Schöne Festtage. Elisa Scheer

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Название Schöne Festtage
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737548007



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Kerzen, einen Sack Teelichte, Kaffee, Tee und Spielkarten. Ach ja, und Trivial Pursuit.“

      „Na, für heute Abend dürfte das reichen.“

      „Hoffentlich muss es auch nur für heute Abend reichen“, gab ich zu bedenken. „Wie meinen Sie das?“

      „Haben Sie in letzter Zeit mal rausgeschaut?“

      „Wieso?“ Er schritt zur Tür und öffnete sie. Der Wind riss sie ihm sofort aus der Hand, und eine Menge Schnee wehte herein, bis er sie wieder eingefangen und zugedrückt hatte. „Schöne Scheiße! Der totale Sturm.“

      „Und ich hoffe, diese gelegentlichen Donnerschläge sind nicht die kleinen Lawinen, von denen das Radio berichtet hat.“

      „Lassen Sie es eingeschaltet, vielleicht sagen sie uns noch etwas Genaueres.“

      „Scheißspiel“, murrte ich. „Da erlebt man einmal eine Jahrtausendwende und hängt dann auf dieser gottverlassenen Hütte fest.“ Ich stand auf und füllte einen Topf mit Wasser. Glücklicherweise arbeitete der Herd noch!

      „Was wird das?“

      „Kaffee. Sie auch?“

      „Danke, ja.“

      Tolles Geschirr hatten sie hier. Gruß aus Mittenwald oder ein Namensbecher – Reginald. Was für ein Name! Milch gab´s keine, Zucker fand ich, aber er schien etwas alt zu sein - besser der Zucker als der Kaffee.

      Ich stellte Tarek den Reginald-Becher hin und nahm mir selbst das Souvenir. Er trank misstrauisch. Sah ich aus, als könnte ich keinen Kaffee kochen? „Nicht schlecht“, fand er dann und stellte die Tasse ab.

      „Und was essen wir dazu?“ Er schaute mich an, als sei ich für das Essen zuständig. War ich hier die Hausfrau? Ich war ja nicht einmal wirklich freiwillig hier! Also zuckte ich die Achseln.

      „Kartoffelchips, Müsliriegel und Knäckebrot, nehme ich an. Sonst haben wir ja nichts...“

      „Also trockenes Knäcke brauche ich nicht so dringend. Ich schlage vor, erst einen Müsliriegel mit genügend Kaffee, um den Magen etwas zu füllen, dann verputzen wir eine Tüte Chips. Knäcke ist wohl mehr fürs Frühstück...“

      „Ja, mit Butter und Honig“, murrte ich. „Wenn die anderen nicht zum Frühstück mit allem anderen brav auf der Matte stehen, gibt es Prügel.“

      „Dabei helfe ich Ihnen!“ Wenn er grinste, sah er so übel auch nicht aus.

      „Spielen Sie Rommé?“

      „Gotteswillen! Können Sie Schafkopfen?“

      „Zu zweit?“ Ich zog die Augenbrauen hoch. Er ärgerte sich offenbar über seine eigene Dummheit. Sehr gut, wieder ein Treffer! „Ich kenne eine gemeine Variante von Rommé, wir nennen es aus unerfindlichen Gründen Malaiisches Poker. Soll ich´s Ihnen zeigen?“

      „Na gut.“ Er aß seinen Müsliriegel auf und holte einen großen Suppenteller für die Chips. Ich schenkte noch einmal Kaffee nach.

      „Also, das Grundprinzip entspricht Rommé, aber es ist vorgeschrieben, mit welchen Kombinationen man herauskommt. Erst zwei Sets, das sind drei gleiche, dann ein Set und einen Run, also vier zusammenhängende Karten der gleichen Farbe, dann zwei Sets, ein Run, als nächstes zwei Run, ein Set und so weiter, ich schreibe es auf. Wer es nicht schafft, muss es in der nächsten Runde nochmal probieren. Einmal war der erste schon durch, und ich bin immer noch bei zwei Sets/ein Run festgesessen...“

      „Wir können es ja versuchen...“ Überschäumende Begeisterung war das nicht gerade.

      „Wenn Sie einen besseren Vorschlag haben – ich bin ganz Ohr!“, sagte ich nicht ohne Schärfe in der Stimme.

