Название | Neues Leben für Stephanie |
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Автор произведения | Lisa Holtzheimer |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783847666820 |
11
Stephanie hatte es eilig. Schnellen Schrittes lief sie um die Ecke und wäre fast mit einem Rollstuhl zusammengestoßen. In letzter Sekunde blieb sie stehen und starrte den Patienten an, der laut lachen musste. „So eine stürmische Begrüßung hätte ja gar nicht sein müssen“, meinte Michael und sah ihr offen ins Gesicht. Stephanie wurde knallrot, murmelte nur etwas von ‘schnell wegbringen’ und rannte weiter. Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Was würde Monika denken, die Kollegin, die den Rollstuhl schob? Selten war ihr etwas so peinlich gewesen. Dabei hatte Michael Aschmann das bestimmt gar nicht so gemeint. Er schäkerte gerne mit den Schwestern herum, das war eigentlich gar nichts so Neues. Wahrscheinlich hatte er sich überhaupt nichts dabei gedacht, und Monika auch nicht. Hoffentlich hatte niemand ihren roten Kopf gesehen. Dass sie das nicht abstellen konnte! Bei jeder – meistens unpassenden – Gelegenheit wurde sie, die dunkelblonde, aber hellhäutige Norddeutsche, krebsrot. Mehr als einmal hatte sie sich darüber schon geärgert, aber es ließ sich nicht steuern.
Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass Michael offensichtlich zum ersten Mal überhaupt das Bett verlassen hatte, wenn auch im Rollstuhl. Das bedeutete auch Besserung. Sie freute sich für ihn. Dann ging es aufwärts, und ihr Problem würde sich vielleicht schneller erledigen, als sie angenommen hatte. Der Gedanke versetzte ihr einen Stich in die Herzgegend, aber auf der anderen Seite war es besser so. Lange würde sie sich sowieso nicht mehr um das Zimmer herumdrücken können, ohne dass es den Kolleginnen auffiel. Und spätestens jetzt wusste Herr Aschmann – ganz bewusst nannte sie ihn auch in Gedanken bei seinem Nachnamen – auch, dass sie auf Station war. Wenn sie auf einmal überhaupt nicht mehr sein Zimmer betrat, wäre dies vermutlich auffälliger, als wenn sie ganz normal ihren Dienst verrichten würde. Schließlich arbeitete sie hier, da war es nur normal, dass sie mehrmals am Tag in ein Patientenzimmer kam. Sie beschloss, sich so normal wie möglich zu verhalten, um keine Gerüchte aufkommen zu lassen. Wenn das nur so leicht getan wie gedacht wäre.
Heute war ihr Dienst bald vorbei, noch zwei Stunden, dann konnte sie gehen. Morgen würde sie Spätdienst haben, und am Tag darauf hatte sie es doch noch so drehen können, dass sie 2 Stunden früher gehen durfte. Die Spätschicht kam dann schon, und Jana musste zum Flughafen gebracht werden. Der Gedanke holte sie wieder in die Wirklichkeit zurück. Die Zeit mit der Freundin war schon vorbei – wie im Flug waren die Tage vergangen. Durch den zusätzlichen Dienst hatten sie auch nicht mehr sehr viel unternehmen können. Morgen wollte Jana sich München ansehen, denn wenn Stephanie von 12 Uhr bis 20 Uhr 30 auf Station war, würde sie sich zu Hause nur langweilen. Mit dem Auto war man in knapp eineinhalb Stunden in München, und Stephanie konnte zu Fuß zur Klinik gehen, so dass Jana das Auto nehmen konnte. „Schade“, seufzte Stephanie halblaut vor sich hin. Sie hatte die Zeit mit ihrer engsten Vertrauten sehr genossen, und zweifellos würde sie ihr fehlen. Nach dem Dienst wieder in die leere Wohnung zu kommen, davor graute ihr ein bisschen. Hoffentlich war Britta bald wieder fit. Obwohl sie sich darüber im Klaren war, dass sie gerade diese Dinge, die sie mit Jana durchsprach, mit Britta nicht besprechen würde. Abgesehen davon, dass sie eine Kollegin war und den Patienten kannte, war sie zwar schon eine Freundin, aber so vertraut eben doch noch nicht.
„Wovon träumst du denn?“ Eine Kollegin winkte mit der Hand direkt vor Stephanies Nase hin und her. „Kannst du bitte das Mittagessen austeilen?“ „Was? Ach so, Mittagessen. Ja, klar, kann ich.“ Aus der Traum – wenn sie Michael Aschmann nicht hungern lassen wollte, würde sie sein Zimmer heute doch noch betreten müssen. Sie holte den Tablettwagen aus dem Speiseaufzug und machte sich an die Arbeit. Die Station war immer noch nicht wieder ganz belegt, so dass das Austeilen recht schnell ging. Und wie immer war Zimmer 23 als letztes dran. Stephanie atmete tief durch und öffnete die Tür.
