Periode der Kunstgeschichte und waren auch keine Designerstücke, aber sie waren saubequem. Hm...

      Ich schreckte hoch, als Cora zurückkam, mit einer Kanne Tee, aus der die Anhänger von zwei Teebeuteln heraushingen, und außerdem einem Teller mit aufgeschnittenem Baguette und grob gewürfeltem Käse. Ich goss mir einen Becher Tee ein und zerkrümelte ein Stück Baguette, dann musste ich zittrig lachen. „Christian hätte jetzt die Augenbrauen hochgezogen, weil du den Käse nicht ansprechend arrangiert hast, mit Weintrauben auf silberner Platte.“

      „Vollidiot“, knurrte Cora und setzte sich.

      „Recht hast du“, stimmte ich zu und nahm mir ein Stück Käse. Lecker, er zerging fast auf der Zunge. „Warum hast du so wenig Zeug?“, kam Cora kauend wieder auf ihr altes Thema zurück. „Weil Christian darauf bestanden hat, dass ich nur erste Qualität kaufen durfte. Und bei meinem Gehalt war nur alle halben Jahre ein Outfit drin."

      Cora schüttelte den Kopf. „Was hat er dir eigentlich gezahlt?“

      „Zuletzt zwölfhundert Euro netto, aber ich war ja auch am Haushalt beteiligt. Dafür sind locker acht-, neunhundert Euro im Monat draufgegangen. Und vom Rest habe ich versucht, einen Standard aufrecht zu erhalten, den ich mir eigentlich nicht leisten konnte. Alles, was ich für das Leben mit Christian nicht brauchte, hab ich verkauft. Ich konnte es ja ohnehin nicht unterbringen, für meinen unschicken Kram war kein Platz in seiner Wohnung.“

      Seltsam, dass ich das plötzlich so hart formulieren konnte! Das war die reine Wahrheit, erkannte ich jetzt, und meine fünf Jahre lang gehätschelte Überzeugung, dass Christians Geschmack ohnehin der bessere und sein Lebensstil der erstrebenswerte war, löste sich plötzlich in nichts auf. „Warum hast du dir das eigentlich bieten lassen?“, fragte Cora nun. „Ich hab ihn ja nicht oft gesehen – er mochte mich wohl auch nicht, oder? – aber ich sehe nicht, dass er nun so faszinierend gewesen wäre.“

      „Er sieht so edel aus, finde ich“, murmelte ich beschämt über meine eigene Dummheit. „Stimmt, er mag dich nicht. Und dass er mich finanziell überfordert hat, habe ich eben erst richtig verstanden. Komisch, nicht?“

      „Saukomisch“, bestätigte Cora trocken. „Zahlst du eigentlich auch was zu den Nebenkosten der Wohnung dazu?“

      „Natürlich. Halbe-halbe.“

      „Obwohl du nicht einmal ein eigenes Zimmer hattest? Wo hast du deinen Kram aufbewahrt, deine Dokumente, den Laptop und so?“

      „In der Küche, warum?“ Cora sprang auf und wühlte auf ihrem Schreibtisch herum. „Bist du eigentlich Aschenputtel oder was?“, schimpfte sie und kehrte mit einem Spiralblock und einem Kugelschreiber zurück auf das Sofa.

      „Wir planen jetzt!“

      „Was denn planen? Wie ich ihn zurückkriege? Ich will ihn nicht mehr. So wie er sich verhalten hat, ist alles Gefühl für ihn tot.“

      „Jaja. Du sollst ihn gar nicht zurückholen, du bist ohne ihn besser dran.“

      „Völlig tot!“, unterstrich ich wütend.

      „Ich