Neues Leben für Stephanie. Lisa Holtzheimer

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Название Neues Leben für Stephanie
Автор произведения Lisa Holtzheimer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847666820



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schlafe ich im Gehen ein.“ Dieser Wunsch entsprach ganz Janas Vorstellung, und so wurde die Kaffeemaschine gefüllt und einige Stücke Kuchen aus dem Gefrierschrank in die Mikrowelle verlagert. Ein Lob auf die Technik!

      Zwei Stunden später betraten die beiden jungen Frauen zum ersten Mal in ihrem Leben eine christliche Buchhandlung. Bisher hatten sie nicht einmal geahnt, dass es so etwas explizit gibt, und Jana konnte es auch jetzt nicht lassen, den freundlich und gemütlich eingerichteten Laden als „dennoch überflüssig“ zu bezeichnen. Stephanie verkniff sich eine Antwort und fragte stattdessen direkt an der Kasse nach einer Schlachter-Bibel. Die Verkäuferin führte sie an ein Regal und zeigte auf eine Reihe unterschiedlicher Bücher: „Das sind alles Schlachter-Übersetzungen. Schauen Sie sich gerne in Ruhe um, und wenn Sie Fragen haben, bin ich gerne da.“ Stephanie bedankte sich und zog nacheinander ein paar Bibeln aus der Reihe. Wie auch im Hauskreis, sahen die Bücher äußerlich alle unterschiedlich aus, doch die Titel-Aufschrift war immer dieselbe: Die Bibel.

      Stephanie tat wissend, blätterte in einigen Ausgaben und warf dabei auch einen Blick auf die Preise. Da sie keinen großen Unterschied ausmachen konnte, entschied sie sich für die bunte Ausgabe. Die schwarze passte nicht zu Michael Aschmann, und für die kleine würde er eine Lupe brauchen ... Als sie den Laden verließen, musste sie diesen Gedanken grinsend an Jana weitergeben, die nur trocken antwortete: „Und wenn sie chinesisch wäre, das würde auch keiner merken.“ Stephanie fand das gar nicht witzig. „Was glaubst du, warum er eine haben will? Sicher nicht als Brotpapier.“ „Ist ja schon gut“, beschwichtige Jana. Sie würde sich daran gewöhnen müssen, dass Stephanie beim Thema Bibel leicht reizbar wurde und in Verteidigerstellung ging. Außerdem ging es um einen Mann, für den Stephanie sich offensichtlich interessierte, auch wenn sie es nicht zugeben wollte. Jana war auf der Hut.

      Aber irgendwie musste sie die Freundin doch zur Vernunft bringen. Sie beschloss, sich eingehender mit dem Thema zu beschäftigen, um Fakten auf den Tisch legen zu können, die eindeutig bewiesen, dass der ganze Spuk mit der Bibel nichts als Humbug war. Im Internet würde sich da bestimmt etwas finden. Und dann musste auch Stephanie zugeben, dass sie besser die Finger davon ließ. Jana war so begeistert von ihrer Idee, dass sie beinahe die Freundin angestoßen und ihr davon erzählt hätte. Im letzten Moment wurde ihr bewusst, dass das in diesem Fall nicht so günstig war. „Und was machen wir jetzt mit dem angebrochenen Tag?“ fragte sie stattdessen. Stephanie zuckte die Schultern. „Mach mal ‘nen Vorschlag“, antwortete sie, „es ist im Grunde unser letzter gemeinsamer Abend.“ Jana nickte. „Ja, leider. Wie wär’s später mit einer Abschiedsparty in der nächsten Disco?“ „Hm“, Stephanie überlegte. „Da war ich schon ewig nicht mehr. Könnte man machen, aber ich muss erst rausfinden, wo eine ist.“ Schon wieder ... Jana glaubte es kaum. In Hamburg waren beide zwar nicht ständig, aber doch einigermaßen regelmäßig ca. einmal im Monat in ihrer Stammdiskothek gewesen. Jetzt wohnte Stephanie schon seit ein paar Monaten hier unten und kannte keine Disco? Irgendwie musste die Luft hier anders sein, eine andere Erklärung fand Jana nicht für all die seltsamen Verwandlungen ihrer Freundin.

      Zu Hause schlug Jana das Telefonbuch auf und suchte nach einer Diskothek. In Bad Reichenhall wurde sie fündig. „Wer sagt’s denn?“ freute sie sich und legte Stephanie das Buch vor die Nase. Die war zwar nicht begeistert darüber, erst nach Reichenhall fahren zu müssen, denn das waren auch gut 30 km, und vor allem durfte dann eine von ihnen höchstens ein Bier trinken. Sie ahnte, wer das sein würde. Aber sie wollte Jana den Gefallen auch gerne tun, denn die hatte hier einiges an Neuheiten ertragen müssen. Eine Disco war etwas Vertrautes für sie, und Stephanie selbst ging ja auch selbst gerne tanzen. Vorher konnte man noch mal gemütlich etwas essen gehen – auch das zum Abschied, um sich dann für ein paar Stunden ins Nachtleben von Bad Reichenhall zu stürzen. Morgen hatte sie Spätdienst, da konnte sie ausschlafen.

