Neues Leben für Stephanie. Lisa Holtzheimer

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Название Neues Leben für Stephanie
Автор произведения Lisa Holtzheimer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847666820



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war zweimal am Königssee gewesen und ließ sich von Stephanie überzeugen, dass die berühmte Kirche in der Ramsau wirklich sehenswert war. Heute wollten die beiden einen Einkaufsbummel im nicht sehr weit entfernten Bad Reichenhall machen. Stephanie kannte die kleine Stadt auch noch nicht, hatte sich aber von Britta sagen lassen, dass es dort sehr nett sei. Schnell umziehen und dann nichts wie zum Auto. Bevor sie den Motor startete, drückte sie eine Kurzwahltaste auf ihrem Handy. „Hi, ich fahre jetzt los. In 5 Minuten stehe ich vor der Tür. Komm schon mal runter, dann können wir gleich weiter fahren.“

      „Meine Güte, du hast eine Energie!“ Jana ließ sich auf den Beifahrersitz fallen. „Wenn ich um fünf aufgestanden wäre, würd’ ich jetzt nur noch schlafen wollen.“ „Hätte ich auch nichts dagegen“, grinste Stephanie, „aber was machst du dann den Rest des Tages?“ Jana boxte sie in die Seite. „Auf nach Bad Reichenhall zu den berühmten Salzquellen.“ Während Stephanie sich durch den Verkehr fädelte, spielte Jana am Radio herum, als Stephanies Handy klingelte. „Jana, geh mal ran, ich kann grad nicht.“ Jana drückte die Sprechtaste. „Hallo? – Nee, ich bin Jana. Stephanie übt gerade Autofahren.“ Die Genannte grunzte und nahm ihrer Beifahrerin das Handy aus der Hand. „Stephanie Harmsen, hallo? – Ach Britta, hi! Wie schaut’s bei dir? – Ach du meine Güte. Das dauert ja wohl länger, oder?“ Nach ein paar weiteren Sätzen und guten Wünschen legte Stephanie auf. Jana sah sie fragend an. „Britta hat sich heute Morgen schon krank gemeldet“, erklärte Stephanie. „Sie kommt gerade vom Arzt und hat die Röteln.“ „Na, hoffentlich hat sie euch nicht alle angesteckt“, meinte Jana. „Ich hatte sie schon, da besteht keine Gefahr. Was mit den anderen ist, wird sich zeigen. Schade“, ergänzte Stephanie dann, „dann wird aus eurem Kennenlernen wohl nichts.“ Jana fand das nicht so tragisch und meinte, dazu gäbe es mit Sicherheit noch reichlich Gelegenheiten in Zukunft.

      In Bad Reichenhall fanden die Frauen schnell einen Parkplatz in Innenstadtnähe und begaben sich auf Erkundungstour. Ihr erstes Ziel allerdings war ein griechisches Restaurant, auf das sie gleich an der nächsten Ecke zuliefen. Stephanie hatte einen Bärenhunger.

      * * *

      Am nächsten Morgen fiel Stephanie das Aufstehen wesentlich schwerer als sonst – sie hatten es einfach nicht geschafft, am Kino vorbei zu gehen, in dem ein neuer, sehr interessanter Film lief. Als sie dann endlich wieder im Auto gesessen hatten, war es 23 Uhr 12. Eine halbe Stunde dauerte die Fahrt bis Berchtesgaden noch – und Stephanie blieben kaum mehr als 5 Stunden Schlaf. Mit Mühe schaffte sie es, gerade noch um 6 Uhr auf der Station zu erscheinen. Dort erwartete sie eine nicht so gute Nachricht. Durch Brittas Ausfall musste Margot den Dienstplan umstellen. „Es tut mir Leid, Stephanie, ich weiß, dass das äußerst ungünstig für Sie ist, aber ich finde keine andere Lösung.“ Stephanie nickte. Sie verstand es, trotzdem war sie frustriert. Ihre beiden freien Tage hatten sich soeben in Luft aufgelöst. Einmal Frühdienst und einmal Spätdienst. Jana würde begeistert sein. Aber es half nichts, der Dienst musste getan werden, und sie war noch zu neu im Team, um sich auf Diskussionen einzulassen. „Ich gehe dann mal auf Frühstücksrunde“, verabschiedete sie sich aus dem Dienstzimmer.

      Zimmer 23 war das letzte auf dem Gang, und aus einem ihr unerklärlichen Grund freute sie sich plötzlich sogar ein bisschen über den Diensttausch. „Bin ich jetzt völlig übermüdet, oder was?“ fragte sie sich selbst, während sie die Tür öffnete und mit dem Tablett zum Fenster ging. „Guten Morgen“, wurde sie freundlich begrüßt, „ausgeschlafen?“ Stephanie schloss die Augen und fragte schläfrig: „Ausgeschlafen? Was ist das?“ Dann wurde sie ernster. „Geht’s Ihnen besser?“ „Ich glaub’ schon“, meinte Michael Aschmann. „Da gab es eine sehr nette Schwester, die etwas dafür getan hat.“ Stephanie wusste nicht so recht, was sie darauf entgegnen sollte. „Naja, das ist immerhin mein Job“, antwortete sie schließlich, aber es klang nicht sehr überzeugend. „Alles?“ fragte Michael nur zurück und sah sie an. Sie wich dem Blick aus, fühlte sich plötzlich wie ertappt. Dabei wusste sie gar nicht, wobei eigentlich. „Sie wissen ja, wenn ich noch was für Sie tun kann, lassen Sie es mich wissen“, wiederholte sie sich schnell, wünschte ihm guten Appetit und verließ das Zimmer. Vor der Tür blieb sie stehen. Was war das jetzt gewesen?