      „Leider nicht. Also, packen wir´s an.“

      Ich schrieb eine Punkteliste und mischte. „Sie mischen wie ein Mädchen!“

      „Ich bin ein Mädchen!“

      „Nicht mehr ganz...“

      „Sie haben wohl lange keinen Kaffeetopf mehr an den Kopf gekriegt?“

      Er grinste. „Geben Sie her, ich mische richtig!“

      Er teilte die Karten in zwei Häufchen, bog sie zurück und ließ sie ineinander schnalzen. Das sah wirklich cooler aus, aber das konnte ich schlecht zugeben. „Das ruiniert auf die Dauer die Karten.“

      „Ja, und bei den hohen Kartenpreisen heutzutage... Wie viele jeder?“

      „Sie zwölf, ich dreizehn.“

      „Wieso kriegen Sie eine mehr?“, fragte er neidisch.

      „Ich komme raus, weil Sie gegeben haben. Und ich darf keine vom Haufen nehmen, Sie dann aber schon.“

      Er teilte aus und machte ein Gesicht, als fühle er sich betrogen. Er wollte doch schließlich unbedingt machomäßig mischen! Ich nahm meine Karten auf und grinste in den Fächer hinein. Sollte er ruhig glauben, ich könnte sofort Schluss machen! Dabei hatte ich einen furchtbaren Mist bekommen: Alles Sortieren machte aus diesen Karten keine Sets. Er nahm eine Karte, sortierte sie ein, lächelte erfreut und legte dann genau diese Karte wieder ab. Haha! Ich konnte die nächsten beiden Karten wenigstens brauchen und knallte dann zwei magere Sets auf den Tisch. Wenigstens war ich draußen! Nur noch sechs Karten in der Hand...

      Als ich nur noch zwei Karten hatte, fiel mir etwas ein. „Ach ja, wenn Sie nur noch eine Karte in der Hand halten, müssen Sie sagen Letzte Karte, sonst kriegen Sie fünf neue.“

      „Ratte! Warum sagen Sie das nicht gleich?“

      „Sie haben doch eh noch alle Karten in der Hand!“

      Ich legte den Herzkönig zu den übrigen Königen, rief „Letzte Karte!“ und warf sie ab. „Ätsch!“

      „Saublödes Spiel“, murrte er.

      „Schlechter Verlierer?“

      „Oh nein, warten Sie nur ab.“

      Ich mischte nach seiner Methode und teilte aus. „Sie zwei Sets, ich ein Set, ein Run. Das ist schon mieser, also holen Sie mich vielleicht wieder ein.“ So lief es leider nicht für ihn – ich konnte fast sofort herauskommen und machte Schluss, als er gerade erst zwei Sets hingelegt hatte. Er schnaubte.

      „Immerhin, Sie haben die erste Hürde genommen!“

      „Sie reden wie eine Lehrerin zu einem besonders begriffsstutzigen Schüler. Dass du wenigstens deinen Namen richtig geschrieben hast, ist ja auch schon was! Seien Sie doch nicht so herablassend!“

      „Lehrerin! Mein letzter Wunsch. Obwohl, die vielen Ferien...“

      Er schnaubte wieder. „Das ist auch so ein populärer Irrtum. Lehrer haben im Sommer sechs Wochen Ferien, zur Hauptsaison. Der Rest sind keine Ferien, nur unterrichtsfreie Zeit!“

      „Ja, ja. Das sagt Karen auch immer. Wer´s glaubt. Pfingsten ist doch immer die schönste Zeit im Jahr, und da gibt es zwei Wochen Ferien!“

      „Sicher. Und Abiturkorrekturen, Schulaufgaben, Projektplanung für den letzten Abschnitt, Jahresbericht, Schüleraustausch und mit etwas Pech noch Schullandheim für die Unterstufe. Tolle Ferien!“

      „Der Lehrer wird geboren, jammert und stirbt“, kommentierte ich und schob die Karten zusammen.

      „Wo haben Sie denn diesen dummen Satz her?“

      „Karen.“

      „Die darf das, sie ist selbst Lehrerin. Sie dürfen das nicht.“ Er mischte gemächlich. „Wer sagt das?“, schnappte ich.

      „Ich.“ Er grinste mich frech an und teilte aus. Ich überlegte kurz, ob ich noch mit den Beamtenpensionen anfangen sollte. Lieber nicht, dann brach er womöglich das Spiel ab – und zum Schreiben und Skizzieren war es mittlerweile wirklich zu dunkel. Drei Kerzen und das flackernde Kaminfeuer,