      * * *

      Was war das? Irgendetwas Hartes lag neben Michael im Bett. Er tastete danach und fand ein Buch. Eine Sekunde stutzte er, dann wurde ihm klar, wo es herkam. Er musste nach dem Mittagessen eingeschlafen sein, denn er hatte niemanden kommen gehört. Freudig griff er nach seiner neuen Bibel. Eine Haftnotiz in Form einer Musiknote klebte vorne auf dem Einband: „Viel Spaß beim Lesen“, stand handschriftlich darauf und ein gemalter Smiley lächelte ihn an. Ein warmes Gefühl durchflutete ihn. Da entstand gerade etwas, das über die reine Dienstleistung einer Krankenschwester hinausging. Er musste sich eingestehen, dass ihm das gefiel. Woher wusste Schwester Stephanie, dass er Musik liebte? Oder war es nur ein Zufall?

      Eigentlich konnte es nicht anders sein, denn sie hatten nie darüber gesprochen, und mit seinen Personalien hatte das ja nun rein gar nichts zu tun. Ob sie auch Musik machte? Ob sie vielleicht sogar Christ war? Er wollte es nicht ausschließen. Seine Frage nach der Bibel hatte sie jedenfalls in einer Weise kommentiert, die Kenntnis in irgendeiner Form voraussetzte. Er ertappte sich dabei, dass er tief innen drin hoffte, es würde so sein. Stephanie war immer sehr freundlich zu ihm, und er fühlte sich zu ihr hingezogen. Ob sie vielleicht auch ... „Quatsch, Micha“, schalt er sich jetzt selbst, „es ist der Job einer Krankenschwester, freundlich zu den Patienten zu sein.“

      Er wusste, dass das nur bedingt stimmte und es auch ganz andere Kaliber in diesem Berufsstand gab, aber zum Glück nicht auf dieser Station. Trotzdem – der Tag, an dem er mit den Nerven am Ende gewesen war, hatte irgendetwas zwischen ihnen wachsen lassen. Seither wechselten sie immer auch ein paar privatere Worte – freilich nicht so privat, dass er sich ernsthafte Hoffnungen machte. Ob Christ oder nicht – wahrscheinlich war sie sowieso gebunden. Krankenschwestern trugen auf Station keine Eheringe, da Schmuck aus hygienischen Gründen gänzlich untersagt war. Das hatte er einmal von einer Bekannten in der Gemeinde erfahren.

      Sein Blick ging wieder zu der Bibel in seiner Hand. Er griff zur Klingel. Wenigstens bedanken wollte er sich – und natürlich bezahlen. Zwei Minuten später kam Stephanie durch die Tür. „Gott sei Dank!“ entfuhr es Michael. Stephanie hob fragend die Augenbrauen. Michael musste lachen. „Nun, wenn jetzt eine andere Schwester gekommen wäre, hätte ich ihr nicht sagen können, warum ich geklingelt habe. Das wäre bestimmt peinlich geworden.“ Dann hob er die Bibel hoch. „Danke!“ betonte er. „Sie wissen gar nicht, welche Freude Sie mir damit gemacht haben.“ „Das war keine große Leistung, und ich hab es gerne gemacht“, antwortete sie ehrlich. „Was bekommen Sie?“ Michael zückte schon seinen Geldbeutel, und Stephanie nannte den Preis. „Die ist auch nett“, wechselte Michael dann das Thema und zeigte auf die Note. „Machen Sie Musik?“ „Nee, nicht wirklich.“ Stephanie schüttelte den Kopf. „Ich hab’ als Kind ‘mal angefangen, Klavier zu spielen, aber nach einem halben Jahr hatte ich keine Lust mehr. Jetzt find’ ich’s schade, aber das ist wohl zu spät.“

      „Gar nichts ist zu spät“, widersprach Michael energisch. Wenn ich nicht so weit weg wohnen würde, würde ich Ihnen jetzt anbieten, es zu erneuern.“ Stephanie wurde schon wieder rot. Schnell sah sie aus dem Fenster. „Ich glaube, das wäre hoffnungslos“, meinte sie, um dann den Faden aufzugreifen: „So weit weg? Wo wohnen Sie denn?“ „In Frankfurt.“ „Ja, das ist wirklich ein bisschen weit weg. Aber ich habe auch kein Klavier mehr, und das würde auch niemand in meine Dachgeschosswohnung bringen können.“ Sie musste lachen bei der Vorstellung: „Wendeltreppe.“ Michael stimmte zu: „Das geht dann wirklich nur als Kleinholz. Aber es gibt gute E–Pianos heutzutage. Die kriegt man auch über eine Wendeltreppe.“ Stephanie winkte ab. „Vielleicht. Aber dann hätte ich auch nur einen Staubfänger mehr.“ Dann wurde ihr bewusst, was er vorher gesagt hatte. „Aber Sie können offensichtlich mit so einem Ding richtig gut umgehen!?“ „Naja, was heißt schon richtig gut. Ich kriege ein paar Töne raus und kann auch ein paar Lieder begleiten.“ Er untertrieb maßlos, was Stephanie natürlich erahnte. „Nun ja“, meinte sie trocken, „wenn Sie es jemandem beibringen können, wird es wohl ein bisschen mehr sein.“ Michael grinste vielsagend, äußerte sich aber nicht weiter dazu.

      Als Stephanie das Zimmer wieder verließ, war Michael ein bisschen schlauer geworden. Sie hatte von ihrer Wohnung in der Einzahl gesprochen, das klang nicht nach Ehemann oder gar Familie. Wieder spürte er ein wohliges Gefühl in der Herzgegend. Wohin würde das jetzt führen? Er rief sich selbst zur Vernunft. Erst einmal herausfinden, ob es nicht doch