Michael war inzwischen wieder in seinem Bett angekommen, aber der Ausflug zum Röntgen hatte ihn doch sehr angestrengt. Als er Stephanie sah, hellte sich seine Mine auf. „Tut mir Leid, wenn ich Sie vorhin erschreckt habe“, begrüßte er sie jetzt, „das wollte ich nicht. Es war einfach Situationskomik.“ Stephanie musste wider Willen lachen. Er hatte ja Recht, eigentlich war es wirklich einfach nur komisch gewesen, wie sie beinahe auf seinem Schoß gesessen hätte, als sie um die Flurecke stürmte. Bei jedem anderen Patienten hätte sie das von Anfang an genauso gesehen und schon in der Situation herzlich mit ihm zusammen darüber gelacht. Wie dumm hatte sie sich angestellt! Damit machte sie sich doch nur verdächtig. „Stimmt“, gab sie zurück, „das war wirklich lustig. Aber Sie konnten ja gar nichts dafür – ich hatte es furchtbar eilig und habe einfach nicht geguckt, wo ich hinlaufe.“ Gerettet. Das klang überzeugend. „Was ist denn beim Röntgen ‘rausgekommen?“ wechselte sie nun schnell das Thema. „Hab’ ich nicht so ganz verstanden, aber ich hatte den Eindruck, dass es ganz gut aussieht.“ „Das wäre schön, ich würde es Ihnen wirklich wünschen.“ Das war ihre ehrliche Meinung. „Jetzt aber erst mal guten Appetit – sonst wird das fürstliche Mahl hier noch kalt“, ergänzte sie dann. „Ja, und das wäre hier in diesem 5–Sterne–Hotel ja wirklich jammerschade“, antwortete Michael mit einem Augenzwinkern. Stephanie grinste und ging zur Tür.
„Stephanie?“ Sie drehte sich um. „Ja, bitte?“ „Also, ich ...“ er wusste offensichtlich nicht so richtig, wie er sich ausdrücken sollte, und Stephanie wurde es heiß und kalt. Hatte er doch etwas gemerkt und wollte nun gleich die Dinge klarstellen? „Gilt das noch, was Sie vor ein paar Tagen gesagt haben?“ fragte er dann. Sie sah ihn fragend an. „Wenn Sie etwas für mich tun könnten und so ...“ „Ach so. Ja, sicher.“ „Können Sie mir etwas besorgen?“
Der Stein, der ihr vom Herzen purzelte, musste mindestens den Fußboden durchschlagen, so schwer war er. „Gerne. Was denn?“ „Ein Buch ...“ Er räusperte sich. „Eine Bibel.“ Er ärgerte sich über sich selbst, dass es ihm jetzt fast peinlich war, danach zu fragen. Bezeugte man so seinen Glauben? Stephanie schluckte. Sofort musste sie an Britta denken. „Ja klar, das wird sich machen lassen“, antwortete sie dann so natürlich wie möglich. Britta würde ihr bestimmt einen Tipp geben können, wo sie eine solche bekommen würde. Dann erinnerte sie sich an den Hauskreis, in dem eine ganze Reihe verschiedener Exemplare kursierten. „Eine bestimmte?“ fragte sie deshalb und erntete einen erstaunten Blick. „Ja, gerne. Wenn möglich, eine Schlachter.“ „Wie bitte?“ Sie guckte so irritiert, dass Michael lachen musste. „Die ‚Schlachter-Übersetzung’, das ist eine gute Mischung aus moderner Sprache und Textgenauigkeit.“ „Ja, eine Schlachter, alles klar.“ Stephanie tat cool. Gleich nach Dienstschluss würde sie Britta anrufen. Michael suchte in der Nachttisch-Schublade nach seinem Portemonnaie, aber Stephanie winkte ab. „Das können wir besser machen, wenn ich eine gefunden habe. Ich weiß ja nicht, was die genau kostet. Gibt’s ein Preislimit?“ Michael schüttelte den Kopf. Hauptsache, er bekam endlich wieder eine Bibel in die Hand. Die durfte ruhig etwas kosten.
* * *
Jana raufte sich die Haare. Kaum war Stephanie nach Hause gekommen, griff sie zum Telefon und wählte Brittas Nummer. Als sie nach ein paar Begrüßungssätzen nach einer Bibel fragte, bekam Jana den Mund nicht mehr zu. Britta am anderen Ende der Leitung zeigte sich nicht weniger erstaunt, aber im Gegensatz zu Jana erfreut. Doch im nächsten Satz erklärte Stephanie sowohl ihrer Gesprächspartnerin als auch der Zuhörerin, was sie damit wollte. Jana machte den Mund wieder zu. Zum Glück, nur für einen Patienten.
„Für welchen denn?“ wollte sie gespielt fragen, als ihr im letzten Moment einfiel, dass Britta das auch hören würde und sie damit ihre Freundin in eine unangenehme Situation bringen würde. Unnötig, wie sich gleich darauf herausstellte. Britta hatte ihr die Frage abgenommen. „Herr Aschmann“, antwortete Stephanie, und auch, wenn Jana den Namen noch nie gehört hatte, wusste sie, um wen es sich handelte. Sie machte Faxen vor Stephanies Nase und genoss es, dass die sich nicht wehren konnte, wenn sie nichts verraten wollte. Und das wollte sie nicht, dessen war sich Jana sicher.
Die beiden Kolleginnen sprachen noch eine Weile miteinander, und als sie auflegten, wurde Jana, ehe sie sich versah, gewürgt. „Zur Strafe musst du jetzt mit mir eine Bibel kaufen gehen.“ Jana verdrehte wieder einmal die Augen und wusste, dass sie verloren hatte. „Versprochen ist versprochen“, meinte Stephanie