      * * *

      „Jana, ich glaub, ich bin gerade dabei, einen Riesenfehler zu machen!“ Stephanie ließ die Wohnungstür ins Schloss fallen, warf ihre Jacke auf einen Sessel und schaute lange aus dem Fenster. Jana sah ihr eine Weile zu und platzte dann vor Neugierde. „Was ist passiert?“ Stephanie atmete tief durch: „Ich glaub, ich bin grad auf dem besten Wege, mich zu verlieben.“ Jana staunte nicht schlecht. So von jetzt auf gleich war das bei Stephanie eher ungewöhnlich. „Ein Kollege?“ Stephanie schüttelte den Kopf. „Schlimmer.“ „Ein Arzt?“ Wieder Kopfschütteln. „Noch schlimmer. Ein Patient.“ „Oh oh“, meinte Jana nur. Mehr fiel ihr nicht ein. Stephanie schien hier unten sämtliche Vorsätze zu brechen. Erst die Geschichte mit diesem merkwürdigen frommen Kreis, und nun auch noch ein Patient. Patienten waren für sie immer nur Patienten gewesen, zu denen man freundlich ist, aber persönliche Beziehungen waren absolut tabu. So etwas war noch nie passiert. Während ihrer Beziehung zu Carsten hatte es dazu freilich auch keinerlei Anlass gegeben. Hier aber hatten sich die Dinge geändert.

      „Naja“, meinte Jana schließlich, „warum nicht? Ich mein’, ein Patient ist doch auch nur ein Mensch – in dem Fall ein Mann.“ Sie konnte sich ein hörbares Grinsen nicht verkneifen. „Jana! Patienten waren für mich immer tabu, sowas wie neutral!“ Stephanie war wirklich verzweifelt. „Ich weiß gar nicht, wie ich mich jetzt verhalten soll. Und wenn die Stationsschwester das mitkriegt, dann Prost Mahlzeit.“ „Geht die das auch ‘was an?“ fragte Jana erstaunt zurück. „Na, immerhin ist sie meine Vorgesetzte. Und als Schwester muss ich mich neutral verhalten.“ „Okay“, meinte Jana gelassen, „sie muss es ja nicht mitkriegen. Du wirst es kaum an die Pinwand schreiben, und ewig wird der ja nicht Patient bleiben.“ „Nee, ewig nicht“, bestätigte Stephanie, „aber vermutlich noch eine ganze Zeit. Den hat’s bös’ erwischt. Und wenn er dann mal entlassen wird, ist er eh weg.“ Jana sah sie fragend an. „Wieso?“ „Urlauber“, sagte die Freundin nur, als sei es Selbstverständlichste von der Welt, dass hier im Krankenhaus nur Urlauber lägen.

      Auch das fand Jana nicht unbedingt hinderlich. Schließlich befanden sie sich im Zeitalter von Telefon und eMail – jedenfalls die meisten. Manche Leute hätten den Anschluss bisher halt noch nicht bekommen, musste Stephanie sich jetzt wieder anhören. Wo er denn wohnte, wollte Jana wissen. Stephanie zuckte die Schultern: „Keine Ahnung. Jedenfalls spricht er nicht bayerisch.“ Das wiederum wertete Jana als absoluten Pluspunkt. „Wie alt? Was macht er? Wie ...?“ „JANA!“ Stephanie hielt sich die Ohren zu. „Ich weiß es doch nicht. Woher denn? Ich hab’ ihn nicht danach gefragt. Überhaupt – was mache ich nur, wenn ich wieder zu ihm muss?“ „Ihn freundlich anlächeln und ‘guten Morgen’ sagen“, grinste Jana mitleidslos, um dann zu fragen: „Hast du denn einen Hauch von Ahnung, wie er darüber denkt?“ Stephanie atmete tief durch: „Das ist es ja. Er hat mich auf eine Weise angesehen, dass ich überhaupt erst auf die Idee gekommen bin ...“. „Na, dann ...“ Für Jana war die Sache klar. Stephanie jedoch fühlte sich nicht wohl in ihrer Haut.

      * * *

      Die Visite war vorüber, und Dr. Bechstein hatte heute eine gute Nachricht für Michael gehabt. Sein Bein sah besser aus als erwartet, und wenn die Heilung jetzt so fortschreiten würde, wäre die dritte Operation vom Tisch. „Natürlich brauchen Sie trotzdem viel Geduld“, erklärte er seinem Patienten, „durch die Entzündung und die zweite Operation ist der Prozess ein ganzes Stück zurückgeworfen worden. Bis wir mit Ihnen wieder das Laufen lernen, wird es noch ein Weilchen dauern.“ Im Zusammenhang mit der ersten Nachricht fand Michael das überhaupt nicht mehr schlimm. Hauptsache, nicht noch eine Operation. Zwei hatten ihm gereicht. Für den späten Vormittag wurde eine Röntgenuntersuchung angesetzt, zu der er mit dem Rollstuhl gebracht werden würde. Endlich ging es aufwärts. Gerne würde er das jetzt Schwester Stephanie erzählen, doch die hatte er schon zwei Tage nicht mehr gesehen. Außerdem würde sie es sicher wissen, schließlich arbeitete sie hier und kannte die Diagnosen der Patienten. Vermutlich hatte sie frei. Er gönnte es ihr. Aber er freute sich auch darauf, wenn